Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Skypen mit dem Doktor: Ist Telemedizin ein Ausweg aus überfüllten Wartezimmern?
So viel vorweg: Der Besuch beim Arzt ist oft unersetzlich. Deshalb müssen Staat und Kassen auch weiterhin sicherstellen, dass jeder Bürger Zugang zu einem Hausarzt in seiner Nähe hat – auch auf dem Land.
Telemedizin kann dennoch ein Segen sein. Wer sich und seinen Körper kennt, weiß oft sehr genau, was ihm fehlt. Wen eine fiese Erkältung erwischt hat, der kann sich Erbaulicheres vorstellen als den mühsamen Gang zum Arzt und die schier endlos wirkende Zeit im Wartezimmer, in dem etliche weitere Bazillen nur darauf warten, den eigenen geschwächten Körper zusätzlich zu überfallen.
Den Laptop aufzuklappen und ein Videotelefonat mit einem Mediziner zu führen, kann da die deutlich angenehmere, Nerven und Kräfte schonende Variante sein. Dünner besiedelte Länder wie Australien arbeiten mit Telemedizin seit Langem ziemlich erfolgreich.
Einen Fehler dürfen Patienten aber nicht machen: nämlich zu denken, sie ersparten sich nun jeden Gang in die Praxis. Telemedizin ist sehr hilfreich bei kleineren Leiden und für einen ersten Check. Jeder mündige Bürger sollte sich bei Krankheitssymptomen eingehend fragen, ob die Ferndiagnose im konkreten Fall sinnvoll ist. Der Besuch beim Arzt und eine eingehende Untersuchung bleiben manchmal unvermeidlich.
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Wer je seine Abende in diversen Notfall-Hotlines seines Telefonanbieters verbracht hat („Ihre Wartezeit beträgt 40 Minuten, schalalala“), dem wird bei der Vorstellung telemedizinischer Behandlung schwummrig, begleitet von aufsteigender Übelkeit.
Technische Schwierigkeiten wie ein gestörtes WLAN sind ärgerlich, bereiten aber keine körperlichen Schmerzen. Aber was, wenn mehr defekt ist als ein alter Router? Wenn es um drängende Gesundheitsprobleme geht? Dann möchte ich jedenfalls nicht mit irgendwelchen Callcenter-Experten zwischen dem Saarland und der hinteren Mongolei verhandeln, die brav ein Beschwerdeticket verfassen, das dann so lange weitergereicht wird, bis sich das Problem möglichst von selbst erledigt. Schwarzmalerei? Technikskepsis? Mag sein. Aber die Erfahrung zeigt doch, dass das Gesundheitssystem ohnehin schon daran krankt, Symptome zu behandeln – statt Menschen. Die flüchten dann oft zu den Vertretern alternativer Heilmethoden, weil sie mehr brauchen als Medikamente und Gerätemedizin. Nämlich Verständnis und ein persönliches Vertrauensverhältnis. Wetten, dass das mittels Telemedizin nicht besser wird? Und schon gar nicht, wenn die wackelige Internetleitung oder der altersschwache Computer noch vor dem Patienten schlapp machen.
Von Kara Ballarin
Von Petra Lawrenz
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’’ ’’ Fiesen Bazillen lieber aus dem Weg gehen. Bitte nicht noch mehr Callcenter-Experten!