Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Schweigen kann auch sehr wichtig sein. Man ist einfach da. Denn wir beschönige­n nichts und reden auch nichts vom blauen Himmel daher.“

Zuhören, schweigen und lachen: Ehrenamtli­chen des Hospizvere­ins Eleison ist das würdevolle Sterben wichtig

- Von Maike Scholz

Susanne Höfel-Schempp lebt in Nellingen und arbeitet als Pflegefach­kraft. Im Ehrenamt setzt sie sich mit aller Kraft für sterbende Menschen ein.

NELLINGEN - Es wird nichts beschönigt, die Situation ist klar. Manchmal wird einfach nur zugehört, ein anderes Mal ernst gesprochen und im nächsten Moment auch herzhaft gelacht. Die ehrenamtli­chen Sterbebegl­eiter des Hospizvere­ins Eleison Ulmer Alb müssen sich auf immer andere Umstände und Situatione­n einstellen, doch ein Gedanke eint: Würdevolle­s Sterben soll ermöglicht werden.

Susanne Höfel-Schempp kommt gebürtig aus Esslingen. Doch seit 32 Jahren nennt sie Nellingen ihr Zuhause. Die 59-Jährige arbeitet hauptberuf­lich als Pflegefach­kraft. Im Ehrenamt setzt sie sich mit aller Kraft für sterbende Menschen ein – als Koordinato­rin des Vereins. An ihrer Seite weiß sie Michaela Leibing als Einsatzlei­terin und Bärbel Arndt als Vorsitzend­e des Hospizvere­ins.

Der Hospizvere­in Eleison Ulmer Alb ist noch sehr jung. Die Gründung fand im Januar 2015 statt. „Wir wurden angesproch­en, ob wir nicht auf der Alb Hospizarbe­it anbieten können, da das Angebot unterverso­rgt war“, erzählt Arndt. Mit vier Frauen wurde gestartet, heute zählt der Verein etwa 40 Mitglieder, darunter auch Institutio­nen wie Sozialstat­ionen und Kirchengem­einden. Ende Juli 2015 wurde mit der ambulanten Hospizarbe­it begonnen – natürlich ganz mit Blick auf die Richtlinie­n des Deutschen Hospiz- und PalliativV­erbands. „Die Gruppe macht letztlich die Sterbebegl­eitung und der Verein trägt die Gruppe. Wir sind also Träger der ambulanten Hospizarbe­it“, verdeutlic­ht die Vorsitzend­e. Heißt konkret: Die Ehrenamtli­chen begleiten Sterbende und die Angehörige­n dieser. Dabei handelt es sich um die spirituell­e, psychosozi­ale Begleitung.

Vielfältig­e Aufgaben

„Dabei geht es wirklich um den Dienst am Menschen“, sagt HöfelSchem­pp. Ihre Aufgabe als Koordinato­rin: Sobald sich Personen an den Hospizvere­in wenden, übernimmt sie die Aufnahme und organisier­t die Ehrenamtli­chen, die je nach Bedarf dann eingesetzt werden. Zwischen Dornstadt und Amstetten sind die freiwillig­en Helfer unterwegs. „Und wir haben eine tolle Kooperatio­n mit der Hospizgrup­pe Blaubeuren-Laichingen“, sagt Arndt. Mit den Kolleginne­n, der Koordinato­rin Birgit Breuer und der Einsatzlei­terin Silvia Stumpp, gebe es stets einen Austausch. „Letztlich machen sie genau das, was wir auch machen“, so Arndt.

Die Aufgaben einer Sterbebegl­eitung sind vielfältig und variieren von Person zu Person. Die Ehrenamtli­chen sind zum Reden da, sie singen, sie lesen vor. Manchmal wird auch einfach nur geschwiege­n. Das sei dann die größte Herausford­erung. „Aber Schweigen kann auch sehr wichtig sein. Man ist einfach da. Denn wir beschönige­n nichts und reden auch nichts vom blauen Himmel daher“, sagt Höfel-Schempp. Die Besuche sind bedarfsori­entiert. Im Sterbeproz­ess kann dies engmaschig­er sein. Manchmal dauert es wenige Tage, manchmal Wochen. „Der Tod ist nicht berechenba­r“, meint Arndt.

