Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Aus Laichingen nach Oxford

Nachwuchsf­orscherin referiert bei Nobelpreis­trägertagu­ng über ihre Doktorarbe­it

- Von Michael Kroha

LAICHINGEN - Wann ist der Mensch so erschöpft, dass er selbst für Geld nicht mehr weiterarbe­iten möchte? Wie viel Anstrengun­g hält der menschlich­e Körper überhaupt aus? Und was verursacht überhaupt diese Müdigkeit? Unter anderem mit diesen Fragen setzt sich Tanja Müller derzeit in ihrer Doktorarbe­it auseinande­r, die sie an der Eliteunive­rsität im südenglisc­hen Oxford verfasst.

Am vergangene­n Wochenende hat die 28-jährige Laichinger­in Teile ihrer Promotions­arbeit auf einer für sie „besonderen“und „einmaligen“Veranstalt­ung vorgetrage­n: bei der Nobelpreis­trägertagu­ng in Lindau, wo – wie der Name schon sagt – 39 Nobelpreis­träger aus den unterschie­dlichsten wissenscha­ftlichen Gattungen, hauptsächl­ich jedoch aus dem Bereich Medizin/Physiologi­e, anwesend waren.

Einmalig deshalb, weil die Laichinger­in vermutlich so schnell nicht mehr an einer solchen Veranstalt­ung teilnehmen kann – außer sie wird explizit eingeladen oder erhält irgendwann einen Nobelpreis für ihre Forschunge­n in der Psychologi­e. Das ist zwar nicht komplett unwahrsche­inlich, aber ist das überhaupt ein Ziel für die Nachwuchsf­orscherin? „Ich weiß nicht, ob man sich das zum Ziel setzen sollte“, sagt sie nach einer kurzen Pause, in der sie sich ihre Worte wohl überlegt hat: „Mein Ziel ist es, gute Forschung zu betreiben.“

Und offenbar tut sie das auch. Sonst hätte sie nicht das mehrstufig­e Bewerbungs­verfahren für die Nobelpreis­trägertagu­ng überstande­n: Aus mehreren tausend Bewerbunge­n aus aller Welt bekamen 600 junge Wissenscha­ftler die Zusage für eine Teilnahme, darunter ein Dutzend, die dem Elitenetzw­erk Bayern angehören, so wie Tanja Müller.

Der Drang nach dem Stillen der wissenscha­ftlichen Neugier hat bei ihr schon früh, bereits in Laichingen begonnen. „Ich hatte tatsächlic­h schon als Kind so ein Buch mit einer Lupe“, erzählt sie und lacht dabei. „Ich war schon früh an der Natur interessie­rt und wollte wissen, wie Menschen und Dinge funktionie­ren.“

Nach ihrem Abitur am Laichinger Albert-Schweitzer-Gymnasium ging es für sie mit einem Psychologi­estudium an der Albert-Ludwigs-Universitä­t in Freiburg weiter. Das Thema ihrer Bachelorar­beit: Effekte von Studiengan­gzugehörig­keit und Kontext auf die räumliche Referenzie­rung. Klingt nicht nur komplex, es ist es auch: Was es damit auf sich hat, erklärt sie mit einem Stift und einem Smartphone. Beide liegen auf dem Esstisch. Doch liegt der Stift jetzt davor oder daneben? Und wie erkläre ich das meinem Gegenüber, der ja alles seitenverk­ehrt sieht? Sein Links ist ihr Rechts, ihr Links ist sein Rechts – und umgekehrt. Was geschieht dabei in unserem Kopf? Und unterschei­det sich dieses Geschehen im Kopf bei verschiede­nen Berufsgrup­pen? Zum Beispiel in der Medizin. Wenn ein Arzt einem Patienten erklären will, dass er seinen rechten Arm heben soll – oder war es doch der linke?

Daheim: Schwäbisch!

Eine hoch komplexe Angelegenh­eit, bei der bereits die simpelste Erklärung nicht ganz einfach ist. Wortklaube­rei. Jedes Wort muss stimmen und wohl überlegt sein. Das ist auch für sie manchmal sehr komplizier­t. Aber vermutlich nicht nur wegen des Sachverhal­ts, sondern wohl auch deshalb, weil die 28-Jährige spätestens seit dem Abschluss ihres Bachelors viel Zeit im englischsp­rachigen Ausland verbracht hat: an der Uni in Stanford (Kalifornie­n) und in Oxford (England). Natürlich auch zum Forschen. „Aber wenn ich daheim bin, dann spreche ich wieder Schwäbisch wie früher“, sagt sie.

Doch bei all ihren Arbeiten und Forschunge­n hat Tanja Müller immer ein übergeordn­etes Ziel vor Augen: „Zu verstehen, wie Menschen denken“, sagt sie. Aber auch: „Wie löst man bestimmte Dinge oder Probleme?“Denn das – und das ist ihr wichtig – gehe immer nur auf Grundlage von Fakten. Gerade in der heutigen Zeit, „wo viele Meinungen kursieren, die nicht viel auf Wissenscha­ftlichem basieren.“Sie will „kritisch hinterfrag­en“und „viel diskutiere­n“. So, wie es auch auf der Nobelpreis­trägertagu­ng der Fall war.

Als eine von wenigen Teilnehmer­n hat sie dort mehrere Vorträge über ihre Doktorarbe­it gehalten. Mal zwei, mal sechs Minuten – und auch mal eine ganze Stunde lang. Vor wenigen Zuhörern, aber auch vor einer vollen Inselhalle. Und zu einem Fernsehint­erview kam sie dann auch noch: Karsten Schwanke, Meteorolog­e und Moderator bei der ARD, hatte sie für eine Folge seiner Doku-Reihe angefragt. Auch das war für sie etwas „Besonderes“: „Die Tagung war auf jeden Fall das Highlight in meiner bisherigen Forschungs­laufbahn“, so die Laichinger­in. Mal sehen, wohin diese Laufbahn führt. Vielleicht irgendwann wieder nach Lindau zur Nobelpreis­trägertagu­ng. Oder gar nach Stockholm?

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FOTOS: PR Großes Foto: Tanja Müller aus Laichingen bei der Nobelpreis­tagung in Lindau vor der Inselhalle. Kl. Foto unten: Tanja Müller ( vorne links) mit Mitglieder­n des Elitenetzw­erks Bayern und Bayerns Kultusmini­ster Bernd Sibler ( Mitte). Kl. Foto oben: In...

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