Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Sommertour für die Rettung der SPD
Andrea Nahles kämpft gegen ihr Image – und für den Umschwung in der Partei
FÜRTH/BAMBERG - 100 Tage ist SPDChefin Andrea Nahles im Amt. Zum kleinen Jubiläum wird bei einer Reise durch die bayerische Diaspora klar: Sie entrümpelt die Partei, eckt an, aber bergauf geht es bislang nicht. Und Nahles bekämpft ein großes Imageproblem.
Plötzlich stehen da acht Kisten Bier auf der Wiese, für Andrea Nahles übereinandergestapelt. 155 Flaschen Rotbier, aufgewärmt in der Julihitze. Eine Flasche Bier pro Jahr SPD – Aufmunterung für ihre Rettungsmission. Es ist ein Geschenk des Unterbezirks Bamberg an die SPD-Chefin. Das Bier wird im Bus verstaut, weiter geht's auf der Sommerreise durch Bayern. Nach zwei Wochen Urlaub in Sardinien ist sie zurück in der politischen Realität.
Seit die 48-Jährige SPD-Vorsitzende ist, muss sie in ihrer Partei gegen den Vorwurf der Abgehobenheit ankämpfen, in der Öffentlichkeit gegen das Bild der „Bätschi“-Nahles, die ihren politischen Gegnern eins „in die Fresse“geben will. Image-Politur: Auch dazu dient ihre Reise.
Ausgeruht, aufgeräumt und mit sich selbst im Reinen, so wirkt Nahles auf ihrer Sommertour. Immer wieder bricht sie in ein schallendes, nahezu derbes Lachen aus, ganz anders noch als Wochen zuvor, als die Regierung wegen des Asylstreites von CSU und CDU vor dem Kollaps stand. Ob der Asylstreit nicht schon bald wieder hochkochen werde und die eigentlichen Vorhaben der Regierung überdecke, wird sie gefragt. „Ich hoffe auf die Vernunft aller Beteiligten“, sagt sie. „Und jetzt trinke ich ein Bier.“
Nahles, die Entspannte. Doch könnte es damit schon bald vorüber sein, wenn das Kabinett wieder tagt und das politische Berlin zu seiner Betriebstemperatur zurückkehrt. Und im September beginnt die heiße Phase in den Wahlkämpfen für Bayern (14. Oktober) und Hessen (28. Oktober). In Bayern stellen sich die Genossen auf ein verheerendes Ergebnis ein. In Hessen soll es reichen, um als Juniorpartner in eine Große Koalition einzutreten – nach 19 Jahren Opposition. In beiden Ländern gibt es für die SPD besondere Lagen, und dennoch: Für Parteichefin Nahles werden es die ersten Stimmungstests, nachdem sie im April als erste Frau den SPDVorsitz erobert hatte.
Mitte-Kurs statt klar nach links
Nahles weiß selbst: Die Ergebnisse werden auch ihre Ergebnisse. Sie hat nicht viel Zeit. Sie will einen MitteKurs, statt klar nach links, wie viele Freunde der „reinen Lehre“es in der SPD gerne hätten. Denn der Zeitgeist ist gerade nicht links. „Wir brauchen mehr Speed“, sagt sie zur Integration der Flüchtlinge – aber sie will auch mehr Tempo beim Umkrempeln der SPD. Immerhin ist die Partei viel geschlossener als noch vor Monaten, hält dicht, wirkt seriöser. Doch die versprochene Erneuerung der Partei ist bisher eine Hülse, Nahles’ politische Bilanz noch bescheiden; ein Umschwung nicht in Sicht. Und der SPD fehlen spannende neue Köpfe.
In ihrem Vorsitzendenbüro ließ Nahles eine Bücherwand rausreißen, um Platz für eine moderne Multimediawand für Präsentationen zu schaffen. Von 54 Kommissionen und Gesprächskreisen lässt sie zwölf abschaffen – darunter die noch von Willy Brandt ins Leben gerufene Historische Kommission, die in den letzten Jahren kaum Ergebnisse produziert hat.
Noch hat Nahles eine Gnadenfrist. Aber Schöntrinken, das weiß sie, lässt sich die Lage auch nicht mit 155 Flaschen Rotbier.