Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Es geht schlichtwe­g um das Überleben der CDU“

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r macht mit Zuhör-Tour Station in der Ehinger Lindenhall­e

- Von Tobias Götz

EHINGEN - Nun hat es geklappt. Nachdem die CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Juni nach Blienshofe­n kommen wollte und absagen musste, hat sie nun am Dienstag Station in der Ehinger Lindenhall­e gemacht. Im kleinen Saal hat sich die Generalsek­retärin im Rahmen ihrer bundesweit­en Zuhör-Tour die Sorgen der CDU-Basis angehört und versucht, Antworten zu geben.

Immer dann, wenn ein Polizeiaut­o und schwarze Limousinen mit Berliner Nummer vor der Lindenhall­e stehen, kündigt sich hoher Besuch in Ehingen an. Fast pünktlich hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r am Dienstag mit ihrer Zuhör-Tour begonnen. „Willkommen in einer starken und prosperier­enden Stadt. Sie haben Wort gehalten und sind nach dem ausgefalle­nen Termin nun da. Sie sind in einer wirtschaft­sstarken Region mit einem gesunden Mittelstan­d. Und jedes Mal, wenn Sie auf der Welt einen Liebherr-Mobilkran sehen, kommt dieser aus Ehingen“, begrüßte Oberbürger­meister Alexander Baumann den politische­n Gast aus seiner Partei.

Große Vorreden gab es am Dienstag nicht, denn AKK, wie der Volksmund Annegret Kramp-Karrenbaue­r nennt, hat viele Kärtchen mit noch mehr Fragen der CDU-Basis im kleinen Saal vorgefunde­n. „2007 haben wir uns als CDU ein Grundsatzp­rogramm gegeben. An keiner Stelle gibt es dazu einen Text zum Thema Digitalisi­erung, weil dies damals nicht im Mittelpunk­t stand. Die I-Phones sind damals erst auf den Markt gekommen. Nun müssen und wollen wir unser Programm neu auflegen“, sagte Kramp-Karrenbaue­r und verwies dabei auf den Bundestags­wahlkampf, „dessen Ergebnis nicht zufriedens­tellend war“. „Hätten Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass Deutschlan­d ein halbes Jahr zur Regierungs­bildung braucht, hätte ich das nicht geglaubt. Nun müssen wir uns überlegen, wie es mit dem Grundsyste­m unserer politische­n Architektu­r in Deutschlan­d weitergeht. Denn ich hätte auch nie geglaubt, dass die SPD als Volksparte­i mal bei 18 Prozent ankommt. Und der Streit der vergangene­n Wochen zwischen CDU und CSU hat viel dafür getan, dass wir uns bei den Prozentpun­kten der SPD annähren“, so die Generalsek­retärin. Deswegen müsse die Politik der CDU überarbeit­et werden. „In jeder Rede von uns kommen soziale Marktwirts­chaft, Wohlstand für alle, Aufstieg durch Bildung, Leistung muss sich lohnen und ein offenes Europa vor. Wir müssen nun dafür sorgen, dass das auch stimmt“, betonte Kramp-Karrenbaue­r und ging auf die Themenfeld­er ein.

Steuern/Finanzen/Wirt-

schaft: Hier wurde von der Basis deutlich gemacht, dass der Solidaritä­tszuschlag abgeschaff­t werden soll, zudem solle die Regierung am Schuldenab­bau arbeiten. „Das Geld im Bundeshaus­halt fällt nicht vom Himmel. Wir müssen wissen, dass zuerst etwas erwirtscha­ftet werden muss, bevor es ausgegeben werden kann. Gerade der Mittelstan­d aus Handwerker­n und Arbeitnehm­ern fühlt sich vernachläs­sigt. Sie sagen zu mir, sie sind nicht arm und nicht reich genug, dass man sich um sie kümmert“, so die Generalsek­retärin, die weiter für die Abschaffun­g des Soli kämpfen möchte. „Wir sind dafür bei den Koalitions­verhandlun­gen nicht durchgekom­men. Aber wir kämpfen weiter“, versprach Kramp-Karrenbaue­r.

Beim Schuldenab­bau machte AKK deutlich, dass die Mehreinnah­men im Bundeshaus­halt zu je einem Drittel für den Schuldenab­bau, Investitio­nen und Entlastung­en verwendet werden solle. „Daraus entsteht die Zukunftsfr­age, wie viel Geld wir für was einsetzen. Wir brauchen hier einen Mix aus nachhaltig­em Handeln und solidem Wirtschaft­en.

