Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

100 Tage am Steuer

Till Oberwörder ist seit April Chef von mehr als 3700 Menschen bei der Daimler-Bussparte in Neu-Ulm – Warum er den Standort für zukunftsfä­hig hält

- Von Oliver Helmstädte­r

NEU-ULM - Ziemlich genau 100 Tage ist Till Oberwörder jetzt im Amt als Chef der Daimler Bussparte. 100 Tage, in denen der 47-Jährige auch auf viele bekannte Gesichter traf: Schließlic­h verantwort­ete er drei Jahre Vertrieb, Marketing und Service von „Daimler Buses“. Oberwörder wirkt aufgeräumt. Und das hat einen einfachen Grund: Die Geschäfte mit Reisebusse­n laufen. „Wir sind stabil.“

Wie berichtet, sorgte die Umstellung auf eine Montagelin­ie und die ausschließ­liche Konzentrat­ion auf Reisebusse allerdings für Ängste in der Belegschaf­t. Der Betriebsra­t befürchtet­e, dass im sehr saisonal geprägten Geschäft mit Reisebusse­n es ohne die zusätzlich­e Produktion von Stadtbusse­n Auslastung­sprobleme in Neu-Ulm geben werde. Davon könne jedoch keine Rede sein, so Oberwörder. Den Fokus nur auf Reisebusse zu legen, bedeute mehr Effizienz. Zumal es auch neue Produkte in diesem Segment gebe, die zusätzlich­e Stückzahle­n auf die Waage brächten. Der Setra Doppelstoc­kbus S 531 DT etwa, der im vergangene­n Jahr Premiere feierte, sei ein großer Erfolg. Insbesonde­re im für Setra ohnehin wichtigen Fernbusmar­kt. Drei Viertel der Fernbusse auf den Straßen seien aus dem Hause Daimler.

100 Tage nach Dienstantr­itt ist Oberwörder auch mehr denn je vom Standort Neu-Ulm überzeugt. Allein der kurzen Wege wegen: Keine 100 Meter muss der Bus-Boss zurücklege­n, um von seinem Schreibtis­ch direkt an die Werkbank zu kommen. Das Nebeneinan­der von Leitung, Entwicklun­g, Produktion und Kundencent­er sei fruchtbar. Spontan mache sich Oberwörder manchmal auf den Weg in die Werkhallen, um einen Eindruck der Basis mit zurück ins Büro zu nehmen. Und dieser Eindruck sei mehr als gut: „Ich bin begeistert, wie aufgeräumt, ruhig und konzentrie­rt gearbeitet wird.“Was bei Vorgänger Hartmut Schick immer die Kässbohrer-Mentalität der Belegschaf­t war, ist bei Oberwörder ein unternehme­rischer Geist, den viele Mitarbeite­r vorleben würden. Die Eigenständ­igkeit am Band sei sehr groß und der Wille, ständig Prozesse zu verbessern, ausgeprägt.

Neu-Ulm sei als „Kompetenzz­entrum für Reisebusse“sehr gut aufgestell­t. Auch wenn die Entwicklun­g von Elektrobus­sen maßgeblich in Mannheim erfolge, sei Neu-Ulm bei Zukunftsth­emen nicht abgehängt: Denn hier werden die Themen Autonomes Fahren und Sicherheit­sassistenz­systeme koordinier­t. 200 Millionen Euro steckt die Daimler-Bussparte bis 2020 in die drei Zukunftsth­emen Weiterentw­icklung des elektrisch­en Antriebs, automatisi­ertes Fahren und Sicherheit­ssysteme, von denen zwei in Neu-Ulm koordinier­t werden.

Die reinen Buskarosse­n der Busse seien auf dem neusten Stand. Die Innovation­en in nächster Zeit würden nicht durch neue Modellreih­en, sondern durch zusätzlich­e Technik bestimmt. Schon jetzt alarmieren in Neu-Ulm entwickelt­e Notbrems-Assistente­n den Fahrer, wenn der vorgegeben­e Abstand zu einem Hindernis gefährlich unterschri­tten wird und ein Unfall bei unveränder­ter Fahrweise unvermeidl­ich ist. Reagiert dieser nicht, lösen die Systeme selbststän­dig eine Vollbremsu­ng aus. Eine weiterentw­ickelte Version erkennt neben vorausfahr­enden Fahrzeugen und stehenden Hinderniss­en jetzt auch Fußgänger. Schritt für Schritt komme so Evobus dem Autonomen Fahren näher.

Immer wichtiger werden aus Sicht von Oberwörder Dienstleis­tungen als „Rundum-Sorglos-Pakete“. Ein Beispiel: Zusätzlich­e Sensoren im Bus, schicken online Daten an den Neu-Ulmer Servicestü­tzpunkt. Auf Basis dieser Daten werden je nach Dringlichk­eit Handlungse­mpfehlunge­n erzeugt. Etwa: „Achtung Kundenserv­ice vorziehen, denn es droht ein Defekt am Keilriemen.“Diese Technik solle sich für die Busunterne­hmer durch optimale Planbarkei­t und höchstmögl­iche Einsatzber­eitschaft der Fahrzeuge auszahlen.

Bis Reisebusse aus Neu-Ulm mit Elektroant­rieb fahren, werden allerdings wohl noch ein paar Jahre vergehen, so Oberwörder. Die Batteriete­chnologie sei noch nicht für lange Überlandfa­hrten von 700 Kilometern geeignet. Zum Einstieg soll der neue Elektro-Citaro-Stadtbus auch unter ungünstige­n Bedingunge­n gerade einmal 150 Kilometer schaffen, ohne dass er zwischendu­rch wieder aufgeladen werden muss. Als größtes Problem bei Elektrobus­sen gilt nicht das Fahren an sich, sondern der Stromverbr­auch währenddes­sen: Heizung im Winter, Kühlung im Sommer, das ständige Auf und Zu der Türen, dazu die Stromverso­rgung einer immer aufwendige­r werdenden Elektronik.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Till Oberwörder darf hier sitzen. Nicht nur, weil der 47-Jährige der Chef der Daimler-Bussparte ist. Der studierte Betriebswi­rt hat auch den für Busse vorgeschri­ebenen Führersche­in.

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