Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Emanzipierte Frauen galten als vorlaute Mannweiber“
Mascha Riepl-Schmidt in Untermarchtal: Spuren emanzipierten Frauen sind stets verschwiegen worden
UNTERMARCHTAL - Mit einer Vortragsreihe über „Literatur von Frauen und Frauen in der Literatur“nimmt das Bildungsforum des Klosters in Untermarchtal am „Literatursommer 2018“teil, den das Land Baden-Württemberg unter das Motto „Frauen in der Literatur“gestellt hat. Am Mittwochabend war Literaturwissenschaftlerin und Frauenforscherin Mascha Riepl-Schmidt aus Stuttgart zu Gast im Untermarchtaler Bildungshaus, um über „Frauenemanzipation“zu sprechen.
Riepl-Schmidt war Gründungsmitglied des „Frauennetzwerkes BadenWürttemberg“. „Wider das verkochte und verbügelte Leben“ist der Titel eines ihrer Bücher, in dem sie „wichtige, prägende Frauen der Frauen-Emanzipation“im deutschen Südwesten ab 1800 darstellt. Dass Eva aus der Rippe Adams geschaffen worden sei, deute bereits auf eine erste Ungleichheit zwischen Männern und Frauen hin, sagte Schwester Marzella Krieg, Leiterin des Untermarchtaler Bildungshauses, zur Einleitung.
„In der Geschichte hat es sehr viele emanzipierte Frauen gegeben“, betonte Mascha Riepl-Schmidt, „aber deren Spuren sind sehr schwer zu finden“. In einer „männlich geprägten Welt“seien sie „total verschwiegen“worden. „Erst durch die neue deutsche Frauenbewegung ab 1968 wurden ihre Namen und ihre Leistungen wieder entdeckt“. Die Einmischung von Frauen in „intellektuelle Angelegenheiten“sei lange als unweiblich, anrüchig und nicht sittsam betrachtet worden, betonte die Frauenforscherin am Mittwoch.
„Bis weit ins 20 Jahrhundert hatte der Familienvorstand, also der Mann, die Entscheidungsbefugnisse und Frauen steckten in der 3-K-Schublade – Kinder, Küche, Kirche. Emanzipierte Frauen galten als vorlaute Mannweiber, die Plätze in der Gesellschaft besetzen wollten, die ihnen nicht zustanden“. Als Beispiele „kritischer Bürgerinnen, die eine Teilhabe an männlichen Rechten“wollten, nannte Riepl-Schmidt, die erste ordentliche Professorin an einer Hochschule, Therese Huber, die erste Redakteurin einer Stuttgarter Tageszeitung, Clara Zetkin, eine der ersten deutschen Politikerinnen, Mathilde Planck, die als eine der ersten Frauen einen Sitz im württembergischen Landtag hatte.
Auch Anna Blos, die Frau des späteren württembergischen Staatspräsidenten Wilhelm Blos, sei Frauenrechtlerin gewesen, erklärte Mascha Riepl-Schmidt. „Anna Blos war die erste Frau, die in Deutschland zur Schulrätin ernannt wurde“. Außerdem nannte Riepl-Schmid in ihrem Vortrag Elisabeth Selbert: „Sie war eine der vier Mütter des Grundgesetzes“. Die Aufnahme der Gleichberechtigung in den Grundrechteteil der Verfassung sei zum großen Teil ihr Verdienst gewesen, so die Frauenforscherin. „Bis in die 50er-Jahre hat es in diesem Bereich einen Gesetzesbruch nach dem anderen gegeben“, zitierte Riepl-Schmidt die „Mutter des Grundgesetzes“. Und bis heute werde Frauen „der Spagat zwischen weiblichen Lebenswelten, also zwischen Familie und Beruf aufgebürdet“.