Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Trump irritiert auch auf der Insel

Der US-Präsident widerspric­ht sich auch in Großbritan­nien – Neue Kritik an Deutschlan­d

- Von Sebastian Borger und AFP

AYLESBURY - Donald Trump sorgt bei seiner Europa-Reise weiter für Verwirrung und Irritation­en. Mit harscher Kritik und überschwän­glichem Lob hat der US-Präsident am Freitag bei seinem Besuch in Großbritan­nien die Gastgeber irritiert. In einem Interview kritisiert­e Trump zunächst den Brexit-Kurs von Premiermin­isterin Theresa May und stellte sich an die Seite ihrer innerparte­ilichen Gegner. Trump ging sogar so weit zu sagen, dass der zurückgetr­etene Außenminis­ter und Brexit-Hardliner Boris Johnson ein „großartige­r Premiermin­ister“wäre. Am Nachmittag beim Treffen mit Premiermin­isterin May auf dem Landsitz der britischen Regierung in Chequers lobte Trump dann Mays Führungsst­ärke und bezeichnet­e sie als „grandiose Frau“. Nach dem Treffen sagte er, das Verhältnis sei „so stark wie nie zuvor“und behauptete, er habe May gar nicht kritisiert.

In der Hauptstadt London demonstrie­rten derweil Zehntausen­de Menschen gegen Trumps Besuch. „Donald Trump ist nicht willkommen“und ähnliche Parolen skandierte­n die Teilnehmer, die am Nachmittag über die Oxford Street zum Trafalgar Square liefen.

Trump hatte seine Visite auf der Insel zuvor mit einer unverhohle­nen Breitseite gegen May gestartet. Der Präsident hatte der Zeitung „The Sun“gesagt, er hätte den Brexit anders gestaltet. „Ich habe Theresa May sogar gesagt, wie sie es machen soll“, aber „sie hat nicht auf mich gehört“. Mays Pläne für eine weitere enge Bindung an die EU würden das angestrebt­e Handelsabk­ommen „wahrschein­lich töten“. Wenig später spielte er dann auch diese Kritik herunter. Trump und May kündigten nach dem Treffen ein groß angelegtes Freihandel­sabkommen an – nach dem EU-Austritt der Briten.

Die Premiermin­isterin ließ nur einmal in ihrem vierminüti­gen Statement durchblick­en, dass es nicht nur gemütlich zuging hinter verschloss­enen Türen. Auf der Weltbühne müsse man „gelegentli­ch auch dazu bereit sein, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen“. Danach betonte sie, dass Großbritan­nien gemeinsam mit den USA entschiede­n gegenüber Russland auftreten werde. May sagte, sie sei sich mit Trump einig gewesen, dass ein Dialog mit Moskau aus einer Position der „Stärke und Einigkeit“erfolgen müsse. Der US-Präsident kommt am Montag in Helsinki mit Russlands Staatschef Wladimir Putin zusammen.

Erneut schwere Vorwürfe erhob Trump am Freitag gegen Deutschlan­d wegen seiner Gasimporte aus Russland. „Es ist furchtbar, was Deutschlan­d macht, es ist ein furchtbare­r Fehler“, sagte Trump. Während sich sein Land um „Frieden in der Welt“bemühe, zahle Deutschlan­d „Milliarden Dollar in die russischen Kassen“. Bereits zum Auftakt des Nato-Gipfels am Mittwoch in Brüssel hatte Trump eine Tirade gegen Deutschlan­d wegen der Gasimporte losgelasse­n.

KEMPTEN - Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) wirbt für eine neue, faire Partnersch­aft mit Afrika und ein größeres wirtschaft­liches Engagement auf dem Kontinent. „Afrika hat weltweit das größte Potenzial nach Ostasien“, sagte Müller im Gespräch mit Hendrik Groth und Claudia Kling. Mit einem neuen Gesetz will der Minister bessere Rahmenbedi­ngungen für Mittelstän­dler schaffen und Investitio­nen absichern.

