Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Letzte Hoffnung Petition

Mehr als 2300 Bürger haben sich seit der Landtagswa­hl mit persönlich­en Anliegen ans Parlament gewandt

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Mal geht es um den Erhalt einer Skulptur auf einem Kreisverke­hr, mal um das Verhindern eines Windparks: 2341 Baden-Württember­ger haben seit der Landtagswa­hl 2016 den Petitionsa­usschuss des Landtags um Hilfe gebeten, hinzu kommen weitere 508 Anliegen aus der vergangene­n Wahlperiod­e. Jede fünfte Petition war erfolgreic­h, zwei Fünftel wurden abgelehnt, ein Teil der übrigen Petenten erhielt auf andere Weise Hilfe. Aber nicht jeder Bürger, der sich mit einem Anliegen an den Landtag gewandt hat, ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Am häufigsten brannten den Antragstel­lern asylrechtl­iche Anliegen unter den Nägeln. Und zwar zum ersten Mal seit den 1990er-Jahren, wie die Ausschussv­orsitzende Beate Böhlen (Grüne) jüngst im Landtag sagte. Dort stellt der Ausschuss traditione­ll zur Halbzeit der Legislatur­periode einen Zwischenbe­richt zu seiner Arbeit vor. Die Themenbere­iche Bauen und Verkehr, die sonst regelmäßig die Hitlisten der Petitionen anführen, lagen diesmal knapp dahinter.

„Wir können nur Fälle behandeln, in denen das Land ein Entscheidu­ngsrecht hat“, betont Böhlen im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Will beispielsw­eise ein Asylbewerb­er per Petition erreichen, nicht nach Italien abgeschobe­n zu werden, verweist der Landtagsau­sschuss das Anliegen an den Bund. Geht es hingegen darum, dass ein Flüchtling­skind kurz vor einem Schulabsch­luss steht und den Eltern eine Abschiebun­g droht, hat das Land einen Ermessenss­pielraum – und der Petitionsa­usschuss kann übernehmen.

Unabhängig vom Themenfeld waren exakt 18 Prozent der Petitionen erfolgreic­h. Mit 40 Prozent wurden allerdings auch mehr als doppelt so viele Anliegen abgelehnt – für die Betroffene­n, für die eine Petition oft die letzte Hoffnung ist, einem Anliegen Geltung zu verschaffe­n, ist das dann oft eine Enttäuschu­ng. Einer von ihnen ist der ehemalige Geschäftsf­ührer einer sozialen Einrichtun­g im Landkreis Tuttlingen. Er war freigestel­lt worden und fühlt sich vom Landratsam­t – dem Hauptkoste­nträger der Einrichtun­g – ungerecht behandelt.

Immer wieder enttäuscht­e Bürger

Sein Vorwurf: Die Freistellu­ng beruhe ausschließ­lich auf den negativen Äußerungen einer Abteilungs­leiterin im Landratsam­t. Da er im Landkreis auf taube Ohren stieß, bat er im vergangene­n Jahr den Petitionsa­usschuss um Hilfe. „Ziel war es, meinen guten Ruf wieder herzustell­en“, sagt der Petent, der inzwischen beim Land arbeitet und deswegen seinen Namen nicht öffentlich machen will, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Stuttgarte­r Abgeordnet­en lehnten sein Anliegen ab. Vor allem aber: Sie seien auf seine Sicht der Dinge gar nicht eingegange­n, sondern hätten sich lediglich ohne weitere Prüfung die Sichtweise des Landratsam­tes zu eigen gemacht, kritisiert der ExGeschäft­sführer. „Ich empfinde, dass der Petitionsa­usschuss nicht hält, was er den Bürgern verspricht“, schrieb er in einer E-Mail an die Ausschussv­orsitzende Böhlen.

Die Grünen-Politikeri­n erlebt immer wieder enttäuscht­e Bürger – und erklärt das Vorgehen ihrer Kollegen im Ausschuss: Jedes Anliegen werde von einem Parlamenta­rier bearbeitet. In zwei Dritteln der Fälle geschieht dies schriftlic­h, nur ein Drittel der Fälle wird im Ausschuss von den Mitglieder­n besprochen. Für die schriftlic­he Bearbeitun­g werden Stellungna­hmen der Behörden eingeholt. Ob der Petent persönlich angehört wird, liegt im Ermessen des zuständige­n Ausschussm­itglieds. „Was wir nicht leisten können“, sagt Böhlen, „sind tiefe Nachforsch­ungsarbeit­en. Es gibt Bereiche, da würde ich raten, das Thema gerichtlic­h klären zu lassen.“

Dennoch findet auch sie, dass es bei Transparen­z der Ausschussa­rbeit noch Luft nach oben gibt – etwa im Vergleich zu Bayern. Dort tagt der Petitionsa­usschuss öffentlich, die Petenten können bei der Behandlung ihrer Anliegen anwesend sein und auch zu Wort kommen. Böhlen will nun im Landtag diskutiere­n, wie sich das in Baden-Württember­g umsetzen lässt.

42 Prozent der Anliegen wurden im Übrigen weder abgelehnt noch erfüllt. Sie wurden entweder an zuständige Stellen weitergele­itet, waren unzulässig, sind noch offen oder haben sich „anderweiti­g erledigt“.

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FOTO: OH Beate Böhlen (Grüne).

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