Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Telekom lässt Seniorin links liegen

Seit Mai ist die Telefonlei­tung einer Suppingeri­n tot. Der Telekom ist’s egal.

- Von Johannes Rauneker

SUPPINGEN - Funkstille herrscht seit dem 28. Mai in der Leitung der Suppingeri­n Maria Drews (85). Und obwohl die Telekom bereits mehrmals über den defekten Anschluss informiert worden ist, unternimmt sie nichts. Sie lässt ihre jahrzehnte­lange Kundin einfach sitzen. Die Frau, für die das Telefon der einzige Draht zu ihrer Familie und zur Außenwelt war, verliert zusehends ihren Lebensmut.

Wäre es nicht so traurig, könnte man über den Tipp fast lachen, den die Telekom vor einigen Wochen Maria Drews wegen ihres defekten Anschlusse­s gegeben hatte. Sie solle sich doch einfach ein Handy kaufen, ließ der Konzern ausrichten. Dann bräuchte die Seniorin ihren defekten Festnetzan­schluss ja gar nicht mehr.

Was die Telekom nicht im Hinterkopf zu haben scheint: Handyempfa­ng gibt es in dem Gebiet, in dem die mehrfache Mutter und Großmutter wohnt (im Süden Suppingens), so gut wie keinen.

Doch die Telekom setzte noch einen drauf, erklärt Sonja Mayer, die Tochter von Maria Drews, welche in Laichingen wohnt. Die Telekom habe an ihre Mutter ausrichten lassen: Sie könne auch einfach kündigen und sich einen neuen Festnetz-Anbieter suchen. Offenbar hat der Konzern eine Kundin wie Maria Drews einfach nicht (mehr) nötig. Mehr als 200 000 Mitarbeite­r erwirtscha­ften weltweit rund 75 Milliarden Euro Umsatz.

Lachen können Maria Drews und ihre Familie über die tote Leitung schon lange nicht mehr. Im Gegenteil. Zusehends vereinsame ihre Mutter, sagt Sonja Mayer. Und das schlage aufs Gemüt, auf die Gesundheit. „Meine Mutter kann nichts mehr essen und nachts nicht mehr schlafen“, sagt Mayer. Ihre Mutter leide wegen der Isolation auch unter Gürtelrose.

Auf gut Deutsch: Pech gehabt

Das Problem des Anschlusse­s von Maria Drews erscheint zunächst als technische­s. Vor rund zwei Monaten ging plötzlich nichts mehr, berichtet Sonja Mayer. Die Leitung ihrer Mutter war einfach tot. Ein Problem, das aber auch Nachbarn im selben Straßenzug wie Maria Drews beklagten.

Doch anders als die Nachbarn habe ihre Mutter keinen Besuch eines Telekom-Technikers bekommen. Dafür Ratschläge – über eine Hotline, die ein Nachbar Maria Drews’ in deren Auftrag anrief. Dort gab es die Auskunft – dies war am 4. Juli, der SZ liegt das Protokoll des Telefonats vor –, dass ein Bauteil des analogen Telefonans­chlusses von Maria Drews defekt sei. „Leider“aber sei es für die Telekom nicht möglich, für diesen analogen Anschluss ein Ersatzteil zu besorgen. Auf gut Deutsch: Pech gehabt.

Das Telefon war stets Maria Drews’ wichtigste Verbindung nach draußen. Ein Auto hat sie nicht. Vor vielen Jahren starb ihr Mann. Kontakt hielt sie bis zuletzt vor allem zu ihrer Tochter Sonja Maier, aber auch zu ihren drei Enkeln. Diese leben in Mannheim, Zürich und London. Alles übers Telefon. Zwar ging und geht die 85-Jährige gerne noch hinaus in ihren Garten, in dem es grünt und blüht. Viel weiter aber reicht ihr Radius nicht. Und Blumen können nicht sprechen, können menschlich­e Kontakte nicht ersetzen. Mittlerwei­le schwinde sogar ihr Lebensmut, sagt Sonja Mayer.

Warum aber geht die Telekom – man muss es leider so bezeichnen – so scham- und rücksichts­los mit langjährig­en Kunden um? Vor zwei Wochen wollte dies die SZ von der Deutschen Telekom wissen. Wir stellten eine offizielle Presseanfr­age über das Presseport­al des Konzerns (Slogan: „Erleben, was verbindet“). Bis heute: keine Antwort.

Ständige Versprechu­ngen

Dass es eine solche Anfrage gibt, ist der Telekom bewusst. Dies bestätigte ein Telekom-Sachbearbe­iter den Angehörige­n von Maria Drews, als diese vor wenigen Tagen in Ulm ein Kundencent­er besuchten. Der Sachbearbe­iter ließ wissen, dass er aber ansonsten auch nicht helfen könne.

Immerhin war dieser ehrlich. Denn Maria Drews und ihre Familie sind die ständigen Versprechu­ngen leid, die die Telekom in den vergangene­n Wochen immer wieder ausrichten ließ. Schon vor zwei Monaten hieß es, dass ein Techniker am 21. Juni zwischen 8 und 12 Uhr vorbeikomm­en werde. Maria Drews wartete. Vergeblich. Anfang Juli dasselbe Spiel. Wieder wurde ein Techniker angekündig­t – dabei blieb es dann aber auch. Konsequent ist die Telekom wenigstens, wenn es um die Abrechnung­en geht. Obwohl Drews keine Sekunde telefonier­te, buchte ihr die Telekom im Juni und Juli den monatliche­n Grundbetra­g ab.

„Das ist mir egal“

Immer wieder haben die Angehörige­n von Maria Drews bei der Telekom um schriftlic­he Stellungna­hmen seitens des Konzerns gebeten. Die immer gleiche Antwort der unterschie­dlichsten Mitarbeite­r: nicht möglich. Begründung: Fehlanzeig­e. Den Hinweis der Familie, dass die Telekom mit ihrem Verhalten eine Verantwort­ung daran trage, dass es Maria Drews gesundheit­lich immer schlechter gehe, konterte die Telekom recht eindeutig: „Das ist mir egal“, habe ein Satz eines TelekomMit­arbeiters gelautet.

Maria Drews, die seit Jahrzehnte­n Telekom-Kundin ist und stets ihre Rechnungen bezahlte, ist sich sicher: „Ich bin einfach nichts mehr wert.“Was die Telekom anbelangt, trifft dies offenbar zu.

 ??  ?? FOTO: RAU
FOTO: RAU
 ?? FOTO: RAUNEKER ?? Maria Drews (85) mit Tochter Sonja Mayer in ihrem Suppinger Wohnzimmer.
FOTO: RAUNEKER Maria Drews (85) mit Tochter Sonja Mayer in ihrem Suppinger Wohnzimmer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany