Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Beim Spiel, das keiner braucht, geht es wenigstens um die Torjägerka­none

Duell zwischen Harry Kane gegen Romelu Lukaku um den Goldenen Schuh – Die absurde Idee des „kleinen Finals“

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ST. PETERSBURG (dpa) - Es ist die Partie, die keiner braucht und erst recht keiner spielen will. Wenn am Samstag (16 Uhr/ARD) Belgien und England im Spiel um Platz drei aufeinande­rtreffen, sind die Profis trotz eines verblieben­en Funkens sportliche­n Ehrgeizes mit den Gedanken längst woanders. Entweder im Finale, das sie hätten bestreiten wollen oder im Urlaub beziehungs­weise zu Hause bei der Familie. Ein Rest an Spannung verspricht höchstens der Kampf um die Torjägerka­none: Englands Harry Kane steht bei sechs Treffern, der Belgier Romelu Lukaku bei vier.

„Auf das Spiel um Platz drei habe ich überhaupt keine Lust“, hatte Philipp Lahm 2010 nach dem HalbfinalA­us gegen Spanien gesagt. Und auch sein langjährig­er Bayern-Teamkolleg­e Arjen Robben machte vier Jahre später klar: „Der dritte Platz kann mir gestohlen bleiben. Dieses Spiel können sie von mir aus abschaffen.“

Mit Frust im Leib, nach rund 50 Tagen in Teamcamps und einem kompletten Spannungsa­bfall bei Fans und Spielern ist es eben schwierig, noch einmal hochzufahr­en. Deshalb empfinden auch viele diesjährig­e Teilnehmer wenig Vorfreude. „Es fällt schwer, dieses Spiel zu spielen. Aber wir müssen es ja tun“, sagte Belgiens Torhüter Thibaut Courtois nach der 0:1-Halbfinal-Niederlage gegen Frankreich. Und Englands Harry Maguire sagte nach dem 1:2 nach Verlängeru­ng gegen Kroatien: „Meine Meinung dazu behalte ich lieber für mich.“

Es ist in der Tat ein absurder Gedanke eines sportliche­n Wettkampfs, zwei Verlierer bei einem Ausscheidu­ngsturnier plötzlich nochmal gegeneinan­der antreten zu lassen. Aus gutem Grund wird Platz drei im DFB-Pokal und auch in der Champions League nicht ermittelt. Ja, es gibt noch nicht einmal eine entspreche­nde Begegnung bei Europameis­terschafte­n. Schon nach 1980 hat die UEFA die Partie abgeschaff­t, „weil das Spiel nicht mehr als attraktiv angesehen wird“. Die FIFA hält bei WMs aber daran fest.

Die Einschaltq­uoten der letzten drei „kleinen Finals“– wie das Spiel um die goldene Ananas gerne aufwertend genannt wird – waren in Deutschlan­d aber kurioserwe­ise ausgezeich­net. 2014 sahen 17,51 Millionen zu, vier Jahre davor 23,62 Millionen und 2006 sogar 23,97 Millionen. Doch dafür gab es Gründe: 2014 traten Erzrivale Niederland­e und die soeben von Deutschlan­d mit 1:7 gedemütigt­en Brasiliane­r quasi zum Warm-Up für das deutsche Finale an. Bei den beiden anderen Partien war das DFB-Team direkt beteiligt, 2006 als Abschluss des Sommermärc­hens gegen Portugal (3:1), vier Jahre später gegen Uruguay (3:2).

An diesem Samstag, rund zweieinhal­b Wochen nach dem DFB-Aus in Russland, wird sich zeigen, ob der Stempel WM alleine trägt. Doch selbst wenn der Fernseher läuft, wird wenig Spannung aufkommen. Oder erinnert sich noch jemand an das Ergebnis von 2014? Die Niederland­e gewannen mit 3:0, der angeblich lustlose Robben musste 90 Minuten durchhalte­n.

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FOTO: DPA Harry Kane (links) hat die besten Chancen auf die Torjägerka­none, Romelu Lukaku hat zwei Treffer Rückstand.
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