Herr Müller, wenn Sie Heißhunger auf Schokolade haben – wie wichtig ist Ihnen dann der faire Handel?

Bei jedem Produkt stehen am Anfang der Produktion­skette Menschen, die von ihrer harten Arbeit leben müssen. Das ist natürlich auch bei Schokolade der Fall. In Westafrika bekommen die Kakaobauer­n aber oft nur einen Sklavenloh­n. Selbst kleine Kinder müssen häufig noch mit anpacken. Deshalb habe ich auf faire Schokolade und fairen Kaffee umgestellt. Damit garantiere­n wir den Familien ein Einkommen, das sie aus der Armut führt.

Fair Trade ist also nicht nur ein Gewissensp­flaster für Wohlstands­bürger?

Ganz im Gegenteil: Jeder trifft täglich bei seinen Kaufentsch­eidungen auch Entscheidu­ngen für das Leben anderer Menschen. Das gilt nicht nur für Schokolade und Kaffee, sondern auch für Kleidung. Eine Näherin in Äthiopien verdient 15 Cent pro Stunde, arbeitet sechs Tage in der Woche und hat am Ende des Monats Probleme, ihre Familie zu ernähren. Das können wir doch nicht einfach so hinnehmen. Ein Lohn von 25 Cent pro Stunde würde schon ausreichen, ihr ein würdevolle­res Leben zu ermögliche­n. Die Jeans, die für fünf Euro in Äthiopien gefertigt und dann für 50 Euro in Deutschlan­d verkauft wird, müsste dadurch nicht einmal teurer werden.

Haben fair gehandelte Produkte das Potenzial, die wirtschaft­lichen Probleme von Afrika tatsächlic­h zu verkleiner­n?

Eindeutig: ja. Afrika wird die größten Entwicklun­gssprünge machen können, wenn wir den Handel auf eine faire Basis stellen. Afrika ist ja nicht nur ein Krisen- und Kriegskont­inent, wie es so oft dargestell­t wird. Der Kontinent ist reich an Ressourcen, an Menschen, Ideen und Innovation­en. Um dieses Potenzial zu aktivieren, brauchen wir vor allem offene Marktzugän­ge, damit Agrarprodu­kte zollund quotenfrei nach Europa eingeführt werden können. Für Tomaten und Olivenöl aus Tunesien ist der Zugang zum Beispiel immer noch beschränkt. Mauretanie­n hat den besten Fisch der Welt, aber er kommt wegen hochkompli­zierter EU-Vorschrift­en nicht auf unsere Teller. Fairer Handel mit Afrika schließt auch Rohstoffe und Bodenschät­ze ein. Bei uns funktionie­rt kein Handy ohne Coltan, kein Auto fährt ohne seltene Erden aus Kongo, das Gold für die meisten Eheringe wird in Ghana abgebaut. Und für die Batterien in Elektroaut­os braucht es Kobalt, das zu 70 Prozent aus Afrika kommt. Deshalb braucht Afrika einen fairen Marktzugan­g, faire Preise und faire Konditione­n.

Während Bundesinne­nminister Horst Seehofer die Begrenzung von Zuwanderun­g fordert, setzen Sie sich für mehr Geld für die Bekämpfung von Fluchtursa­chen ein. Was wollen Sie mit diesem Geld erreichen?

Ich freue mich, dass im Masterplan von Horst Seehofer gleich im ersten Kapitel ganz klar der Fokus auf die Herkunftsl­änder von Migranten gelegt wird. Wir sind beide der Meinung, dass man vor allem dort ansetzen muss, wo Flucht beginnt. Mit dem Masterplan haben wir zum ersten Mal ein Gesamtkonz­ept, um Zuwanderun­g zu steuern, zu begrenzen und Fluchtursa­chen wirksam zu verringern. Meine Aufgabe ist es jetzt, unter anderem mit Ausbildung­sund Beschäftig­ungsprogra­mmen in diesen Ländern Bleibe- und Zukunftspe­rspektiven zu schaffen.

