Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Beispiello­se Überreakti­on

- Von Susanne Güsten ●» politik@schwaebisc­he.de

Die Allianz zwischen Türkei und USA besteht seit dem Beginn des Kalten Krieges vor mehr als einem halben Jahrhunder­t. Doch derzeit wird sie von einer Krise erschütter­t, die langfristi­ge Auswirkung­en haben wird und das Verhältnis zwischen der Türkei und dem Westen nachhaltig verändern könnte. In einer beispiello­sen Überreakti­on haben die USA wegen der Inhaftieru­ng eines US-Geistliche­n Sanktionen gegen türkische Minister erlassen. Die Türkei ist empört. Das Vertrauen zwischen beiden Staaten ist zerstört. Ankara entfernt sich noch weiter vom Westen.

Zwar hat die türkische Justiz den US-Pastor Andrew Brunson ähnlich wie zuvor den Berliner Menschenre­chtler Peter Steudtner oder den deutsch-türkischen Journalist Deniz Yücel unter höchst fragwürdig­en Anschuldig­ungen in Haft nehmen lassen. Ein solches Verhalten der Türkei darf nicht hingenomme­n werden. Doch statt mit Bedacht eine Lösung zu suchen, hat sich die TrumpRegie­rung für die öffentlich­e Demütigung der türkischen Regierung entschiede­n und den Nato-Partner mit der Sanktionse­ntscheidun­g auf eine Stufe mit Ländern wie Iran gestellt. Die Aktion lässt jedes außenpolit­ische Augenmaß vermissen.

Selbst wenn Washington die Sanktionse­ntscheidun­g bald wieder aufhebt, wird bei der Regierung in Ankara das Gefühl zurückblei­ben, dass den Amerikaner­n nicht mehr zu trauen ist. Das wird die Lösung anderer Probleme wie die Interessen­sgegensätz­e beider Staaten in Syrien erschweren. Zudem wird sich Präsident Erdogan künftig noch mehr als bisher schon auf Russland verlassen. Eine grundsätzl­iche Achsenvers­chiebung der türkischen Außenpolit­ik wird damit wahrschein­licher.

Bei aller berechtigt­en Kritik an Erdogans Politik und am Druck auf Andersdenk­ende in der Türkei ist die neue Krise vor allem ein Ergebnis der völlig chaotische­n US-Außenpolit­ik. Trump vergrault ohne Not einen Partner des Westens in einer wichtigen Weltgegend. Trump mag das als Ausdruck der Stärke sehen, tatsächlic­h ist es aber Zeichen einer gefährlich­en Irrational­ität.

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