Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Eine WM gegen Vorurteile
Fußball: Zwei Weißenhorner waren fünf Tage lang in Russland
WEISSENHORN - Vorurteile gibt es in Deutschland gegenüber den Russen und ihrer Nation einige. Präsident Wladimir Putin gilt vielen nicht unbedingt als Sympathieträger und politische Entscheidungen wie die Annexion der Krim oder der Dopingskandal taten dabei ihr übriges. Dass ausgerechnet hier die Fußballweltmeisterschaft 2018 stattfinden sollte, ließ viele Menschen den Kopf schütteln. Vorurteile hatte auch Bernd Martin aus Weißenhorn. Zusammen mit Theo Ritter ist er trotzdem nach Moskau zur WM gefahren. Nach fünf Tagen, zwei Spielen und vielen neuen Eindrücken sagt er jetzt: „Ich muss meine Vorurteile revidieren. Es war mein bisher schönstes Fußballerlebnis.“
Martin muss es wissen, denn bei den jüngsten großen Fußballturnieren war er oft dabei. Egal ob 2006, 2008 oder zuletzt bei der Europameisterschaft in Frankreich 2016. Turniere übrigens, in denen sich die deutsche Nationalmannschaft wesentlich besser geschlagen hat als in diesem Jahr. Den Beginn der historischen deutschen Pleite erlebten Martin und Ritter unmittelbar bei ihrer Entstehung in Russland. Deutschland gegen Mexiko hieß die erste Partie, die sich die beiden Weißenhorner angeschaut haben. Das Ergebnis von 0:1 war schon bitter genug, doch dass mit dem Ausscheiden eine noch bittere Pille folgen sollte, ahnten die beiden damals noch nicht. „Wir haben beim ersten Spiel schon gemerkt, dass es in der Mannschaft nicht stimmt“, erzählt Martin. „Schon das Warmmachen war total lasch.“Theo Ritter sagt: „Das Tempo war AltherrenFußball.“Für den langjährigen FVWVorsitzenden war es ohnehin ein „schwarzer Sonntag“– am selben Tag stiegen die Weißenhorner in über 2000 Kilometern Entfernung ab. Davon erfuhr Ritter aber erst in der Nacht.
Von der Niederlage gegen Mexiko ließen sich die beiden jedenfalls nicht die Laune vermiesen. „Wir waren faire Verlierer und haben mit den Mexikanern gefeiert“, erzählt Ritter. Bis weit über Mitternacht feierten die beiden mit den Mexikanern. Für Bernd Martin sprang sogar ein neues Trikot dabei heraus – ein spontaner Tausch mit einem Mexikaner machte es möglich. Zwar musste er sein DFBLeibchen dafür hergeben, aber das sei es wert gewesen, erzählt er. Jetzt habe er ja schließlich schon eine Kontaktperson für die WM 2026 in Mexiko, den USA und Kanada. Die beiden haben Nummern ausgetauscht.
Es sind Begegnungen wie diese, die den beiden Weißenhornern besonders im Gedächtnis bleiben werden. „Es waren alle Nationen und so viele Menschen da“, sagt Theo Ritter. An jeder Ecke haben die beiden andere Fans kennen gelernt, zusammen Fotos geschossen und gefeiert. Vor allem die Afrikaner und Mexikaner haben es den Fußballfans angetan. Die Stimmung sei so gut gewesen, erzählen sie, dass sie sich spontan noch Tickets für das Spiel Polen gegen Senegal kauften.
Doch dass sie ihre Vorurteile revidieren mussten, lag auch an den Russen selbst. Die seien durchweg freundlich, zuvorkommend und wegen der guten Leistung ihres Nationalteams auch richtig begeistert gewesen.