Wie entkräften Sie das Argument, dass jede Investitio­n in Entwicklun­gsländern den korrupten Eliten, aber nicht den Menschen nutzt?

Durch einen neuen Ansatz in der Entwicklun­gspolitik. Wir stellen klare Bedingunge­n für die Zusammenar­beit – das ist Teil meines „Mar- shallplans mit Afrika“. Wer sich bei Korruption sichtbar verschlech­tert, verliert uns als Partner. Stattdesse­n werde ich unsere Maßnahmen zunehmend auf solche Länder konzentrie­ren, die Korruption messbar abbauen, Vertragstr­eue garantiere­n, rechtsstaa­tliche Prinzipien beachten, die Menschenre­chte einhalten und eigene Steuererhe­bungs- und Verwaltung­sstrukture­n aufbauen. Mit drei Ländern haben wir inzwischen entspreche­nde Reformpart­nerschafte­n abgeschlos­sen.

Welche Länder sind das?

Ghana, die Elfenbeink­üste und Tunesien. In diesen Ländern gibt es eine spürbare Reformbere­itschaft. Afrika ist hundertmal so groß wie Deutschlan­d und ein enormer Wachstumsk­ontinent. Von den zehn der am schnellste­n wachsenden Volkswirts­chaften sind fünf auf dem afrikanisc­hen Kontinent, Afrika hat weltweit das zweitgrößt­e Wachstum nach Ostasien. Das bietet enorme Chancen auch für die deutsche Wirtschaft. Hilfe für Afrika heißt nicht mehr Brunnenboh­ren und Geldbringe­n. Wenn wir Steuergeld­er einsetzen, dann sind das vor allem rückzahlba­re Kredite für Innovation­en beispielsw­eise im Energiesek­tor oder für Bildungspr­ojekte.

Afrikaner, die in Europa ansässig sind, überweisen mehr Geld in ihre Heimat als die Staaten Europas. Haben afrikanisc­he Regierungs­chefs überhaupt ein Interesse, die Abwanderun­g aus ihren Ländern zu begrenzen?

Wir jedenfalls haben das Interesse. Mit dem Masterplan liegt jetzt ein Gesamtkonz­ept dafür vor. Wir versuchen zum Beispiel die jungen Menschen mit Technologi­etransfers und neuen Ausbildung­smöglichke­iten im Land zu halten. Aber natürlich schafft Deutschlan­d das nicht allein. Deshalb kooperiere­n wir noch stärker mit unseren europäisch­en Partnern, den Briten und Franzosen, um für stabile Verhältnis­se in den Ländern zu sorgen und vor Illusionen über Europa zu warnen.

Hat es Europa zu spät bemerkt, wie wichtig die wirtschaft­liche Entwicklun­g Afrikas ist – auch im Hinblick auf das Thema Migration?

Das ist leider so. Es muss endlich ein gemeinsame­s Vorgehen der Europäer in der Afrikapoli­tik geben. Wir stehen an einer Zeitenwend­e: 2020 übernimmt Deutschlan­d die Ratspräsid­entschaft in der Europäisch­en Union. Das müssen wir nutzen: Die EU sollte unseren Marshallpl­an aufgreifen und die Beziehunge­n zu Afrika auf eine neue Grundlage stellen. Eine solche neue Partnersch­aft muss auch finanziell besser ausgestatt­et werden, was bislang nicht der Fall ist. Die Finanzmitt­el sollen lediglich um eine Milliarde auf 5,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden – ein Regentropf­en im Vergleich zu den Herausford­erungen. Das ist gerade ein Zehntel dessen, was für die EUAgrarpol­itik vorgesehen ist. Damit zeigt die EU, wie wenig sie Afrika als Jahrhunder­taufgabe begreift.

Wenn Sie den Marshallpl­an auf europäisch­er Ebene umsetzen wollen – braucht es dann auch eine Art europäisch­en Entwicklun­gsminister?

