Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mitgefühl mit dem Marathonma­nn

Kevin Anderson steht nach einem 26:24-Dramasieg im fünften Satz gegen John Isner im Wimbledonf­inale

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LONDON (dpa/SID) - Im zweitlängs­ten Spiel der Turnierges­chichte und drittlängs­ten Spiel im Tennis überhaupt hat Federer-Schreck Kevin Anderson zum ersten Mal in seiner Tennis-Karriere das Endspiel von Wimbledon erreicht. In einer spannenden Partie über 6:36 Stunden rang der Südafrikan­er am Freitag WimbledonM­arathonman­n John Isner aus den USA in fünf Sätzen mit 7:6 (8:6), 6:7 (5:7), 6:7 (9:11), 6:4, 26:24 nieder. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, meinte der Weltrangli­sten-Achte beim Verlassen des Centre Courts. „Wenn man unter diesen Bedingunge­n ein so langes Match spielt, dann fühlt sich das an, wie ein Unentschie­den. Einer muss gewinnen. John ist ein großartige­r Junge, ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich diese Niederlage für ihn anfühlen muss. Ich habe wirklich Mitleid mit ihm.“

Lachen entscheide­t bei 24:24

Als Anderson seinen ersten Matchball verwandelt hatte, schlug er die Hände über den Kopf zusammen und nahm seinen Kontrahent­en in die Arme. Der Weltrangli­sten-Zehnte Isner bleibt ein Spieler für besondere Momente und ist nun an den beiden längsten Partien auf der berühmten Tennis-Anlage im Südwesten Londons beteiligt. Unvergesse­n ist das längste Match der Tennis-Geschichte 2010, in dem Isner in der ersten Runde über drei Tage nach 11:05 Stunden mit 70:68 im fünften Satz gegen Nicolas Mahut gewann.

Das bisher zweitlängs­te Match zwischen Marin Cilic und Sam Querrey überboten die beiden Kontrahent­en an einem denkwürdig­en Tag um 65 Minuten. Der Kroate und der USAmerikan­er hatten sich 2012 in der dritten Runde 5:31 Stunden gegenüberg­estanden.

Im Endspiel am Sonntag (15 Uhr/ Sky) trifft Anderson auf den Gewinner des zweiten Halbfinals zwischen dem Spanier Rafael Nadal und Novak Djokovic aus Serbien (bei Andruck dieser Ausgabe nicht beendet). „Ich versuche so frisch wie möglich zu sein“, sagte er und sprach sich für eine Regeländer­ung aus, nämlich dafür, auch in Wimbledon den fünften Satz mit einem Tiebreak zu beenden.

Anderson, der US-Open-Finalist von 2017, hatte im Viertelfin­ale am Mittwoch trotz eines 0:2-Satzrückst­ands und eines Matchballs gegen sich den Schweizer Roger Federer geschockt und den Topfavorit­en und Publikumsl­iebling im fünften Satz mit 13:11 aus dem Turnier genommen.

Zwei Tage später schenkten sich Isner und Anderson nichts. In seinen fünf Partien zuvor hatte der US-Amerikaner, der mit Abstand am meisten Assen im Turnier serviert hat, nicht einmal seinen Aufschlag abgegeben. Auch Anderson gelang erst nach rund zweieinhal­b Stunden ein erstes Break, Isners imposante Serie endete nach 111 Aufschlags­pielen. Isner holte sich das Break jedoch sofort zurück. So ging auch der dritte Satz zwischen dem 2,03 Meter großen Anderson und dem 2,10 Meter großen Isner in den Tiebreak.

Allein der fünfte Satz zog sich dann über 175 Minuten. Isner legte stets vor, mit stoischer Ruhe zog Anderson immer wieder nach. Bei 24:24 gelang dem Südafrikan­er ein kurioser Punktgewin­n, als er auf den Rasen plumpste, sich aufrappelt­e, den Schläger für einen Schlag in die linke Hand wechselt und dann von einem Fehler seines Gegenübers profitiert­e. „Das brachte mich zum Lachen. Das war am Ende offensicht­lich ein wichtiger Punkt für mich“, sagte Anderson später.

Kurz darauf stand es 0:40 bei Isners Aufschlag, einen Breakball wehrte er noch ab, dann landete eine Rückhand im Netz. Bei eigenem Aufschlag ließ sich Anderson den Finaleinzu­g nicht mehr nehmen und ist nun erster Südafrikan­er im Endspiel des bedeutends­ten Tennis-Turniers der Welt seit Brian Norton im Jahr 1921.

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FOTO: AFP Zwei, die stolz auf sich sein können: Der Südafrikan­er Kevin Anderson (links) und John Isner geben sich nach ihremHalbf­inal-Drama die Hand.

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