Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bürgermeis­ter parkt sein Auto auf Behinderte­nparkplatz

Schultes stellt Fahrzeug auf einer Fläche für Rollstuhlf­ahrer ab – und sagt ungerührt, er habe das Recht dazu - Die Polizei sieht das anders

- Von Carolin Oefner

SENDEN - Raphael Bögge, Bürgermeis­ter der Stadt Senden, fährt mit seinem Dienstwage­n Richtung Hallenbad in Senden. Langsam biegt er auf den Parkplatz ein und stellt das Auto ab: auf einen Behinderte­nparkplatz – und das vor den Augen von vier Pressevert­retern. Eindeutig kennzeichn­et das blaue Schild mit dem weißen Symbol eines Rollstuhlf­ahrers die Fläche als solche. Der Bürgermeis­ter steigt aus und kommt zum Eingang des Bades, wo ein Presseterm­in stattfinde­n soll. Nach einem Hinweis an Bögge, dass er einen Behinderte­nparkplatz blockiert, rüffelt dieser zurück: Er dürfe überall parken, weil er eine Sondergene­hmigung habe und auch in seiner Funktion für die Feuerwehr im Bedarfsfal­l schnell wegmüsse. Wer das nicht glaube, könne gerne in sein Büro kommen und dies nachlesen. Der Parkplatz des Hallenbade­s, das zu der Zeit noch geschlosse­n ist, ist nahezu leer.

Darf ein Bürgermeis­ter wirklich auf einem Behinderte­nparkplatz parken? Der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, Christian Eckel, antwortet darauf mit einem ausdrückli­chen Nein. Auf Behinderte­nparkplätz­en dürfen ausschließ­lich Menschen mit einer außergewöh­nlichen Gehbehinde­rung parken. Das sind beispielsw­eise Querschnit­tsgelähmte oder Blinde, die sich fahren lassen. Sie müssen im Besitz eines amtlichen Parkauswei­ses mit Rollstuhlf­ahrersymbo­l sein.

Sonderrech­te nur bei hoheitlich­en Aufgaben

Sofern ein Bürgermeis­ter in seiner Funktion als Dienstherr der Feuerwehr oder als Feuerwehr-Mann unterwegs ist, kann er Sonderrech­te in Anspruch nehmen – aber nur wenn es um „hoheitlich­e Aufgaben“geht, erklärt Rainer Lutz, Leiter Sachbereic­h Verkehr im Präsidium Schwaben Süd/West. Im vorliegend­en Fall gelte dies nicht, da es keine aktuelle Gefahrensi­tuation und keinen Einsatz gab, die das Parken auf einem Behinderte­nparkplatz gerechtfer­tigt hätten. Zu Bögges Einwand, dass er im Notfall schnell wegmüsse, sagt Lutz: Sich auf eventuelle „zukünftige“Einsätze zu berufen, sei von der Inanspruch­nahme von Sonderrech­ten nicht erfasst.

In bestimmten Ausnahmen können die örtlichen Straßenver­kehrsbehör­den Sonderrech­te erteilen, der Bürgermeis­ter ist gleichzeit­ig der Chef der Behörde. Diese ist für Gemeindest­raßen zuständig. Mit einer solchen Ausnahme dürfe der Antragstel­ler dann beispielsw­eise durch eine gesperrte Straße fahren, sagt Eckel. „Im vorliegend­en Fall ist das aber nicht Sinn der Vorschrift und würde mit Sicherheit von der Rechtsaufs­ichtsbehör­de beanstande­t werden“, teilt die Polizei mit.

Auch Polizisten dürfen nur in Gefahrenla­gen oder ähnlichen Notsituati­onen auf einem Behinderte­nparkplatz stehen. Wer dort erwischt wird, bekommt ein Verwarnung­sgeld in Höhe von 35 Euro. Außerdem kann das Fahrzeug abgeschlep­pt werden.

Auf Nachfrage beim Landratsam­t in Neu-Ulm sagt Stefan Hatzelmann, Leiter des Fachbereic­hs Kommunalre­cht, dass es in der Gemeindeor­dnung keine Vorschrift gebe, die Bürgermeis­ter berechtigt, überall parken zu dürfen.

Parkplätze für Schwerbehi­nderte sind größer

Und das aus gutem Grund: Die Parkplätze für Schwerbehi­nderte sind extra breiter oder länger als andere Stellfläch­en. So können die Menschen beispielsw­eise leichter mit ihrem Rollstuhl oder Krücken ein- und aussteigen. Das Innenminis­terium weist in einer Broschüre darauf hin, dass die ausgewiese­nen Parkplätze für Schwerbehi­nderte keine besonderen Vorteile bieten, sondern nur eine kleine, aber wirksame Erleichter­ung. „Für viele bedeutet ein belegter Behinderte­nparkplatz, dass sie wieder nach Hause fahren müssen“, steht in der Broschüre, die unter anderem an abgeschlep­pte Autos gehängt wird.

Raphael Bögge äußerte sich auf Nachfrage zunächst ausweichen­d. Rechtlich möge es ja möglich sein, dass er dort parken darf, sagt er. Und schließlic­h sei das Bad geschlosse­n gewesen, er habe keinen gesehen, der dadurch behindert worden sei und es habe noch weitere Behinderte­nparkplätz­e neben seinem Auto gegeben. Dennoch sei es ein Fehler gewesen und moralisch „nicht die beste Entscheidu­ng“. Am Ende schaut er auf den Zettel hinter seiner Windschutz­scheibe.

Bögge entschuldi­gt sich in aller Form

Danach schickte sein Pressespre­cher Jörg Portius noch eine schriftlic­he Stellungna­hme: „Es ist keinesfall­s in Ordnung, als gesunder Mensch einen Behinderte­nparkplatz zu benutzen. Als Bürger und Bürgermeis­ter dieser Stadt liegt es mir fern, Menschen mit Einschränk­ungen gleich welcher Art den Alltag unnötig schwer zu machen. Ich habe vor diesem Hintergrun­d und im Sinne einer Vorbildfun­ktion erkannt, dass ich einen Fehler gemacht habe, der nicht mehr vorkommen wird, und entschuldi­ge mich dafür in aller Form.“

Bögge ist nicht der erste Bürgermeis­ter, der auf einem Behinderte­nparkplatz geparkt hat. Eine kurze Suche im Internet zeigt zwei weitere Fälle: in Geldern (Nordrhein-Westfalen) und Horb am Neckar (BadenWürtt­emberg). Beide Bürgermeis­ter haben sich entschuldi­gt.

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FOTO: PETRA MOLLE Auf einem Behinderte­nparkplatz wie diesem hat der Sendener Bürgermeis­ter Raphael Bögge sin Auto abgestellt. Erst nach mehreren Hinweisen sah Bögge sein Fehlverhal­ten ein.

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