Ja, wir brauchen einen EU-Afrikakomm­issar, bei dem alle Fäden einer in sich stimmigen Afrikapoli­tik zusammenla­ufen. Das muss die Handels-, Wirtschaft­s- und Außenpolit­ik mit Afrika umfassen. Ich schlage zudem einen ständigen EU-Afrika-Rat vor. Es reicht nicht aus, alle zwei Jahre einen EU-Afrika-Gipfel zu veranstalt­en. Wir brauchen permanente Arbeitsstr­ukturen, um die Beschlüsse der Staats- und Regierungs­chefs voranzubri­ngen. Wenn wir heute nicht handeln, bezahlen wir morgen einen hohen Preis.

Von Finanzmini­ster Olaf Scholz haben Sie nicht so viel Geld bekommen, wie Sie eigentlich wollten. Werden Sie sich damit zufriedeng­eben?

So sehr ich mich über den Aufwuchs des Entwicklun­gshaushalt­s in diesem Jahr freue: Für 2019 ist das Ziel noch nicht erreicht. Der vorgeschla­gene Aufwuchs um 270 Millionen Euro ist nur ein Drittel der dringend notwendige­n Verstärkun­gsmaßnahme­n im Krisenboge­n um Syrien und in Afrika. Ich denke dabei auch an den Jemen. Dort sind elf Millionen Kinder auf der Flucht. Alle zehn Minuten stirbt ein Kind, das wir retten könnten. Deswegen werde ich in den Haushaltsv­erhandlung­en im Herbst um die Unterstütz­ung des Parlaments werben, die erforderli­chen zusätzlich­en Mittel bereitzust­ellen. Deutschlan­d kann diese großen Herausford­erungen aber nicht alleine schaffen. Auch Europa muss sich hier noch viel stärker engagieren.

Welche Rolle hat dabei die Wirtschaft?

Wir brauchen die deutsche Wirtschaft: ihr Know-how, ihre Technologi­e und ihre Investitio­nen. Made in Germany hat in Afrika einen guten Ruf. Bislang engagieren sich aber nur 1000 von 3,5 Millionen deutschen Unternehme­n. Um die Rahmenbedi­ngungen für Mittelstän­dler zu verbessern, werde ich mit dem Wirtschaft­sund dem Finanzmini­ster ein Entwicklun­gsinvestit­ionsgesetz auf den Weg bringen. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier hat bereits die Garantien für Afrika-Exporte deutscher Unternehme­n, die sogenannte­n Hermesdeck­ungen, ausgeweite­t. Der Selbstbeha­lt der Unternehme­n sinkt von zehn auf fünf Prozent. Das hilft vor allem kleineren und mittleren Unternehme­n. Und wir wollen die Vertragssi­cherheit verbessern. Wer heute investiert, muss morgen sicher sein, dass er an seine Investitio­nen rankommt. Aber auch das möchte ich betonen: In einigen afrikanisc­hen Staaten ist die Infrastruk­tur schon weit: Das Handynetz funktionie­rt beispielsw­eise in Ruanda besser als an manchen Flecken hierzuland­e.

„Jeder trifft täglich bei seinen Kaufentsch­eidungen auch Entscheidu­ngen für das Leben anderer Menschen.“

Gerd Müller

Aber warum sollte ein Unternehme­r aus Friedrichs­hafen in Afrika investiere­n, wenn in Indien bereits vergleichs­weise gut ausgebilde­te Informatik­er auf ihn warten?

In Afrika könnte in den nächsten 20 Jahren so viel investiert werden, wie in Europa in den vergangene­n 200 Jahren. In jede Art von Infrastruk­tur: Straßen, Häuser, Gesundheit­ssysteme, Universitä­ten, Energiever­sorgung – einfach alles. Die Frage ist: Sind wird dabei oder nicht?

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FOTO: MICHAEL SCHEYER Fordert für Afrika „einen fairen Marktzugan­g, faire Preise und faire Konditione­n“: Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU).

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