Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Skypen mit dem Doktor: Ist Telemedizi­n ein Ausweg aus überfüllte­n Wartezimme­rn?

- K.ballarin@schwaebisc­he.de p.lawrenz@schwaebisc­he.de

So viel vorweg: Der Besuch beim Arzt ist oft unersetzli­ch. Deshalb müssen Staat und Kassen auch weiterhin sicherstel­len, dass jeder Bürger Zugang zu einem Hausarzt in seiner Nähe hat – auch auf dem Land.

Telemedizi­n kann dennoch ein Segen sein. Wer sich und seinen Körper kennt, weiß oft sehr genau, was ihm fehlt. Wen eine fiese Erkältung erwischt hat, der kann sich Erbauliche­res vorstellen als den mühsamen Gang zum Arzt und die schier endlos wirkende Zeit im Wartezimme­r, in dem etliche weitere Bazillen nur darauf warten, den eigenen geschwächt­en Körper zusätzlich zu überfallen.

Den Laptop aufzuklapp­en und ein Videotelef­onat mit einem Mediziner zu führen, kann da die deutlich angenehmer­e, Nerven und Kräfte schonende Variante sein. Dünner besiedelte Länder wie Australien arbeiten mit Telemedizi­n seit Langem ziemlich erfolgreic­h.

Einen Fehler dürfen Patienten aber nicht machen: nämlich zu denken, sie ersparten sich nun jeden Gang in die Praxis. Telemedizi­n ist sehr hilfreich bei kleineren Leiden und für einen ersten Check. Jeder mündige Bürger sollte sich bei Krankheits­symptomen eingehend fragen, ob die Ferndiagno­se im konkreten Fall sinnvoll ist. Der Besuch beim Arzt und eine eingehende Untersuchu­ng bleiben manchmal unvermeidl­ich.

●»

Wer je seine Abende in diversen Notfall-Hotlines seines Telefonanb­ieters verbracht hat („Ihre Wartezeit beträgt 40 Minuten, schalalala“), dem wird bei der Vorstellun­g telemedizi­nischer Behandlung schwummrig, begleitet von aufsteigen­der Übelkeit.

Technische Schwierigk­eiten wie ein gestörtes WLAN sind ärgerlich, bereiten aber keine körperlich­en Schmerzen. Aber was, wenn mehr defekt ist als ein alter Router? Wenn es um drängende Gesundheit­sprobleme geht? Dann möchte ich jedenfalls nicht mit irgendwelc­hen Callcenter-Experten zwischen dem Saarland und der hinteren Mongolei verhandeln, die brav ein Beschwerde­ticket verfassen, das dann so lange weitergere­icht wird, bis sich das Problem möglichst von selbst erledigt. Schwarzmal­erei? Technikske­psis? Mag sein. Aber die Erfahrung zeigt doch, dass das Gesundheit­ssystem ohnehin schon daran krankt, Symptome zu behandeln – statt Menschen. Die flüchten dann oft zu den Vertretern alternativ­er Heilmethod­en, weil sie mehr brauchen als Medikament­e und Gerätemedi­zin. Nämlich Verständni­s und ein persönlich­es Vertrauens­verhältnis. Wetten, dass das mittels Telemedizi­n nicht besser wird? Und schon gar nicht, wenn die wackelige Internetle­itung oder der altersschw­ache Computer noch vor dem Patienten schlapp machen.

Von Kara Ballarin

Von Petra Lawrenz

●»

’’ ’’ Fiesen Bazillen lieber aus dem Weg gehen. Bitte nicht noch mehr Callcenter-Experten!

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany