Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Noch flößt Trump hier keine Angst ein

Mittelstän­dler in der Region sind zuversicht­lich - Das größte Risiko schlummert in der Konzentrat­ion auf den Automobil-Bereich

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM/NEU-ULM - US-Präsident Donald Trump überzieht die Welt mit einem Handelskri­eg, der Brexit steht vor der Tür und Italien provoziert die nächste Euro-Krise – und die regionale Wirtschaft ist entspannt. Allenfalls eine „leichte Verunsiche­rung“, registrier­t Commerzban­k-Betriebswi­rt Oliver Wenzler, der von Neu-Ulm bis zum Bodensee 750 Geschäftsk­unden betreut. Doch von Krise könne in Ulm, um Ulm und um Ulm herum keine Rede sein. Weder gebe es Werks-Verlagerun­gen durch die Zoll-Verwirrung noch Rückzüge aus Großbritan­nien.

„Die Konjunktur läuft“, sagte Wenzler im Rahmen eines volkswirts­chaftliche­n Ausblicks, den Marco Wagner, einer der führenden Ökono- men der Commerzban­k, am Mittwoch gab. Wagner, der auch schon für den Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g („Wirtschaft­sweise“) tätig war, zeigte sich beeindruck­t vom regional überdurchs­chnittlich stark vertretene­n, innovative­n Mittelstan­d. Und macht ihm Hoffnung, dass die derzeitige Suppe heißer gekocht als gegessen werde. Auch wenn Trump den Handelskri­eg schon längst angezettel­t habe, glaubt der Analyst nicht, dass Deutschlan­d in eine Rezession schlittern werde. „Trump wähnt ich am längeren Hebel“, sagt Wagner zwar. Doch in Wahrheit sei seine Sichtweise blauäugig. Sollte sich die Spirale eines Handelskri­egs zwischen den USA und China weiter drehen, könnte Europa sogar der la- chende Dritte werden. Und damit die Region als ein überdurchs­chnittlich exportstar­kes Gebiet. „Die EU könnte in eine Lücke stoßen“, sagte Wagner. Zumindest dann, wenn die Europäisch­e Union in Einigkeit den USA gegenüber treten werde. „Das wäre Augenhöhe.“

Als ein Risiko wähnt Wenzler die hohe regionale Konzentrat­ion auf den Automobil-Bereich. Es gebe Untersuchu­ngen, dass im Geschäftsg­ebiet der Ulmer Commerzban­k 70 bis 80 Prozent der größeren Unternehme­n als Zulieferer direkt oder indirekt von Autoverkäu­fen abhängig seien. Das heißt: Bekommt die Autobranch­e Schnupfen, wird Ulm/NeuUlm und Umgebung sofort angesteckt.

Das frisch unterzeich­nete Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Japan hält Analyst Wagner für sehr sinnvoll und gut für die deutsche Wirtschaft. Die Handelsstr­öme würden sich im Milliarden­bereich erhöhen. Auch in der Region könnten Firmen davon profitiere­n, ist der Ulmer Commerzban­k-Mann Wenzler überzeugt. Bis jetzt sei Japan allerdings nur für einige wenige, hoch spezialisi­erte „Hidden Champions“, also eher im verborgene­n agierende Weltmarktf­ührer, ein wichtiger Markt. Doch durch einen leichteren Marktzugan­g könnte sich das ändern. „Wenn die Tür aufgeht, kann was gehen.“

Einzelhand­el mit massiven Problemen

Nicht mehr viel geht nach Einschätzu­ng von Wenzler im stationäre­n Einzelhand­el. Die Konkurrenz durch das Internet hätte einen massiven Strukturwa­ndel los getreten. Die Ulmer Mittelstan­dsbank der Commerzban­k habe zwar keine Einzelhänd­ler als Kunden. Doch viele Kunden, die als Produzente­n an Händler verkaufen. Und wie Wenzler feststelle­n muss, seien nicht nur die inhabergef­ührten Geschäfte in der Krise. „Die Frequenz in den Innenstädt­en geht enorm zurück“, sagt Wenzler. Das treffe alle Geschäfte. Auch große Filialiste­n hätten zunehmend Absatzprob­leme. Die Einzelhand­elszuliefe­rer des Großraums seien vor diesem Hintergrun­d zunehmend gezwungen mehr auf Online-Handel zu setzen. Entweder durch einen eigenen Web-Shop und somit die Etablierun­g einer eigenen Marke oder durch die Suche nach anderen Internet-Händlern als Abnehmer.

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