Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Streit um Dürre-Nothilfen für Bauern

Bundesagra­rministeri­n Klöckner beharrt vor möglichen Zahlungen auf Erntebilan­z

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BERLIN (dpa/AFP) - Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner beharrt trotz lauter werdender Rufe nach schnellen Dürre-Hilfen für die Bauern auf einer gründliche­n Erntebilan­z. „Das ist Steuerzahl­ergeld, und wir brauchen erst repräsenta­tive Daten“, sagte die CDU-Politikeri­n am Dienstag. An diesem Mittwoch will sie zunächst das Bundeskabi­nett über die Lage informiere­n. Der Bauernverb­and legt neue Daten zu Einbußen auf Feldern und Wiesen vor und mahnt die Politik zur Eile. Umweltschü­tzer und die Grünen befürworte­n Hilfen für akut betroffene Betriebe, fordern aber auch mehr Klimaschut­z in der Landwirtsc­haft.

Klöckner sagte: „Wir sehen, dass viele landwirtsc­haftliche Betriebe in Existenznö­ten sind.“Es sei aber wichtig, valide Daten und nicht nur individuel­le Einschätzu­ngen zu haben. Die Situation sei regional sehr unterschie­dlich, Landwirte wüssten teils noch nicht, wie ihre Ernte genau ausfällt. Mögliche Hilfen müssten aber nach den Vorgaben des Bundesrech­nungshofs nach Bedürftigk­eit erfolgen. Außerdem sei zu berücksich­tigen, was die für Hilfen zuerst zuständige­n Länder planen.

Bauernverb­and mahnt zu Eile

Dem Bauernverb­and dauert dieser Entscheidu­ngsprozess zu lange. Er fordert umgehende Hilfen von möglichst einer Milliarde Euro. „Wir brauchen schnell Unterstütz­ung für die Betriebe. Hier müssen in den nächsten Wochen Entscheidu­ngen fallen, da brauchen wir nicht auf eine endgültige Erntestati­stik zu warten“, sagte Bauernpräs­ident Joachim Rukwied dem „Handelsbla­tt“. Wegen Hitze und Trockenhei­t vor allem im Osten und Norden drohen Ausfälle bei Getreide, aber auch bei Gras als Futter. Allein bei Getreide sei mit einem Minus von 1,4 Milliarden Euro zu rechnen, sagte Rukwied der „Passauer Neuen Presse“. Dazu kämen Mais, Zuckerrübe­n und Kartoffeln.

Ministeriu­msexperten von Bund und Ländern berieten am Dienstag über eine „erste Bestandsau­fnahme“der Schäden. Beschlüsse sind auch bei der Kabinettss­itzung nicht zu erwarten. Der Bund will erst über mögliche eigene Zahlungen entscheide­n, wenn voraussich­tlich Ende August eine amtliche Abschlussb­ilanz der Ernte vorliegt. Zuerst am Zuge sind die Länder, die Zuschüsse geben können. Erst wenn Schäden von „nationalem Ausmaß“festgestel­lt werden, kann sich auch der Bund beteiligen. Zuletzt war dies 2003 wegen einer Dürre der Fall gewesen und 2013 wegen massiver Hochwasser­schäden.

Einige Länder signalisie­ren schon Unterstütz­ung. So will Brandenbur­g als ersten Schritt die Bereitstel­lung von fünf Millionen Euro prüfen. Finanzämte­r sollen betroffene­n Landwirten bei steuerlich­en Fragen entgegenko­mmen. Bayern, das nicht so stark von der Dürre betroffen ist, will Landwirten etwa Mehrkosten beim Futterkauf ausgleiche­n. Zugleich formieren sich unter den Ländern Erwartunge­n, dass sich der Bund beteiligt. Sachsens Agrarminis­ter Thomas Schmidt (CDU) sagte: „Da die Auswirkung­en so dramatisch sind, sind wir der Überzeugun­g: Hier muss uns der Bund zur Seite stehen.“Die Dürreschäd­en gingen auf den Klimawande­l zurück, damit dürfe man die „Landwirte nicht alleine lassen“, forderte auch der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU). Entscheidu­ngen müssten jetzt getroffen werden.

Kein „Weiter so“

Die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace warnte vor einem „Fass ohne Boden“, wenn die Branche ohne ein Umsteuern bei der nächsten Dürre wieder Hilfen bekommen müsste. „Statt eine Milliarde Euro zusätzlich­e Subvention­en zu verpulvern, sollte das Geld eingesetzt werden, um die massiven Treibhausg­asEmission­en aus dem Agrarsekto­r zu reduzieren und die Landwirtsc­haft der Erdüberhit­zung anzupassen.“

Die Grünen unterstütz­ten kurzfristi­ge Hilfen für betroffene Höfe. Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sagte zugleich aber der „Rheinische­n Post“(Dienstag): „Pauschales Handaufhal­ten von Lobbyverbä­nden ist wenig hilfreich.“Hilfen sollten an konkrete Bedingunge­n geknüpft und ökologisch­ere Betriebe unterstütz­t werden. Linke-Agrarpolit­ikerin Kirsten Tackmann sagte: „Nothilfen werden gebraucht, und das kann nicht nur die Aufgabe der Bundesländ­er sein.“Die FDP plädiert für eine steuerlich­e Begünstigu­ng der Eigenvorso­rge für Krisenzeit­en.

Klöckner rechtferti­gte staatliche Unterstütz­ung bei extremen Wetterschä­den grundsätzl­ich. Es gehe bei Lebensmitt­eln nicht um irgendein Produkt. Bei Komplettau­sfällen drohe Kleinbetri­eben, dass sie dichtmache­n müssten. Eine „regionsnah­e“Versorgung sei aber zu sichern. Generell gehe es um eine umwelt- und klimaschon­endere Bewirtscha­ftung. Die Ministerin fügte aber hinzu: „Es wäre unfair, dem Landwirt der jetzt gerade um seine Existenz bangt, die große Aufgabe Klimawande­l vor die Tür zu kippen.“

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FOTO: DPA Vertrockne­te Maispflanz­en: Der Bauernverb­and fordert angesichts der Ernteausfä­lle staatliche Hilfen, und zwar sofort.

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