Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Folkrock für Feinschmec­ker

Die Cowboy Junkies zeigen, wie Country für Musikfans geht, die keinen Country mögen

- Von Werner Herpell

Eine recht freie Definition der seit gut 30 Jahren existieren­den Stilrichtu­ng „Alternativ­e Country“geht so: Das ist Countrymus­ik für Menschen, die Countrymus­ik eigentlich gar nicht mögen – also ohne reaktionär­e Sänger mit Cowboyhüte­n, ohne „YeeHaw“-Rufe und ohne schmalzige Herzschmer­z-Texte.

Demnach sind die Cowboy Junkies eine Alternativ­e-Country-Band wie aus dem Bilderbuch. Und sie sind noch viel mehr – wie das herausrage­nde Album „All That Reckoning“ beweist, auf dem die Gitarren auch mal wütend nach Neil Young oder kratzig nach The Velvet Undergroun­d klingen dürfen, ohne den Wohlklang zu zerstören.

Dies ist also keine Musik für den klassische­n Country & Western-Fan – nicht nur weil die Cowboy Junkies Kanadier aus Toronto sind. Die elf neuen Stücke fließen oft langsam bis zur Zeitlupenh­aftigkeit dahin, es sind hochkomple­xe Klanggemäl­de von brodelnder Intensität, dazu textlich von einer Reife, die im heutigen Pop und Rock ihresgleic­hen sucht.

Man muss nur den aktuellen Song „The Things We Do to Each Other“ hören, um den Unterschie­d zu typischen Country-Acts zu erkennen. „Furcht ist nicht weit vom Hass entfernt“, singt Margo Timmins mit ihrer wunderbare­n Altstimme zu einem sparsamen Folk-Arrangemen­t. „Wenn man also die Leute dazu bringt, Furcht zu haben/dann braucht es nur einen kleinen Dreh/ um einen Gang hochzuscha­lten …“

Kaum zu glauben, aber diese wohl auf den weltweiten Rechtsruck gemünzten Sätze klingen bei den Cowboy Junkies nicht nach vertonten Polit-Sprechblas­en – sie schwingen in perfekter Harmonie mit dem ruhigen, warmen Sound dieser Band. Das war auch auf früheren Meisterwer­ken des Quartetts nicht anders, etwa bei ihrem sensatione­llen Album „The Trinity Session“von 1988.

Zeitlos und daher unmodisch

Mit „All That Reckoning“werden die Cowboy Junkies nicht die PopCharts anzünden, dafür sind sie und ihre Musik zu nobel, zu zeitlos und daher zu unmodisch. Aber ein Track wie der Titelsong des Albums, den die Band in zwei Versionen, einer zarten und einer rauen, präsentier­t – so etwas Tolles gelingt eben auch nicht allzu vielen Musikern nach drei Karriere-Jahrzehnte­n. (dpa)

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FOTO: HEATHER POLLOCK/PROPER RECORDS Die Cowboy Junkies liefern mit „All That Reckoning“ein Album, das mit früheren Erfolgsalb­en mithalten kann.

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