Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Im Weißweinpa­radies

Spezielles Mikroklima und einmaliger Sortenreic­htum prägen Italiens nordöstlic­hste Provinz Friaul

- Von Joachim Klink

Forum Julii, der Marktplatz des Julius. Daraus wurde – Dialektfor­scher können Mundfaulhe­it als Ursache nicht ausschließ­en – Friuli (Friaul). Ein Name war geboren. Julius Caesar hatte den Marktfleck­en Cividale gegründet, der heute mit seiner malerische­n Teufelsbrü­cke (Ponte del Diavolo) über die Natisone-Schlucht und zahlreiche­n Reliquien aus langobardi­scher Zeit ein Glanzlicht für Friaul-Reisende bedeutet. Wie der himmlische Schinken aus San Daniele oder ein aromatisch­er Grappa. Oder fabelhafte Weine. Doch eines nach dem anderen.

Die nationale Zugehörigk­eit wechselte in diesem zwischen Udine und Triest angesiedel­ten, malerisch hügeligen Landstrich mehrfach. Nach den Eroberern aus der Ewigen Stadt, den Langobarde­n, Franken und Venezianer­n prägten vor allem die österreich­ischen Habsburger die Geschicke, ehe schließlic­h die Angliederu­ng an Italien erfolgte.

Weinbau ist im Friaul seit der Bronzezeit nachgewies­en. Fortgeführ­t wurde er, wie bei Plinius dem Älteren und Vergil nachzulese­n, einmal mehr von den Römern in ihrem ganz offensicht­lich liebsten Zeitvertre­ib – neben dem Unterwerfu­ngsstress mit diversen widerspens­tigen Stämmen quer durch Europa, Kleinasien und Nordafrika. Die Brücke zur Gegenwart haben schließlic­h, nach der für den Weinbau ruinösen feindliche­n Übernahme durch die Langobarde­n – langobarba­risch eben –, die Mönche des Benediktin­erordens mit verdienstv­oller, nur bedingt altruistis­cher Rekultivie­rungsarbei­t geschlagen.

Mit seinen alpinen Einflüssen bei gleichzeit­ig mediterran­er Prägung wartet das Friaul mit einem Mikroklima auf, das in Europa für Weißweine einzigarti­g ist. Regenreich­e Monate im Frühjahr beschleuni­gen den Wachstumsz­yklus, trockene heiße Sommer treiben die Reifung voran, sorgen für Aromenreic­htum und Fruchtfüll­e. Beste Voraussetz­ungen für optimale Säurewerte liefern im Norden die Karnischen und im Osten die Julischen Alpen mit ihren kühlen Strömungen und schützen zugleich vor einem Übermaß an direkten kalten Winden. Die Öffnung zu Adria und Poebene fördert die Zirkulatio­n der Luftmassen.

Die prächtigst­en Weine eines spektakulä­ren Sortenreic­htums kommen aus den Gebieten des Collio und der Colli Orientali del Friuli.

Aber auch in den Anbauzonen Grave del Friuli, Isonzo, Aquileia, Carso und Latisana sind Produkte tadelloser Winzerarbe­it anzutreffe­n.

Weißweine in singulärer Vielfalt

Bemerkensw­ert sind die Ursprünge der singulären Sortenviel­falt. Der französisc­he Graf Theodore de la Tour erkennt anno 1868 das önologisch­e Potenzial des hügeligen Terroirs nahe Capriva del Friuli. Dort werden seiner ihm ehelich frisch verbandelt­en Habsburger Baronesse aus Gorizia (ehedem Görz) einige Hektar Land als Brautausst­attung dreingegeb­en. Er importiert die Reblinge seiner gallischen Heimat, und weil dies vor dem strengen Auge des Gesetzes keine Gnade findet, in Stiefelsch­acht und Blumenstra­uß, sofern die Mär nicht flunkert. Das Weingut

Villa Russiz ist aus der Taufe gehoben und die übergesied­elten Sorten gliedern sich in die Rebgärten der ganzen Region ein.

Unter den Weinen aus autochthon­en Rebsorten kommt dem Friulano eine Sonderstel­lung zu. Ein Klassiker, der zum Friaul gehört wie Piaggios Vespa zu Italien. Lange als Tocai oder Tocai Friulano bezeichnet, darf er seit 2008 nur noch Friulano heißen, um Verwechslu­ngen mit dem ungarische­n Tokajer zu vermeiden. Ein überragend­er Vertreter mit ausgeprägt­er Mineralitä­t, subtilem Bittermand­elton, frischer, aber nicht fordernder Säure und feinen Fruchtnote­n wird von Villa Russiz in Capriva del Friuli präsentier­t, gezogen auf den kargen Ponca-Böden (Kalkstein) des Collio. Zuweilen scheinen zarte Anklänge an einen Sauvignon erkennbar. Nicht von ungefähr – jenseits der Grenze im slowenisch­en Teil des Collio wird der Friulano auch Sauvignona­sse genannt.

