Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Lahm fordert neuen Führungsst­il von Löw

Weltmeiste­rkapitän: Jungprofis bedürften einer „deutlich strafferen“Steuerung

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MÜNCHEN (SID) - Philipp Lahm wird beim WM-Finale als einziger deutscher Weltmeiste­r einen letzten, großen Auftritt haben. Der Kapitän der Rio-Helden bringt den goldenen Pokal ins Luschniki-Stadion, in dem Frankreich und Kroatien um das deutsche Erbe spielen. Er gebe den Cup „mit Wehmut“ab, sagte Lahm, und forderte die jäh abgestürzt­e DFB-Elf auf, „den Pokal zurückzuer­obern“. Und Lahm hat da auch schon eine Idee, wie das klappen könnte.

Lahms klare Botschaft an seinen Ex-Boss Joachim Löw: Der Bundestrai­ner müsse härter werden. „Ich bin überzeugt davon, dass Jogi Löw seinen kollegiale­n Führungsst­il der letzten Jahre ändern muss, wenn er mit der neuen Generation von Nationalsp­ielern wieder Erfolg haben möchte“, schrieb er bei LinkedIn.

Gerade in der Erdogan-Affäre um Mesut Özil und Ilkay Gündogan, kritisiert­e Lahm, habe eine „klare Ansprache“gefehlt: „Das Trainertea­m hat sich darauf verlassen, dass die praktizier­te Führungsku­ltur der vergangene­n, erfolgreic­hen Jahre ausreicht, um einmal mehr erfolgreic­h zu sein.“Und ist krachend gescheiter­t.

Lahm wirft Löw und Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff indirekt vor, als Chefs versagt zu haben. „Führung bedeutet, die Lage hellwach zu sondieren und auch die eigenen Methoden auf den Prüfstand zu stellen und neu zu bewerten“, schrieb er. Dies sei angesichts einer Spielergen­eration voller Ich-AGs dringender erforderli­ch denn je.

Bei dieser trete der „Blick für das Ganze, die Verantwort­ung des Einzelnen für die Mannschaft als Leistungsm­otiv in den Hintergrun­d“. Um diese Einstellun­g zu verhindern, müsse das Trainertea­m „seinen Spielern zu jeder Zeit die notwendige Identifika­tion mit der Mannschaft vermitteln“. Stichwort: „#zsmmn“.

Jungprofis bedürften heutzutage einer „deutlich strafferen Führung als die Generation vor ihnen“– jene um Lahm, Miroslav Klose oder Per Mertesacke­r, die in Rio den WMThron erklommen hatte. Löws Aufgabe: „Er muss Individual­isten klarmachen, dass sie Verantwort­ung für die gesamte Mannschaft tragen. Er muss eine Kultur strafferer, klarerer Entscheidu­ngen etablieren als er selbst das gewohnt war.“

Lahm bringt sich mit dieser überrasche­nd klaren Stellungna­hme als möglicher DFB-Manager in Stellung. Als Botschafte­r für die EM-Bewerbung 2024 gehörte er in Russland bereits zur Delegation des Verbandes. In der DFB-Führung würden sich nicht wenige eine engere Bindung des ehemaligen Weltstars wünschen.

Analyse: DFB-Team glücklos

In der „Zeit“hatte Lahm betont, er halte einen Neustart mit Löw und Bierhoff durchaus für möglich – auf Grundlage einer ehrlichen Analyse. Diese soll Löw dem DFB am 24. August vorlegen. Sollte Löw seinen Führungsst­il bis dahin kritisch geprüft haben, sei dies kein Zeichen der Schwäche, „sondern der Weiterentw­icklung“,

so der Ehrenspiel­führer.

Ebenfalls auf dem Prüfstand steht der deutsche Spielstil – zu Recht? Laut den Analysten des Weltverban­ds FIFA war das Scheitern bei der WM schlicht Pech. „Deutschlan­d hat besser gespielt als viele andere Teams. Aber wenn du die Möglichkei­ten hast, musst du sie auch nutzen“, sagte Marco van Basten, Chef der Technische­n Studien-Gruppe der FIFA. „Sie hatten kein Glück“, fügte van Basten an, „das war der Gegensatz zu 2014: Da hatten sie weniger Chancen, haben daraus aber mehr Tore gemacht.“

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FOTO: DPA Einst gemeinsam erfolgreic­h: Lahm (mit Pokal) und Löw (re.).

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