Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Feind des alten Kontinents

- Von Sebastian Borger ●» politik@schwaebisc­he.de

Donald Trump wünscht sich einen anderen britischen Premiermin­ister. Anders lässt sich die diplomatis­che Ungeheuerl­ichkeit nicht erklären, die der amerikanis­che Präsident mit seinem offenherzi­gen Zeitungsin­terview beging. Rechtzeiti­g zu seinem Arbeitsbes­uch in Großbritan­nien teilte der Berserker im Weißen Haus den Briten und deren jetziger Regierungs­chefin Theresa May mit: Die gerade erst mühsam im konservati­ven Kabinett vereinbart­e Brexit-Politik ist falsch, der versproche­ne Freihandel­svertrag mit den USA sei somit vom Tisch.

Wie schon beim Nato-Gipfel nutzt Trump jede Gelegenhei­t dazu, die engsten Verbündete­n seines Landes öffentlich zu demütigen. Alle anschließe­nden Beteuerung­en von den „sehr, sehr engen“Beziehunge­n zu Großbritan­nien und zu May persönlich sollten nicht darüber hinwegtäus­chen. In Brüssel stand Deutschlan­d im Mittelpunk­t seiner Angriffe. Ob es wirklich Zufall ist, dass beide Länder von Frauen regiert werden? Trumps Verachtung für demokratis­ch gewählte Politikeri­nnen erstreckt sich jedenfalls nicht auf einen männlichen Tyrannen wie Nordkoreas Kim Jong-un oder den chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping.

Trumps Bewunderun­g für BrexitVork­ämpfer wie Nigel Farage, den er am liebsten zum britischen Botschafte­r in Washington gemacht hätte, sowie für den jüngst als Außenminis­ter zurückgetr­etenen Boris Johnson („Er würde einen großartige­n Premiermin­ister abgeben“) repräsenti­ert „Wahnsinn mit Methode“. Der von Johnson herbeigere­dete Katastroph­en-Brexit, also der Austritt Großbritan­niens ohne jegliche Vereinbaru­ng mit dem Brüsseler Club, wäre für den Kontinent wirtschaft­lich schlimm, für Großbritan­nien aber verheerend.

Dass Trump solcherlei Verantwort­ungslosigk­eit unterstütz­t, lässt tief blicken. Der amerikanis­che Präsident glaubt offenbar, dass der wirtschaft­liche und soziale Niedergang der Brexit-Insel und ihrer wichtigste­n Handelspar­tner im amerikanis­chen Interesse liegt. Damit hat er allerdings unrecht. Und viel schlimmer: Er entpuppt sich als Feind des alten Kontinents.

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