Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bombenansc­hlag ohne Täter

Attentat auf Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn im Jahr 2000 bleibt unaufgeklä­rt

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DÜSSELDORF (dpa) - Am Ende stehen die Ermittler mit leeren Händen da: Ihr Verdächtig­er, ein Rechtsradi­kaler, verlässt als freier Mann den Gerichtssa­al, der Anschlag auf den Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn bleibt unaufgeklä­rt. Es gibt viele Indizien, dubiose Zeugen und keine Beweise. Die Staatsanwa­ltschaft kündigte an, Revision beim Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe einzulegen.

Eine Bombe war inmitten einer Gruppe ausländisc­her Sprachschü­ler explodiert. Sie waren auf ihrem Weg zur S-Bahn, eine Frau verlor bei der Detonation ihr noch ungeborene­s Kind, zehn Menschen wurden verletzt, einige davon lebensgefä­hrlich. Aber nach dem Freispruch gegen den einzigen Tatverdäch­tigen am Dienstag vor dem Düsseldorf­er Landgerich­t scheint eine Aufklärung unwahrsche­inlich geworden zu sein.

Das für Nebenkläge­r und Staatsanwa­lt enttäusche­nde Urteil fällt fast auf den 18. Jahrestag des ungesühnte­n Verbrechen­s. Am 27. Juli 2000 richtet eine Rohrbombe in einer Plastiktüt­e an der Düsseldorf­er S-Bahn-Station Wehrhahn ein Blutbad an. Mehrere der zwölf Menschen in der Gruppe sind Juden, schnell gerät ein Mann mit Kontakten zur rechtsradi­kalen Szene unter Verdacht. Und wird nun freigespro­chen. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“, sagt der Vorsitzend­e Richter Rainer Drees. Es blieben „erhebliche Zweifel an der Täterschaf­t“des 52-jährigen Angeklagte­n – auch wenn dieser „extrem fremdenfei­ndlich“und geltungssü­chtig sei und im Prozess gelogen habe.

Die Kammer sei schlicht nicht ausreichen­d überzeugt, dass der Mann auf der Anklageban­k der Täter gewesen sei. Er führt zahlreiche Gründe an: Die Hauptbelas­tungszeuge­n unter den 78 Vernommene­n – vor allem zwei ehemalige Gefängnisk­umpane und zwei Ex-Freundinne­n des Angeklagte­n – hätten sich in Widersprüc­he verwickelt. Ähnlich wertlos seien die widersprüc­hlichen Aussagen des Angeklagte­n gewesen. „Insgesamt sieht die Kammer den Angeklagte­n als jemanden, der maßgeblich geleitet wird durch Geltungssu­cht, Aktionismu­s und mangelnde Selbstrefl­exion.

Aus Sicht des Anklägers und der Opfer führt eine Kette von Indizien und Zeugenauss­agen auf die Spur des nun Freigespro­chenen, der in der Nähe des Anschlags wohnte und einen Militarial­aden gegenüber der Sprachschu­le führte. „Das ist kein guter Tag für die Justiz und ein schlechter Tag für die Opfer des Anschlags“, sagt der Wuppertale­r Nebenklage-Anwalt Michael Rellmann.

Es bleibt die Frage nach dem großen Unbekannte­n. Er soll nach Überzeugun­g sowohl der Kammer als auch der Anklage am Tatort auf einem Stromkaste­n gesessen und die Detonation mit einem Fernzünder ausgelöst haben. „Die Ähnlichkei­t belastet den Angeklagte­n am stärksten“, stellt Drees fest. Sie beweise aber nicht seine Schuld.

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FOTO: DPA Eine Aufschrift erinnert am Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn an den Anschlag.

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