Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Deutsch, berlinerisch, jüdisch
Neue Dauerausstellung im „Centrum Judaicum“in Berlin
BERLIN (KNA) - „Scheibchenweise haben wir das Haus auseinandergenommen und wieder zusammengefügt.“Mit diesen Worten bringt die Kuratorin Chana Schütz das Konzept der neuen Dauerausstellung in der Berliner „Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum“sinnbildlich auf den Punkt. Nach achtmonatigem Umbau steht die neue Schau jetzt wieder den Besuchern offen.
Die Exponate im bedeutendsten Bau des Berliner Judentums sind zwar weitgehend dieselben wie in der früheren Ausstellung, dennoch ist bereits auf den ersten Blick alles anders. „Wir haben das Gebäude zum wichtigsten Objekt erklärt“, betont Direktorin Anja Siegemund, die vor drei Jahren von Jerusalem nach Berlin wechselte und damit „den Blick von außen“mitbrachte.
Im Eingangsbereich stößt der Besucher zunächst auf eine langgestreckte Vitrine mit den originalen Buchstaben des Bibelzitats „Tuet auf die Pforten“, die einst die Fassade der Synagoge in der Oranienburger Straße schmückten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren diese zwar aus den Trümmern gerettet, doch durch goldene Buchstaben ersetzt worden. Dem Zitat getreu, das der Dauerausstellung ihren Titel gibt, verbindet sich die Neue Synagoge mit der Stadt. Diesem Selbstanspruch folgt die Gemeinde seit nun gut 150 Jahren. „Die Synagoge ist Symbol für das Selbstverständnis, deutsch, berlinerisch und jüdisch zu sein“, so die Direktorin.
Allerdings gab es bereits damals Zeitgenossen, denen diese Offenheit nicht ins Weltbild passte. Dies spiegelt eine groß auf ein Banner aufgezogene Postkarte des Gebäudes wider. Erst auf den zweiten Blick ist der handschriftliche Text zu erkennen: „Riechst Du Knoblauch?“. Auf der Rückseite des Banners finden sich unverhohlen rassistisch-antisemitische Zitate. Unter anderen stammen sie von dem Historiker Heinrich von Treitschke, der auf die „mächtige“Rolle der Juden anspielt, denen das schönste und prächtigste Gotteshaus Berlins gehöre. Bisher habe das Haus antisemitischen Stimmen bewusst keine Bühne gegeben, doch angesichts der aktuellen Entwicklungen sei dieser Kurswechsel wichtig und richtig, erklärt Chana Schütz.
Für die Gestaltung der Ausstellung wurde auch das renommierte und preisgekrönte Büro Duncan McCauley gewonnen. Die Architekten setzten durch geschickte Lichtführung und Sichtachsen auch die historische Architektur in Szene. Ein im Zentrum des Untergeschosses angeordnetes, mittig „zerschnittenes“Element verbindet die Räume miteinander. Nicht nur die Ausstellungsräume in Rotunde, Vestibül und ehemaliger Vorsynagoge, sondern auch das historische Treppenhaus und der zweite Stock sind nun Teil der Schau.
Sowohl architektonisch als auch inhaltlich wechselt die Ausstellung zwischen dem Fragment und dem Ganzen, der Historie und dem Jetzt. Dabei werden auch die Wunden gezeigt, die des Gebäudes sowie der Menschen. Und – anders als in der 1984 konzipierten Dauerausstellung – kommen moderne Medien zum Einsatz.
Bewegend und stimmungsvoll ist etwa der Originalmitschnitt der Synagogenchöre, die 1932 in der Synagoge für die Deutsche Wochenschau das Werk „Kol Nidre“aufnahmen. Der Besucher nimmt auf einer alten Bank Platz und sieht durch ein Glas die Schwarz-Weiß-Projektion der Sänger, während er ihre Stimmen hört.
Immer wieder erzählt die Ausstellung die Lebensgeschichten von Berliner Juden, gibt Menschen hinter der Statistik ein Gesicht. Ein Film etwa präsentiert Fotos von Abraham Pisarek. Als Ehemann einer „Arierin“konnte der Fotograf bis 1941 in Berlin arbeiten. So sind seine Fotos der Gemeinde ein seltenes Dokument aus dieser Zeit. „Das ist nicht Papier. Das ist unser Leben“– so der Filmtitel.