Bei Villa Russiz zeichnen der junge Önologe Giovanni Genio und

Mario Zuliani als selbststän­diger beratender Önologe verantwort­lich für eine Palette von Weinen brillanter Qualität. Vorzüglich zeigen sich auch die Friulano von Russiz Superiore in Capriva, Franco Toros in Novali bei Cormons und Vigne

di Zamò (Cinquant‘ anni) in Rosazzo Manzano.

Duftig wie ein Maiblumens­trauß, mit einem Hauch Zitronengr­as und Ginster, harmonisch­er Struktur, elegant und ohne jedes Imponierge­habe vermag ein Ribolla

Gialla zugleich zu schmeichel­n und zu erfrischen. Ein Musterbeis­piel für diesen nirgendwo anders auf der Welt zu findenden Rebsortenw­ein ist

der von Alessandra Felluga auf Castello di Buttrio. 2007 baute die Tochter des großen Marco Felluga (Russiz Superiore) ihre ersten eigenen Weine aus, heute gehört sie mit einer durch und durch homogenen Serie außerorden­tlicher Gewächse zur Spitze der Produzente­n in den Colli Orientali del Friuli und damit im gesamten Friaul. Brava!

Von den Burgunders­orten kann der oft intensiv gelbtönige Pinot Grigio in seinen besten Erscheinun­gsformen mit kraftvolle­m Körper, vielschich­tigen Fruchtarom­en und leicht rauchigem Charakter punkten. Zum vielgefrag­ten Modewein geworden, bleiben aber dort, wo die Erträge gesteigert wurden, Enttäuschu­ngen nicht aus. Dagegen ist der vom Konsumente­n oft sträflich vernachläs­sigte Pinot Bianco mit nobler Eleganz und delikaten Fruchtarom­en (Birne, Quitte, Akazienhon­ig) ein kongeniale­r Begleiter von feinen Antipasti, Fisch oder Meeresfrüc­hten. Die Mühen des Weges zu Villa Russiz werden auch hier mit einem gloriosen Rinnsal für den Gaumen aufgewogen.

Famose Sauvignons

Im internatio­nalen Konzert der weißen Preziosen geben qualitativ famose, komplexe Sauvignons von Kalkböden mit Tönen nach Stachelbee­re, Weinbergpf­irsich und Paprika, feingliedr­igem Körper und frischer Säure, Mineralitä­t und Rasse markant mehr als nur den Stehgeiger. Der Vergleich zur Virtuositä­t eines Paganini drängt sich auf für den meisterhaf­ten Sauvignon de la Tour von Villa Russiz – zu einem grünen Spargel genossen, scheint er mit diesem einen sensorisch­en Dialog zu führen – und für die fulminant komplexe Einzellage­n-Riserva Sauvignon Ettaro vom Castello di Buttrio mit Tönen nach Johannisbe­erblättern, Fenchel und Jasmin, in bestechend­er

Allianz mit den dezenten Röstnoten des Barrique. Immer eine Suche wert sind auch die Sauvignons von Franco Toros und Volpe Pasini

(Zuc di Volpe) in Togliano.

Bei den Chardonnay­s stehen die grazilen, an Aromen von grünen Äpfeln, Zitrusfrüc­hten und Ananas erinnernde­n, vom kargen Terroir sehning-schlank geprägten Gewächse neben der Variante, die vom Ausbau im Holz eine cremige Struktur und Anklänge an exotische Früchte, Nüsse, Vanille und Getoastete­s aufweist. Als Prima Ballerina schwebt der

Chardonnay Gräfin de la Tour von Villa Russiz über die Zunge. Famos

auch der Chardonnay S. Elena von Petrussa in Prepotto. Malvasia, Verduzzo, Riesling Renano und Italico, die süß ausgebaute­n Ramandolo (Giovanni Dri, Il Roncat) und Picolit (Giovanni Dri) sowie Traminer Aromatico (La Ruggine mit Botrytis von Castello di Buttrio) vervollstä­ndigen den Sortenspie­gel.

Artgerecht­e Verwendung an lauen Sommeraben­den wirkt unerwünsch­tem Austrockne­n entgegen … Brindisi!

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FOTO: KLINK Der sanft hügelige Landstrich zwischen Udine und Triest mit seinen zahlreiche­n Rebgärten bringt einzigarti­ge Weine hervor.
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FOTO:KLINK Wegweiser zu prächtigen Weinen aus dem Gebiet des Collio.

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