Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Die Polizei resigniert schon lange“
Kurt Wörner wird am Montag als Stadtrat verabschiedet – Was ihn als Kreisrat beschäftigt
LAICHINGEN - Der langjährige Laichinger Stadtrat Kurt Wörner hat vor Kurzem sein Amt aus Altersgründen niedergelegt. Im Anschluss an die letzte Gemeinderatsitzung vor der Sommerpause am kommenden Montag wird er offiziell verabschiedet. Doch noch immer liegt ein Berg an Arbeit vor ihm. Unsere Mitarbeiterin Brigitte Scheiffele hat mit ihm gesprochen.
Herr Wörner, seit 1994 sind Sie mit kurzer Unterbrechung im Laichinger Gemeinderat engagiert. Wird Ihnen diese Tätigkeit nicht fehlen?
Aber nein! Ich habe im Juni meinen 71. Geburtstag gefeiert und mir vorher wirklich Gedanken gemacht: Es reicht. Ich muss einige Dinge abgeben und mein Leben entschleunigen. Es gibt noch viele andere Aufgaben.
Auch im privaten Bereich?
Genau da. Ich will mehr Zeit haben für die Familie und meine Hobbys. Ich lese gerne, musiziere, und ich will noch reisen.
Behalten Sie Ihren Sitz im Kreistag?
Selbstverständlich. Montags waren immer die Gemeinderats- und Fraktionssitzungen. Gleichzeitig der Kreistag. Manchmal gingen diese Tage bis Mitternacht. Das ist anstrengend, wenn man seine Aufgabe ernst nimmt und sich auf die jeweilige Thematik konzentrieren muss. Die Tätigkeit im Kreistag bezieht sich auf rund 194 000 Einwohner und ist eine Herausforderung mit großer Verantwortung.
Wie viele Kreistagssitzungen finden pro Jahr statt?
Etwa acht bis zehn. Dazu kommen vier Sitzungen für den Ausschuss „Bildung, Kultur, Gesundheit und Soziales“. Weiter bin ich im JugendhilfeAusschuss, der sich zwei Mal im Jahr trifft. Dann im Zweckverband der Sparkasse Ulm – auch hier sind zwei Sitzungen im Jahr –, in dem ich kraft Amtes (CDU) vertreten bin.
Das war es dann?
Weit gefehlt. Acht bis zehn CDUFraktionssitzungen kommen im Jahr noch dazu. Dann bin ich in der ADKGmbH engagiert, für die ebenfalls einige Einladungen zu Sitzungen eintreffen. Es ist immer etwas los, ich muss deswegen abgeben.
Nochmal zurück zum Kreistag und den Themenbereichen Bildung, Kultur, Gesundheit und Soziales im gleichnamigen Ausschuss. Als Lehrer und Pädagoge dürfte der Bereich „Bildung“Ihr Hauptthema sein.
Ja. Das liegt mir am Herzen. Die Magdalena-Neff-Schule, die kaufmännische, die gewerbliche Schule mit allen Ausbildungsberufen und dass man da das Abitur erlangen kann. Dann kommt die Valckenburgschule dazu, die Laichinger Martinschule und die Schmiechtalschule – ein fantastisches Angebot, das mich unverändert be- geistert. Junge Menschen haben so viele Möglichkeiten und das soll so bleiben. In diesem Bereich steckt einfach viel, viel Herzblut von mir.
Was beschäftigt Sie auf den anderen Themenfeldern?
Im Kulturbereich geht es immer wieder um Förderungen und Zuschüsse, im Gesundheitsbereich ist der Erhalt und Ausbau der drei großen Krankenhäuser in Ehingen, Blaubeuren und Langenau das Hauptthema.
Und wie sieht es im sozialen Bereich aus?
Ich habe mich immer um geflüchtete Menschen bemüht und bin von Anfang an im Laichinger Helferkreis für Menschen auf der Flucht und in Not aktiv. Eine Herzenssache. Neu kommt hinzu, dass viele behinderte Menschen in die Altersarmut rutschen.
Warum?
Ich spreche es deutlich aus: Viele von ihnen wurden unter Hitler ermordet (sog. „Euthanasie“), deshalb gab es lange keine älteren Behinderten. Der Bereich „Soziales“hat im Gesamthaushalt von 266 Millionen Euro den hohen Anteil von rund 71 Millionen Euro, unter anderem gerade für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.
Schulabsentismus, ein neues Wort, bedeutet: Schule schwänzen. Was ist Ihnen dazu bekannt?
Junge Menschen im Alter von um die 15 Jahren aufwärts schwänzen die Schule. Nicht nur einmal, sondern dauerhaft. Das ist Schulabsentismus und auch an Laichinger Schulen der Fall. Sie schwänzen aus purem Frust, aus Schulmüdigkeit, es geht auch um Disziplinlosigkeit an Schulen – die Polizei resigniert schon lange. Da wächst ein Teil einer verlorenen Generation heran. Wir brauchen Streetworker und eine Hilfe für Menschen, die möglicherweise auch unter Überforderung leiden, weil sie die falsche Schule besuchen.
Das alles klingt nicht nach Ruhephase.
Ich spreche auch nur von Entschleunigung. Es gibt genügend Bereiche, in denen ich mich engagiere. Hinzu kommen die geflüchteten Menschen, die in Laichingen eine Unterkunft gefunden haben. Es ist wirklich viel zu tun.