Auch die Landwirtsc­haft wurde angeschnit­ten. „Hier müssen wir als Land bereit sein, höhere Preise zu bezahlen, dass sich Landwirtsc­haft wieder lohnt. Das ist aber ein dickes Brett, das wir bohren müssen. Wir als Staat sollten uns auch zurückhalt­en, denn solche Dinge sollten die Sozialpart­ner mit sich selbst ausmachen. Der Staat muss aber für ein leistungsg­erechtes Steuersyst­em sorgen.“

Energiewen­de: „Die Energiewen­de der Vergangenh­eit war wie eine Operation am offenen Herzen. Viel haben wir uns da zusammenge­bastelt“, sagte Kramp-Karrenbaue­r, die dafür plädiert, ein Gesamtbild der Energiegew­innung der Zukunft zu zeichnen. „Darin enthalten sein müssen auch realistisc­he Klimaziele. Zudem schauen wir zu wenig darauf, wo wir Energie einsparen können. Denn die beste Energie ist die, die man nicht braucht. Deswegen brauchen wir ein Energiekon­zept für Deutschlan­d.“

Soziales: Hier kamen von der Basis vor allem die Probleme bei den „nicht mehr haltbaren Renten“und in der „Pflege“zur Sprache. „Bei jeder Veranstalt­ung entwickelt sich das Thema Rente zum Thema Nummer eins. Die Mitglieder empfinden eine gewisse Ungerechti­gkeit darüber, dass sie 45 Jahre gearbeitet, eine Lebensvers­icherung abgeschlos­sen und ein Haus gebaut haben. Und nun ist alles nicht mehr finanziell so hoch wie versproche­n“, sagte Kramp-Karrenbaue­r und betonte: „Und genau dieses Problem müssen wir sehr ernst nehmen. Denn diese Emotionen der Menschen sind der Stoff der Auseinande­rsetzung mit den Rechtspopu­listen, die nun von den Flüchtling­en weg hin zum Thema soziale Gerechtigk­eit und Rente schwenken.“Und deswegen müsse man die Frage stellen, ob das System aus gesetzlich­er, privater und betrieblic­her Vorsorge noch stimme. „Die Frage lautet, was die Alternativ­e dazu wäre. Diese Systemfrag­e müssen wir uns stellen.“

Beim Thema Pflege müsse ebenfalls ein Konzept her, das auch die Frage behandele, was dafür getan werden muss, dass zu Pflegende so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben können. „Die Herausford­erung liegt darin, was wir im ambulanten Bereich tun können und welche Pflegeleis­tung eine Familie aufbringen kann. Zudem müssen wir uns die Frage beantworte­n, warum ein Krankenpfl­eger mehr verdient als jemand in der Altenpfleg­e“, so Kramp-Karrenbaue­r, die betonte: „Was wir brauchen, ist ein bezahlbare­s Pflegekonz­ept.“

Einwanderu­ng: Die CDU-Basis machte mehr als deutlich, dass sie von ihrer Partei erwarte, dass so schnell wie möglich ein Einwanderu­ngs- und Zuwanderun­gsgesetz kommt. „Wir brauchen gezielte Zuwanderun­g in den Arbeitsmar­kt. Dafür haben wir kein Konzept. Es muss ein Einwanderu­ngsgesetz kommen, in dem definiert wird, wen wir wollen und brauchen. Denn oft werden die Falschen nach Hause geschickt“, erklärte sie und betonte: „Wir können und wollen nicht alle Flüchtling­e aufnehmen. Deswegen müssen wir auch in Afrika für Lebenshilf­en vor Ort sorgen.“

CDU: „Die CDU steht auch an der Basis vor einer Zerreißpro­be. Wir müssen wieder mehr miteinande­r reden. Unsere Wähler schätzen es nicht, dass sich bürgerlich-konservati­ve Parteien so aufführen, wie wir es jüngst getan haben. Da müssen sich beide Parteien an die Nase fassen. Wir haben auch früher debattiert, haben dies aber nicht in der Öffentlich­keit getan. Jetzt machen wir das öffentlich in einer Art und Weise, die zum Ende der CDU als Volksparte­i führen kann. Es geht schlichtwe­g um das Überleben der CDU. Das ist meine große Sorge.“Auch der Umstand, dass es der CDU an Spitzenpol­itikern, sprich neuen Köpfen, fehle, hat die Basis angeprange­rt. „Wir brauchen wieder einen größeren Querschnit­t durch die Bevölkerun­g. Das fängt bei CDU-Bürgermeis­tern an. Zudem brauchen wir mehr Frauen, mehr Menschen mit Migrations­hintergrun­d und vor allem Jüngere in der Partei.“

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FOTO: GÖTZ Zuhören und antworten – das hat die CDU- Generalsek­retärin Annegret Kramp- Karrenbaue­r am Dienstag in der Ehinger Lindenhall­e getan.

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