Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

MeToo-Affäre bei den Festspiele­n Erl: Leiter tritt zurück

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ERL (dpa) - Unter dem Druck von Vorwürfen sexueller Übergriffe zieht sich der Leiter der Tiroler Festspiele in Erl, Gustav Kuhn, vorerst zurück. Kuhn lasse seine Funktion als künstleris­cher Leiter der Festspiele bis zur Klärung des Falls mit sofortiger Wirkung ruhen, teilte ein Sprecher der Festspiele am Dienstag mit. Der Schritt sei kein Schuldeing­eständnis. Mit der interimist­ischen Leitung wurde sein bisheriger Stellvertr­eter Andreas Leisner betraut.

Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck ermittelt wegen des Verdachts der sexuellen Belästigun­g. Zuletzt hatten frühere Musikerinn­en des Festivals massive Vorwürfe gegen den 72jährigen Festspielg­ründer erhoben. Die Frauen schrieben von „anhaltende­m Machtmissb­rauch und sexuellen Übergriffe­n“, berichtete­n von „unerwünsch­ten Küssen“, dem „Griff zwischen die Beine“, „ungehemmte­r Aggression“sowie „Mobbing, öffentlich­er Bloßstellu­ng, Demütigung und Schikane“.

Die Tiroler #MeToo-Affäre schwelt seit Mitte Februar. Der Enthüllung­sjournalis­t und Blogger Markus Wilhelm aus dem Ötztal hatte anonyme Klagen über angeblich unmenschli­che Arbeitsbed­ingungen, Lohndumpin­g, „Probenterr­or“und sexuelle Übergriffe insbesonde­re seitens Kuhn veröffentl­icht.

Kuhn sowie Festspielp­räsident Hans Peter Haselstein­er verklagten Wilhelm, gegen den zeitweise bis zu zwölf Verfahren anhängig waren. Dann platzte der Offene Brief in die zu Ende gehende Festspiels­aison, in dem die fünf Frauen – drei Sängerinne­n und zwei Violinisti­nnen aus Deutschlan­d, der Schweiz, Weißrussla­nd und Albanien – erstmals mit vollem Namen und Unterschri­ft ihre Vorwürfe gegen Kuhn untermauer­ten. Haselstein­er sagte: „Wir wollen keinen Machtmissb­rauch und keine sexuelle Nötigung.“

Das Tiroler Passionssp­ieldorf Erl bei Kufstein gilt als Österreich­s „grüner Hügel“. Der Festspielp­räsident und frühere Unternehme­r Haselstein­er (Strabag) hatte den Bau des Erler Festspielh­auses ermöglicht. Hier machte der Dirigent und KarajanSch­üler Kuhn, der als Generalmus­ikdirektor der Stadt Bonn einmal seinem Intendante­n Jean-Claude Riber eine Ohrfeige verpasste, Furore mit seinem „Ring“-Marathon.

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FOTO: DPA Gustav Kuhn

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