Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Differenzen in der Union sind Thema in Hütten
CDU-Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer kommt mit Bürgern ins Gespräch und beantwortet Fragen
HÜTTEN - Ursprünglich sollte es ein Gespräch über „100 Tage Regierung“werden, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer, doch die Tagespolitik funkte in ein nüchternes Bilanzziehen. Die Differenz zwischen CDU und CSU in der Grenzschutzfrage bestimmte den Besuch in Hütten. Die Politikerin sprach sich gegen eine öffentlich geführte Auseinandersetzung aus. Wer Recht habe, könne nicht so einfach gesagt werden, weil es kein „Schwarzweiß“gebe. Man habe bei der Bundestagswahl viel verloren und jetzt stehe die Wahl in Bayern an und nächstes Jahr Wahlen in Thüringen und Sachsen.
Ronja Kemmer sagte, die Meinungsverschiedenheit werde der CSU bei der Bayernwahl nicht helfen. Sie gehe davon aus, dass die Union in den kommenden zwei Wochen wieder zueinanderfindet. Bei der Obergrenze habe das auch geklappt. Es gebe noch andere Themen: die Digitalisierung. Die SPD sollte dennoch ein Warnsignal sein, „wie es einer Volkspartei gehen kann“. Kemmer sagte, nur Bürgermeister zu treffen, die für Familiennachzug seien. Es folgte eine lange Fragerunde in dem mit 30 Veranstaltungsteilnehmern besetzten Gasthaus „Bären“.
Zu den Besuchern gehörte der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Schelklinger Gemeinderat und Unternehmer, Michael Strobl, der der Einladung von CDUStadtverbandschef Heinz Zeiher gefolgt war, und sich mehrfach zur Wirtschaft und Industrie zu Wort meldete. Der erste von auffallend vielen Fragensteller sprach aber das überlagernde Thema Migration an und wollte wissen, was die CDU verstanden habe. Hohe Wählerverluste, primär an die FDP, und die Erkenntnis, dass man wissen müsste, wer ins Land kommt, um die Registrierung zu meistern, räumte Ronja Kemmer ein. Inhaltlich sei sie auf Seehofers Seite, „es kann nicht immer durchgewinkt werden“, andererseits sei sie gegen Grenzkontrollen, aber dafür, dass mehr gemacht wird. Auf die Frage, ob die Integrationsarbeit optimal sei, sagte Kemmer unter anderem, dass die hierzulande geltende Gleichberechtigung der Frau nicht mit der Burka vereinbar ist.
Beklagt wurde in Hütten, dass deutschen VW-Fahrern mit Abmeldung ihres Fahrzeugs gedroht wurde, während US-Bürgern rasch ein Schadensersatz winkte. Die Politik halte zu wenig zum betrogenen Kunden, während weniger bekannte Lieferanten für Schäden aufkommen müssten. Kemmer antwortete, der Bundestag könne keine Sanktionen aussprechen, das sei der Justiz überlassen, was zu der Kritik aus den Zuhörerreihen führte, dass die Politik die Grenzwerte beschlossen habe, nicht aber ein funktionierendes Kontrollsystem. Schifffahrt und Luftfahrt seien große Umweltsünder, wurde eingeworfen. Angesprochen wurde in der Fragerunde der brüchige Zusammenhalt in der Europäischen Union und eine neue Wortführerschaft des französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron sowie die vorübergehende Aufnahme als UNO-Vollmitglied, was mutmaßlich mehr Kriegseinsätze befürchten lasse. Kemmer sagte, Macron habe Visionen und Reformideen für die EU, und die UNO-Mitgliedschaft und Aufstockung der Bundeswehrmittel führe zu einem „Erwachsenwerden gegenüber den USA“.
Weitere Kritik kam zur Digitalisierung, weil viel Zeit verstrichen sei und vorerst nur Leerrohre gelegt werden. Beklagt wurden der im europäischen Vergleich niedrige Mindestlohn und die drohende Altersarmut. „Ich will nicht alles wegreden“, sagte Kemmer mit dem Verweis auf den hohen Lebensstandard in Deutschland und die Absicht der Mindestlohnerhöhung. Bezüglich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beklagte Hüttens Ortsvorsteher Stefan Tress die Erschwerung des Ehrenamts. „Große Fehler“räumte Kemmer bei der DSGVO ein, was sie als DRK-Präsidentin persönlich erfahren habe. „Wir sollten uns nicht zu Tode verwalten, sondern den gesunden Menschenverstand einsetzen“, wünschte sich Kemmer. Michael Strobl sieht zum Fachkräftemangel kein Handeln der Politik. Ursachen sind laut Ronja Kemmer der demografische Wandel und die von der SPD gewünschte hohe Abiturquote pro Jahrgang, doch könne die begonnene Aufwertung der dualen Ausbildung und ein Einwanderungsgesetz Abhilfe leisten, sagte Ronja Kemmer. Die Bundestagsabgeordnete sagte einen Besuch bei der Firma Elektrotechnik Strobl zu.