Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Erlaubt ist, was nicht verboten ist
Seien wir einmal realistisch und überprüfen unsere Wertvorstellungen und Glaubensgrundsätze – von Sportlern und dem Leistungssport selbst. Eine komplette Tour de France am Stück absolvieren? Wenige Wochen nach einer schweren Verletzung wieder Leistung auf dem Rasen bringen? Oder auch einfach über Jahre in der Weltspitze vertreten sein? All das ist kaum nur mit gesunder Ernährung und Ehrgeiz zu erreichen – war es auch noch nie. Und als Zuschauer sollten wir das ständig im Hinterkopf haben. Bereits zu allen Zeiten versuchten sich die Sportler einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten zu verschaffen – sei es mit weiterentwickelten Materialien oder leistungssteigernden Substanzen. Selbst den Weltmeistern von 1954 wurden vor dem Endspiel Vitamin-C-Spritzen verabreicht. Heute hat der größte Teil der Profiradfahrer Asthma (Hust!), setzen Bundesligaprofis wie Marco Reus auf die Stimulanz von Snus oder lassen sich einfach fit spritzen. Doch wo ist die Grenze? Die definiert die Anti-Doping-Agentur jeden Tag aufs Neue. Solange etwas nicht verboten ist, nutzen alle – mal offen, mal heimlich – die volle, legale Bandbreite. Auch wenn es hart klingt: Profisport ist vor allem Unterhaltung und Show – von absoluter Sauberkeit hat nie jemand etwas gesagt.
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Ammoniak ist kein Doping, aber leistungsfördernd. Aha. Und bei Alberto Contador war es damals tatsächlich das verunreinigte Steak und bei Floyd Landis der Whiskey. An Doping hat bei diesen drei Beispielen natürlich niemand gedacht. Nicht mal im Traum. Leider haben viele inzwischen den Glauben an sportliche Höchstleistungen ohne Doping verloren. Wer mag es ihnen nach all den Versuchen, Dopingfälle zu vertuschen oder schönzureden, verdenken?
Jetzt zu sagen „Dann lasst doch alle dopen, machen sie doch eh schon“, halte ich für wenig zielführend. Dann lieber ein paar Prozent weniger geben können, aber eben komplett ungedopt – egal, ob erlaubt oder nicht. Bessere und noch mehr Kontrollen können und müssen allein das Ziel sein. Und klare Regeln, was denn jetzt genau erlaubt ist und was nicht. Wenn Dinge wie ammoniakgetränkte Wattebäusche leistungsfördernd sind, weil sie ähnliche Wirkung haben wie Doping, dann gehört auch das verboten. Profisportler müssen ihrem Körper doch nicht – noch mehr – schaden, nur um Erfolg zu haben. Das schreibt einer, der sich sogar weigert, sich eine kleine Spritze ins Knie setzen zu lassen. Die Schmerzen werden auch so wieder weggehen ...
Von absoluter Sauberkeit war nie die Rede. Von Felix Alex
Dann lieber ein paar Prozent weniger.
Von Thorsten Kern
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