Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Trump demütigt die britische Regierungschefin
Vor seinem Besuch kritisiert der US-Präsident Theresa May aufs Heftigste – und überschüttet sie dann mit Freundlichkeit
LONDON - Nur einmal in ihrem vierminütigen Eingangs-Statement spielt Theresa May auf das Thema ein, das ihr Treffen mit Donald Trump überschattet hat. Auf der Weltbühne müsse man „gelegentlich auch dazu bereit sein, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen“.
Das muss sie sein, die Anspielung auf jenes Zeitungsinterview, mit dem US-Präsident Trump am Abend zuvor die Krise der britischen Regierung wegen des EU-Austritts mutwillig vergrößert hat. Er habe May gesagt, wie sie die Verhandlungen mit der EU führen solle, wird der USPräsident im Boulevardblatt „The Sun“zitiert. „Aber sie hat nicht auf mich gehört.“Die im neuen Weißbuch angestrebte enge Kooperation mit Brüssel sei „nicht das, wofür die Menschen gestimmt haben“. Hingegen lobt Trump den als Außenminister zurückgetretenen Brexit-Cheerleader Boris Johnson für dessen „richtige Einstellung: Er wäre ein großartiger Premierminister“.
Die Freitag-Ausgabe des Millionenblattes mit der Schlagzeile „May hat den Brexit ruiniert“ist von Donnerstagabend in Regierungs- und Parlamentszirkeln das Thema Nummer Eins. „The Sun“gehört zum Medien-Imperium des US-australischen Medienzaren Rupert Murdoch, welcher der EU seit langem feindselig gegenübersteht. Das Interview hatte der Politikchef des Blattes am Mittwoch in Brüssel geführt, ehe Trump am Donnerstagnachmittag in Großbritannien eintraf.
Verzweifeltes Zurückrudern
In der gemeinsamen Pressekonferenz versucht Trump noch, das Interview als „fake news“herunterzuspielen. Damit knüpft er an die verzweifelten Schadensbegrenzungsversuche an, die Mays und Trumps Teams vom frühen Freitagmorgen an unternommen hatten. Das Brexit-Weißbuch sei ja erst am Donnerstagmittag vorgestellt worden, hieß es in der Downing Street. Der Präsident habe „nie irgendetwas Schlechtes“über May gesagt, halte sie im Gegenteil für eine „wirklich tolle Person“, teilte Sarah Huckabee Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, mit.
Nur einmal prallen die unterschiedlichen Weltsichten von Trump und May in der gemeinsamen Pressekonferenz aufeinander. Die Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte sei „schlecht gewesen für Europa“, behauptet der Amerikaner pauschal und setzt erkennbar Immigranten mit Terroristen gleich. Hingegen bekräftigt May: „Alles in allem war die Einwanderung gut für unser Land. Die Kontrolle über unsere Grenzen gehört dazu.“
Am Nachmittag empfing Queen Elizabeth II. den US-Präsidenten und First Lady Melania auf Schloss Windsor. Die 92 Jahre alte Monarchin begrüßte die beiden mit militärischen Ehren und zog sich wenig später mit ihnen zum Tee zurück.
Trumps erster offizieller Termin auf der Insel war am Donnerstagabend ein Besuch auf Schloss Blenheim bei Oxford, dem Geburtsort des berühmten Weltkrieg-Premiers Winston Churchill (1874 bis 1965). Dort wurden der Präsident und seine Gattin Melania von May und ihrem Mann Philip mit militärischen Ehren empfangen, ehe beide Paare mit Industrievertretern schottischen Lachs, englisches Beef und Erdbeeren mit Sahne verzehrten.
Bei dem Gala-Dinner habe Trump höchst positiv über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Atlantik-Anrainern gesprochen, teilte Außenhandelsminister Liam Fox mit. Das klang in Trumps „Sun“-Interview ganz anders. Die vor Wochenfrist festgelegte weichere Brexit-Linie, die den Rücktritt Johnsons sowie des Brexit-Ministers David Davis nach sich gezogen hatte, mache den ins Auge gefassten Freihandelsvertrag unmöglich, heißt es darin.
Zehntausende protestieren
Von den Protesten gegen seine Person und Politik dürfte Trump wenig mitbekommen haben. Zehntausende von Briten demonstrierten am Freitag in London, Glasgow und Edinburgh gegen die Anwesenheit des Staatsgastes, geleitet von einem sechs Meter hohen Heliumballon in Form eines zornigen Trump-Babys in Windeln.
Es habe „keine rechtliche Möglichkeit“gegeben, den Antrag der Trump-Gegner abzulehnen, hatte Londons Bürgermeister Sadiq Khan seine Genehmigung für die unfreundliche Geste gerechtfertigt. In Wahrheit dürfte Khan durchaus Spaß gehabt haben am albernen und aus dem Herzen kommenden Protest gegen Trump. Der reagiert beleidigt. Im „Sun“-Interview wiederholt Trump, was er via Twitter mehrfach zum Besten gegeben hatte: Khan verhalte sich wenig gastfreundlich, sei aber viel zu nachgiebig gegenüber islamistischen Terroristen.