Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tue Gutes und kaufe ein

Seit März wirbt „share“im Handel um Spenden – Kritiker sprechen von Ablenkungs­manöver

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Die Spendenakt­ion kommt unspektaku­lär daher. Die Flasche „share – Alpenwasse­r prickelnd“ist für 65 Cent plus 25 Cent Einwegpfan­d gekauft wie jede andere auch. Auch der Werbetext „Bergspitze­nmäßig erfrischt“heißt er – ist nicht besser oder schlechter als bei der Konkurrenz. Doch dann fällt der Blick auf diesen Satz auf dem blau-weißen Etikett: „Trinken und teilen“steht da. Und: „Sieh nach, wo Du hilfst“. Helfen einfach so im Supermarkt – funktionie­rt das?

Rückblende. Mitte März dieses Jahres. Sebastian Stricker, der schon als Entwicklun­gshelfer, auch als Unternehme­nsberater gearbeitet hat, startet mit seinen Kollegen in gut 5000 Läden des Rewe-Konzerns und der Drogerieke­tte dm deutschlan­dweit den Verkauf von Mineralwas­ser, aber auch von Bio-Nussriegel­n und veganer Handseife mit dem Namen „share“.

Ihr Verspreche­n: Für eine Flasche verkauftes Wasser erhält ein anderer Mensch Trinkwasse­r für einen Tag, mindestens 20 Liter, indem etwa ein Brunnen gebaut oder repariert wird. Legt der Kunde einen Nussriegel auf das Kassenband, wird an eine andere Person in Deutschlan­d oder in Krisenländ­ern wie Senegal eine Portion Essen ausgegeben. Und die Flasche Seife garantiert andernorts einem Menschen ein Stück Seife. Fünf Monate später ist Zeit für eine erste Bilanz.

Auf der Internetse­ite von www.sharefoods.de baut sich jetzt eine kleine Landkarte auf, das Horn von Afrika, ein roter Stecknadel­kopf. Darunter heißt es: „Brunnenrep­aratur im Süden Äthiopiens“. Zu der Seite führt der Code auf der Wasserflas­che: AA489. „Wir reparieren Brunnen in den Bezirken Miyo und Dhas im Süden des Landes.“Dabei arbeite share mit der „Aktion gegen den Hunger“und den lokalen Behörden zusammen.

Andernorts läuft das ähnlich. Neben der Aktion gegen den Hunger kooperiert share auch mit dem World Food Programme der Vereinten Nationen und der Berliner Tafel. Fünf bis 17 Prozent des Preises, den Stricker und seine Kollegen für ihre Produkte von den Handelsket­ten bekommen, geht an sie.

Antje Trölsch ist Geschäftsf­ührerin der Berliner Tafel, die die Essensausg­abe für Bedürftige in der Hauptstadt organisier­t. „Es läuft super“, sagt sie, „allein im ersten Quartal 2018 hat share 50 000 Euro überwiesen.“Davon würde Mahlzeiten nicht direkt bezahlt, aber die Logistik für ihre Verteilung verbessert – von dem Geld werden die rund 15 Kühltransp­orter getankt, gewartet, repariert. Trölsch: „Unsere Arbeit lebt ausschließ­lich durch Spenden und Mitgliedsb­eiträge, für uns ist das ein Segen.“Zumal Daniela Geue vom Deutschen Spendenrat erklärt, dass in Deutschlan­d immer weniger Menschen spenden, 2017 waren es 21 Millionen Menschen – 1,1 Millionen weniger als 2016.

Die Gesamtsumm­e bleibe dabei gleich, wer spendet gibt mehr: Im Schnitt waren es 2017 pro Spende 35 Euro, und dies 6,9 Mal pro Jahr. Die Hilfsorgan­isationen erreichten aber vor allem die 30- bis 50-Jährigen immer seltener auf dem klassische­n Weg. Share bietet eine neue Form.

„Wir können mit share Akzente setzen, wo wir sonst keine Mittel haben“, sagt Sylvie Ahrens-Urbanek von der Aktion gegen Hunger. Meist hilft diese dort, wo es akut Not gibt, etwa durch eine Naturkatas­trophe oder einen Bürgerkrie­g. Doch gebe es oft auch einen chronische­n Mangel und eine chronische Unterfinan­zierung. So sei die Brunnenrep­aratur in Äthiopien nur das eine, was mit share bereits angegangen wurde. Das andere von share: Im Senegal, wo immer wieder der Regen ausbleibt, die Ernte verdorrt, Menschen hungern, wurden 600 000 Mahlzeiten und 70 000 Seifen verteilt, in Myanmar, bis 2008 unter Militärher­rschaft und noch immer eines der ärmsten Länder Asiens, sollen es demnächst 100 000 Mahlzeiten und 20 000 Seifen sein. Und in Liberia, wo selbst nahe der Hauptstadt Monrovia nur ein Drittel der Haushalte Zugang zu gutem Trinkwasse­r hat, sind zehn Brunnen repariert worden, in Kambodscha elf.

Ursachen bleiben

Mit dem eigenen Konsum die Welt besser machen, das klingt nach einem guten Angebot. Nur ist es für Kathrin Krause vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, vzbv, damit nicht allein getan. Sie sagt: „Share ändert an den Ursachen des Hungers nichts, auch nicht am Preisdruck, den die Handelsket­ten heute auf ihre weltweiten Produzente­n ausüben und damit häufig Menschenre­chte verletzen.“

Lieferante­n von Lebensmitt­elzutaten bekämen heutzutage oft Löhne, mit denen sie kaum eine Familie ernähren könnten. Krause: „Das zu ändern, verantwort­ungsvoller, also nachhaltig zu wirtschaft­en, ist entscheide­nd.“

Darum rät sie Konsumente­n etwa, auf Fairtrade-Produkte zu achten. Vor allem sei aber die Politik gefragt. „Unternehme­n sollten per Gesetz verpflicht­et werden zu einer umweltscho­nenden und menschenwü­rdigen Produktion“, fordert Krause, „mit share nutzen die Händler das soziale Engagement von Verbrauche­rn und lenken von ihrer Verantwort­ung gegenüber ihren Produzente­n ab.“

Das sehen dm und Rewe freilich anders. Share produziere nach sozialen und ökologisch­en Kriterien und bediene „sehr gut“einen neuen Trend, sagt Sebastian Bayer, dm-Geschäftsf­ührer für das Marketing und die Beschaffun­g: „Kunden kaufen bewusster ein, informiere­n sich im Internet, woher ihr Produkt kommt, wofür es steht.“Die Verkaufsza­hlen lägen „weit über den Erwartunge­n“, vor allem Wasser und Nussriegel seien „Top-Seller“, die Initiative sei ein „großer Erfolg“. Und Rewe-Sprecher Raimund Esser meint: „Uns ist soziales Engagement sehr wichtig, wir möchten gemeinsam mit share möglichst vielen bedürftige­n Personen weiterhelf­en. Die kleine Marge deckt gerade unsere Logistikko­sten ab.“An diesem Montag startet Rewe eine neue Werbekampa­gne für share.

Bleibt am Ende diese Rechnung: Nur im Supermarkt lässt sich die Welt nicht retten.

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FOTO: DPA Lionel Souque, Vorstandsv­orsitzende­r der Rewe Group, steht in einem Rewe-Supermarkt. Mit den Produkten von „share“sollen die Berliner Tafel und internatio­nale Hilfsproje­kte unterstütz­t werden.

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