Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Dem Bürschchen entwachsen
Hasan Salihamidzic’ Bilanz nach einem Jahr als Sportdirektor beim FC Bayern München
MÜNCHEN (dpa/sz) - Um seinen Jahrestag als Sportdirektor des FC Bayern wollte Hasan Salihamidzic partout kein Aufheben machen. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, sagte er während der USA-Reise des Rekordmeisters, die seine ersten zwölf Monate als Sportchef in München abschloss. Damit war das Thema durch. Für ihn.
Am 31. Juli 2017 präsentierten die Münchner Bosse den langjährigen Bayern-Spieler überraschend als Nachfolger von Matthias Sammer. Dass er nur Plan C war nach den Absagen von Philipp Lahm und Max Eberl? Dass die Verpflichtung anfangs durchaus belächelt wurde in der Branche und eher als vermeintlicher Beleg dafür benutzt wurde, dass Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge weiter alle Fäden in der Hand halten wollten? Dass Salihamidzic bei seinen ersten öffentlichen Auftritten eher wie ein Sprechautomat wirkte?
Das alles scheint lange her. „Hasan macht das mit großem Fleiß, mit großem Engagement. Ich glaube, er hat das eine Jahr genutzt, sich gut beim FC Bayern einzuarbeiten. Wir sind alle zufrieden, wie er den Job interpretiert und auch macht“, sagte Rummenigge nun.
Drei Trainer in einem Jahr
Brazzo, Bürschchen, wie Salihamidzic einst genannt wurde, sagen nur noch ehemalige Mitspieler zu ihm. Salihamidzic ist dem Bürschchen entwachsen.
Das erste Jahr war kein einfaches für den Mann, der fünf Sprachen spricht, aber öffentlich nicht ständig reden will. In die ersten 100 Tage fiel gleich die Trennung von Trainer Carlo Ancelotti. Mit der Rückkehr von Triple-Legende Jupp Heynckes kehrte anschließend Ruhe ein, wovon auch Salihamidzic, der einstige Bürgerkriegsflüchtling, sehr profitierte.
Jetzt ist Niko Kovac da, bereits Coach Nummer 3 in der kurzen Amtszeit von Salihamidzic. „Ich bin sicher, dass wir eine sehr erfolgreiche Zeit zusammen haben“, sagte der Sportdirektor. Kovac konnten die Bayern dank einer Ausstiegsklausel bei Eintracht Frankfurt aus dem Vertrag kaufen. Salihamidzic und Kovac kennen sich gut. Von 2001 bis 2003 spielten sie gemeinsam für den FC Bayern.
„Damals waren wir Kumpels“, erinnert sich Salihamidzic. Die Verbindung riss nie ab. Und 15 Jahre später sind sie in München als sportlich verantwortliches Duo wieder vereint. Als Spieler holten sie gemeinsam Titel; den Weltpokal 2001 sowie Meisterschaft und Pokalsieg 2003.
Die Münchner Spielervergangenheit verhalf auch Salihamidzic zur zweiten Bayern-Karriere. Als Markenbotschafter begleitete er den Rekordmeister vor einem Jahr nach Asien. Dort kamen Rummenigge und Hoeneß auf die Idee, ihn zum Sportdirektor zu küren. Salihamidzic sagte spontan zu. Er gab ein Versprechen: „Ich werde 24 Stunden sieben Tage die Woche für die Spieler da sein.“
„Ich arbeite im Hintergrund“
Er kümmert sich aber nicht nur um die Profis. Die Aufgabengebiete reichen vom Betreuerstab über das Scouting bis hin zum Nachwuchs. Gerade da will der FC Bayern wieder erfolgreicher sein. Es sollen nicht nur teure Stars geholt werden, sondern auch wieder Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in die erste Mannschaft schaffen.
Auf der USA-Reise fehlte Salihamidzic anfangs, weil er nach Kanada geflogen war, um für mehr als zehn Millionen Euro den 17 Jahre alten Alphonso Davies zu verpflichten. „Wir sind stolz darauf, dass wir zum Zuge gekommen sind“, sagte Salihamidzic, als er mit Davies nach Philadelphia kam.
Als Ein-Mann-Show versteht er seinen Job nicht. Er versucht, sein Profil zu schärfen. Er grenzt sich inzwischen sogar mal ab von den Bossen, die ihn berufen haben. Als Rummenigge während der USA-Reise über mögliche Transfers sprach, etwa den von Jérôme Boateng zu Paris Saint-Germain, mochte Salihamidzic partout nichts zu dem Thema sagen. „Das ist mir egal“, sagte er, „ich rede darüber nicht. Ich arbeite im Hintergrund. Wenn etwas passiert, werde ich es bekannt geben.“