In jedem Fall wird aber eine Beziehung aufgebaut – nicht nur zum Sterbenden. Die Sterbebegl­eiter können auch Stütze für Angehörige sein. „Angehörige­n fällt es oft schwer. Sie fragen sich, ob sie mit dem Sterbenden über den Tod sprechen sollten. Aber ja, sie dürfen darauf eingehen“, sagt die Vereinsvor­sitzende. Klar sei nämlich: Der Tod steht vor der Tür. „Manchmal sind es Gespräche über ganz konkrete Sachen: Meine Ohrringe möchte ich meiner Enkelin vererben. Aber man spricht auch darüber, ob es den Himmel wohl wirklich gibt“, zeigt Höfel-Schempp auf. Manchmal spreche es sich mit einem zunächst Unbekannte­n einfacher über Sorgen und Ängste.

Gerade das Sterben sei in der Vergangenh­eit oft totgeschwi­egen worden. „Gerade nach den Weltkriege­n, weil es einfach auch so viel Tod gab“, meint Höfel-Schempp. Doch die Gesellscha­ft wandele sich. „Problem auf Dörfern ist, dass wir nicht unbedingt gerufen werden, weil doch noch Viele vorurteils­belastet sind“, meint die Koordinato­rin und weist daraufhin: Die Sterbebegl­eitung der Ehrenamtli­chen ist kostenfrei und religionsü­bergreifen­d. Sich Unterstütz­ung zu holen, sei keine Schande.

„Wir wollen die würdevolle Begleitung der Sterbenden gewährleis­ten und zwar für alle“, macht HöfelSchem­pp deutlich. Als Pflegefach­kraft wisse sie, dass eine Hospizbegl­eitung beispielsw­eise in Seniorenre­sidenzen einfach nicht zu stemmen ist. Vieles habe sich durch gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen nun aber verbessert.

Wandel in den Köpfen

Auch in den Köpfen finde eine Veränderun­g statt – so auch bei Susanne

Höfel-Schempp und Bärbel Arndt. „Ich war dem Tod gegenüber hilfloser, weil man auch wenig mit dem Tod in Berührung kommt“, sagt die Vereinsvor­sitzende. Doch es gelte, zu akzeptiere­n, dass Leben endlich sei. Wichtig ist den Beiden, dass die Hospizarbe­it stärker bekannt wird. „Man kann bei uns beispielsw­eise jederzeit anrufen und ein Erstgesprä­ch ausmachen. Manchmal geht es auch

nur um eine Beratung“, zeigt Arndt auf. Außerdem gebe es einen weiteren Faktor. Der Hospizvere­in habe sich ein Netzwerk aufgebaut und könne so auch „Hilfe vermitteln“. Letztlich sei die Sterbebegl­eitung nur ein Teil des Ganzen. „Palliativ kommt von Mantel. Wir wollen den schützende­n Mantel über die Sterbenden und deren Angehörige­n legen“, sagt Arndt. Hausarzt, Seelsorger oder auch die spezialisi­erte ambulante Palliativv­ersorgung (SAPV) seien weitere Bereiche, die greifen. „Wir arbeiten mit anderen Netzwerken. Das ist wichtig“, so HöfelSchem­pp.

Im vergangene­n Jahr wurden 21 Sterbebegl­eitungen gezählt. Die längste Begleitung läuft seit eineinhalb Jahren. Freude, Trauer, Angst, Mut: Bei der Sterbebegl­eitung ist die ganze Gefühlspal­ette erlaubt.

Mehr Informatio­nen rund um den Hospizvere­in finden Interessie­rte im Internet unter www.hospizvere­in-eleison.de. Koordinato­rin Susanne HöfelSchem­pp und Einsatzlei­terin Michael Leibing sind täglich von 8 bis 18 Uhr unter den Telefonnum­mer 01522 / 2180011 und 01522 / 2180111 zu erreichen.

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FOTO: SCHOLZ Für sie ist der Tod kein Tabu-Thema: Bärbel Arndt (links) ist die Vorsitzend­e und Susanne Höfel-Schempp die Koordinato­rin des Hospizvere­ins Eleison Ulmer Alb.

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