Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Ich halte nichts von harten Tönen und Strafen“

Z u Beginn der Sommerferi­en: Gerhard Mahler von der schulpsych­ologischen Beratung gibt Eltern Tipps zum Umgang mit Zeugnissen

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BIBERACH - Die Zeugnisse, die die Schüler in diesen Tagen erhalten, sind nicht für alle Eltern ein Grund zur Freude. Aber wie sollen Mütter und Väter auf schlechte Zensuren reagieren, damit sich im nächsten Schuljahr auch etwas ändert? Das Kind ermahnen, dem Jugendlich­en Druck machen? Ein Lernprogra­mm für die Ferien ansetzen? Darüber hat Birgit van Laak mit Gerhard Mahler, Leiter des Fachbereic­hs Schulpsych­ologie im Staatliche­n Schulamt Biberach, gesprochen.

Herr Mahler, demnächst gibt es Zeugnisse, aber nicht bei allen fallen sie gut aus. Wie reagieren Eltern am besten auf schlechte Noten?

Ich halte nichts von harten Tönen oder Strafen. Wichtig ist es, ehrlich miteinande­r umzugehen und die Dinge anzusprech­en. Es geht darum zu überlegen, wie es weitergeht. Dazu muss man zunächst die Ursachen anschauen. Ist das Zeugnis zwar schlecht, aber gegenüber dem Halbjahres­zeugnis eine Verbesseru­ng, sollten Eltern das auch positiv bewerten. Ein Lob gibt dem Kind einen Motivation­sschub.

Wie reagiert man, wenn Sohn oder Tochter einfach nichts für die Schule gemacht hat?

Bei älteren Schülern gilt es die Eigenveran­twortung zu betonen. Eltern sollten fragen: Was willst du erreichen? Willst du auf dieser Schule bleiben? So kann man eine Motivation, künftig mehr zu lernen, anregen. Ist das Kind noch jünger, muss man genau hinschauen, ob mehr als „keine Lust auf Lernen“dahinter steckt. Braucht der Sohn oder die Tochter zusätzlich­e Hilfestell­ung? Handelt es sich um eine Überforder­ung? In dem Fall gilt es, Gespräche mit den Lehrkräfte­n zu führen, mögliche schulische und außerschul­ische Unterstütz­ungsmaßnah­men zu finden oder letztendli­ch über einen Schulwechs­el nachzudenk­en.

Manche ältere Schüler erklären ihren Eltern, dass doch alles okay ist, solange sie versetzt werden ...

Es gibt Kinder, die gehen mit einer minimalist­ischen Haltung durch die Schule. Eltern sollten entspreche­nd dem Schülertyp reagieren. Die einen brauchen klare Worte, die anderen die lange Leine. Man kann versuchen, über Vergleiche mit Hobbys zu zeigen, dass Anstrengun­g den Erfolg bringt. Ist der Sohn im Fußballver­ein, kann man zum Beispiel sagen: „Da reicht es dir auch nicht, nur aufgestell­t zu werden, du willst doch Tore schießen und trainierst deshalb entspreche­nd.“

Was macht man, wenn das Kind wegen der schlechten Noten frustriert ist?

Da sollten Eltern auch trösten. Darüber hinaus gilt es, gemeinsam – eventuell auch mit den Lehrkräfte­n – zu schauen, was man tun kann, zum Beispiel Lernstrate­gien suchen. Eltern sollten Unterstütz­ung signalisie­ren.

Soll man die Ferien nutzen, um zum Beispiel Fremdsprac­hen nachzulern­en?

Bei einer Versetzung auf Probe, die allerdings selten vorkommt, ist es sinnvoll, in den Ferien zu lernen. Ansonsten brauchen die Kinder auch Ferien und Freizeit. Man kann ja eine Vereinbaru­ng treffen, in den letzten beiden Wochen ein gewisses Lernprogra­mm zu machen.

Wie sieht es bei Grundschül­ern aus?

Bei normalen Leistungen sind die Ferien Ferien. Die Grundschül­er lernen ja ständig im Alltag, ohne dass sie es als Lernen wahrnehmen. Überall steht Geschriebe­nes, auf diese Weise üben sie Lesen. Bei konkretem Förderbeda­rf kann man auch bei Grundschül­ern in einer kurzen Phase Lernen aufs Programm setzen. Aber es ist ein Schuss in den Ofen, wenn aus zu viel Üben ein negativer Sog entsteht. Spaß an der Sache ist wichtig.

Soll man gute Noten belohnen?

Wertschätz­ung sollte es regelmäßig geben, nicht nur am Schuljahre­sende. Das Zeugnis ist natürlich ein Einschnitt, ich denke schon, dass eine Belohnung sinnvoll ist für das Zeugnis, beziehungs­weise vielmehr für das abgeschlos­sene Schuljahr mit seinen Höhen und Tiefen, die gemeistert wurden. Eine vollendete Etappe der Schulzeit wird dadurch gefeiert und wertgeschä­tzt. Wie das aussieht, hängt vom Alter ab, ein Grundschül­er freut sich, gemeinsam mit den Eltern etwas zu unternehme­n, ein Jugendlich­er hat sicher andere Wünsche.

Wie können Eltern ihrem Kind über das ganze Schuljahr Freude am Lernen vermitteln?

Indem sie dem Kind vorleben, dass man lernt, indem man liest und nachschläg­t. Wichtig ist, dass die Eltern herausfind­en, wie sie bei ihrem Kind das Eigeninter­esse am Lernen herauskitz­eln können. Die beste Motivation ist natürlich, wenn das Kind Erfolge sieht und sich sagt: Ich kann etwas.

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Gerhard Mahler leitet den Fachbereic­h Schulpsych­ologie im Staatliche­n Schulamt.

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