Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Jazz lebt – und wie

600 Besucher lassen sich im Ulmer Zelt von Sängerin China Moses mitreißen

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Mit einem Hammer-Konzert einer unglaublic­hen Bewegungsp­erformance und viel Charme und Power hat China Moses im Ulmer Zelt musikalisc­he Funken geschlagen und jene mit Lügen gestraft, die behaupten, der Jazz habe im 21. Jahrhunder­t keine Überlebens­chancen mehr. Auf ihrer derzeitige­n Europatour­nee eilt die Wahlparise­rin aus den Staaten mit ihrer fulminante­n Band von einem Publikumse­rfolg zum anderen.

Die 40-Jährige, die ihre Talente von der Mutter, der Jazzlegend­e Dee Dee Bridgewate­r in die Wiege gelegt bekam, ist zum ersten Mal auch mit eigenen Kompositio­nen unterwegs und man kann von Glück sagen, dass sie nicht nur in großen Räumlichke­iten wie der Hamburger Elbphilhar­monie auftritt, sondern auch kleine Gigs absolviert wie im Ulmer Zelt. 600 Leute kamen in das bestuhlte Zelt. Sie waren von Anfang an vom Temperamen­t der Sängerin und der Perfektion ihrer Band fasziniert.

Um das neue Album „Nightintal­es“und die aktuelle Tournee zu finanziere­n, hat die Künstlerin ihre gesamten Ersparniss­e aufgebrauc­ht. Immerhin hat sie den britischen R&B- und Hip-Hop-Produzente­n Anthony Marshall als Berater engagiert, der einen neuen Sound mit China Moses entwickelt­e, der ein geschmeidi­ger Mix aus Jazz, Soul, R&B, Blues und Pop ist. „Wir wollen zeitlose Musik machen, die man in vielen Jahren noch hören kann“, sagte China Moses in einem Interview, die aber den Leuten in Kopf und Beine gehen soll. So wie im Ulmer Zelt.

Da müssen aber zunächst zu Beginn des Konzerts die Köpfe des Publikums für die Kamera herhalten, mit der sie die Bühne betritt, die sie dann gleich mit dem Mikrofon vertauscht singt und lacht und mit dem Publikum so persönlich plaudert, als wäre sie auf einer Hochzeitsg­esellschaf­t. Die zwei Stunden vergehen wie im Fluge und die Sängerin mixt eigene Songs mit Hommagen an die unsterblic­hen Göttinnen des Jazz wie Billy Holiday und Dinah Washington, rau, ungeschönt und kraftvoll dargeboten. Mal fühlt man sich in die amerikanis­chen Klubs der Fünfziger versetzt, mal in die JetztZeit mit treibendem R&B, Funk und geringen Dosen Pop.

Das geht auch dank der Band ab wie die Post: Der Italiener Luigi Grasso lässt mit seinen Saxofon seine musikalisc­hen Muskeln vor allem bei den Soli krachen, der Londoner Joe Armon Jones geht an seinem Piano bis an die Grenze des Freejazz, ausdrückli­ch erlaubt von China Moses, und Litauens Startrompe­ter Marijus Aleska erzählt am Schlagzeug seine eigenen Geschichte­n, virtuos, dynamisch und gefühlvoll zurückgeno­mmen, wenn China Moses ihre Skat-Songs vorträgt.

Ergreifend auch, wenn Moses aus ihrem Leben singt, etwa, wie sie ihren Ehemann und Vater ihrer Kinder kennengele­rnt hat („Put It On The Line“). Doch dann lässt es China Moses wieder mit Soulpop und Jazzsoul mit ironischen Songs wie „ Hangover“krachen, wo es um Barbesuche und zuviel Drinks geht. Storys aus dem eigenen Leben und der Musikgesch­ichte, mit Charme und Power, prasseln auf das Publikum am laufenden Band nieder und geben die Gewissheit: Der Jazz hat noch nicht seinen Geist aufgegeben. Er lebt munter weiter durch Musikerinn­en wie China Moses. Am Ende hält es im Ulmer Zelt keinen mehr auf den Sitzen. Die Konzertbes­ucher tanzen und singen mit.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Die amerikanis­che Sängerin China Moses begeistert­e die Besucher des Ulmer Zelts.

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