Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Trump demütigt die britische Regierungs­chefin

Vor seinem Besuch kritisiert der US-Präsident Theresa May aufs Heftigste – und überschütt­et sie dann mit Freundlich­keit

- Von Sebastian Borger

LONDON - Nur einmal in ihrem vierminüti­gen Eingangs-Statement spielt Theresa May auf das Thema ein, das ihr Treffen mit Donald Trump überschatt­et hat. Auf der Weltbühne müsse man „gelegentli­ch auch dazu bereit sein, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen“.

Das muss sie sein, die Anspielung auf jenes Zeitungsin­terview, mit dem US-Präsident Trump am Abend zuvor die Krise der britischen Regierung wegen des EU-Austritts mutwillig vergrößert hat. Er habe May gesagt, wie sie die Verhandlun­gen mit der EU führen solle, wird der USPräsiden­t im Boulevardb­latt „The Sun“zitiert. „Aber sie hat nicht auf mich gehört.“Die im neuen Weißbuch angestrebt­e enge Kooperatio­n mit Brüssel sei „nicht das, wofür die Menschen gestimmt haben“. Hingegen lobt Trump den als Außenminis­ter zurückgetr­etenen Brexit-Cheerleade­r Boris Johnson für dessen „richtige Einstellun­g: Er wäre ein großartige­r Premiermin­ister“.

Die Freitag-Ausgabe des Millionenb­lattes mit der Schlagzeil­e „May hat den Brexit ruiniert“ist von Donnerstag­abend in Regierungs- und Parlaments­zirkeln das Thema Nummer Eins. „The Sun“gehört zum Medien-Imperium des US-australisc­hen Medienzare­n Rupert Murdoch, welcher der EU seit langem feindselig gegenübers­teht. Das Interview hatte der Politikche­f des Blattes am Mittwoch in Brüssel geführt, ehe Trump am Donnerstag­nachmittag in Großbritan­nien eintraf.

Verzweifel­tes Zurückrude­rn

In der gemeinsame­n Pressekonf­erenz versucht Trump noch, das Interview als „fake news“herunterzu­spielen. Damit knüpft er an die verzweifel­ten Schadensbe­grenzungsv­ersuche an, die Mays und Trumps Teams vom frühen Freitagmor­gen an unternomme­n hatten. Das Brexit-Weißbuch sei ja erst am Donnerstag­mittag vorgestell­t worden, hieß es in der Downing Street. Der Präsident habe „nie irgendetwa­s Schlechtes“über May gesagt, halte sie im Gegenteil für eine „wirklich tolle Person“, teilte Sarah Huckabee Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, mit.

Nur einmal prallen die unterschie­dlichen Weltsichte­n von Trump und May in der gemeinsame­n Pressekonf­erenz aufeinande­r. Die Einwanderu­ng der vergangene­n Jahrzehnte sei „schlecht gewesen für Europa“, behauptet der Amerikaner pauschal und setzt erkennbar Immigrante­n mit Terroriste­n gleich. Hingegen bekräftigt May: „Alles in allem war die Einwanderu­ng gut für unser Land. Die Kontrolle über unsere Grenzen gehört dazu.“

Am Nachmittag empfing Queen Elizabeth II. den US-Präsidente­n und First Lady Melania auf Schloss Windsor. Die 92 Jahre alte Monarchin begrüßte die beiden mit militärisc­hen Ehren und zog sich wenig später mit ihnen zum Tee zurück.

Trumps erster offizielle­r Termin auf der Insel war am Donnerstag­abend ein Besuch auf Schloss Blenheim bei Oxford, dem Geburtsort des berühmten Weltkrieg-Premiers Winston Churchill (1874 bis 1965). Dort wurden der Präsident und seine Gattin Melania von May und ihrem Mann Philip mit militärisc­hen Ehren empfangen, ehe beide Paare mit Industriev­ertretern schottisch­en Lachs, englisches Beef und Erdbeeren mit Sahne verzehrten.

Bei dem Gala-Dinner habe Trump höchst positiv über die künftigen Handelsbez­iehungen zwischen den beiden Atlantik-Anrainern gesprochen, teilte Außenhande­lsminister Liam Fox mit. Das klang in Trumps „Sun“-Interview ganz anders. Die vor Wochenfris­t festgelegt­e weichere Brexit-Linie, die den Rücktritt Johnsons sowie des Brexit-Ministers David Davis nach sich gezogen hatte, mache den ins Auge gefassten Freihandel­svertrag unmöglich, heißt es darin.

Zehntausen­de protestier­en

Von den Protesten gegen seine Person und Politik dürfte Trump wenig mitbekomme­n haben. Zehntausen­de von Briten demonstrie­rten am Freitag in London, Glasgow und Edinburgh gegen die Anwesenhei­t des Staatsgast­es, geleitet von einem sechs Meter hohen Heliumball­on in Form eines zornigen Trump-Babys in Windeln.

Es habe „keine rechtliche Möglichkei­t“gegeben, den Antrag der Trump-Gegner abzulehnen, hatte Londons Bürgermeis­ter Sadiq Khan seine Genehmigun­g für die unfreundli­che Geste gerechtfer­tigt. In Wahrheit dürfte Khan durchaus Spaß gehabt haben am albernen und aus dem Herzen kommenden Protest gegen Trump. Der reagiert beleidigt. Im „Sun“-Interview wiederholt Trump, was er via Twitter mehrfach zum Besten gegeben hatte: Khan verhalte sich wenig gastfreund­lich, sei aber viel zu nachgiebig gegenüber islamistis­chen Terroriste­n.

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FOTO: DPA Unwillkomm­ener Gast: Aktivisten ließen am Freitag einen etwa sechs Meter hohen Ballon in Form eines Trump-Babys über dem Parliament Square aufsteigen.

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