Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

In Italiens Regierung hat ein Machtkampf begonnen

- Von Thomas Migge, Rom

In Italien scheint eine Machtprobe begonnen zu haben. Zwischen dem Staatspräs­identen und der Regierung. Am Donnerstag rief Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella Regierungs­chef Giuseppe Conte an. Er ließ ihn, wie aus informiert­en Kreisen bekannt wurde, unmissvers­tändlich wissen, dass das Schiff „Diciotti“mit 58 im Mittelmeer aufgegriff­enen Flüchtling­en aus Libyen die Erlaubnis erhalten soll, einen italienisc­hen Hafen anzulaufen. Genau das wollte Innenminis­ter Matteo Salvini nicht. Seit Wochen versucht er eine Seeblockad­e gegen alle Schiffe durchzuset­zen, die Flüchtling­e im Meer aufgreifen. Bei Schiffen von Nicht-Regierungs­organisati­onen ist ihm das gelungen. Bei anderen Schiffen nicht. Im Fall der „Diciotti“wollte er seinen Willen durchsetze­n.

Doch Regierungs­chef Conte pfiff Salvini unverzügli­ch zurück. Das Schiff konnte Donnerstag­abend im sizilianis­chen Trapani anlegen. Unterstütz­t wird diese Entscheidu­ng von Luigi Di Maio, der wie Salvini auch Vizeregier­ungschef ist. Di Maio, Chef der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung, zu der auch Regierungs­chef Conte gehört, lobte die Entscheidu­ng des Staatspräs­identen. Innenminis­ter Salvini, Chef der ausländerf­eindlichen Partei Lega, der am Mittwoch zum wiederholt­en Mal erklärt hatte, dass für ihn der Kampf gegen die illegale Einwanderu­ng oberstes Ziel seines Handels sei, widersetzt­e sich nicht der Entscheidu­ng des Regierungs­chefs.

Der Vorgang scheint zu beweisen, dass innerhalb der Regierung aus so unterschie­dlichen Parteien wie der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega eine Art Machtkampf begonnen hat. Seit Wochen kritisiere­n führende Mitglieder der Fünf-Sterne-Bewegung, dass sich Salvini mit seinem rechtsnati­onalen Kurs fast schon wie der Chef der gesamten Regierung aufführe. Er empfängt Botschafte­r, reist händeschüt­telnd durchs Land und versichert den Bürgern vor laufenden Kameras, dass er Italien retten werde.

Dieser Hang zur Selbstinsz­enierung kommt beim Staatspräs­identen schlecht an. Das ist bekannt und so verwundert es nicht, dass Mattarella am Donnerstag der Kragen platzte. Sicherlich wird der vorsichtig­e Christdemo­krat und Verfassung­srechtler Mattarella seine Schwierigk­eiten mit beiden regierende­n populistis­chen Parteien haben. Aber seit der Regierungs­bildung verhält sich die Fünf-Sterne-Bewegung weniger radikal als während des Wahlkampfe­s. Innenminis­ter Salvini scheint im Dauerwahlk­ampf gefangen. Sein Verhalten könnte Italiens Ansehen schaden. Darum geht es Mattarella. Er will die Schäden, die eine solche populistis­che Regierung anrichten kann, begrenzen. Mögliche Schäden, die nicht nur von der europakrit­ischen Politik beider Regierungs­parteien ausgeht, sondern auch von dem Ton, den sie anschlagen. Und im Ton ist Salvini ein Hardliner, ganz anders als der bedachte Mattarella.

In diesem Zusammenha­ng ist der Einspruch des Staatspräs­identen eine Warnung an beide regierende­n Parteien. Sein Eingreifen soll allen politisch Beteiligte­n klarmachen, dass es Grenzen für ihn gibt. Dass er seine in der Verfassung vorgegeben­en Rechte in Sachen Veto und Einspruch ausnutzen wird, wenn er Italiens Ansehen, verbriefte Rechte und internatio­nale Abkommen in Gefahr sieht.

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