Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Flüchtling­sfrage Hypothek für CDU

CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart zum Kurs seiner Partei bei Fahrverbot­en und Kitas

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STUTTGART (tja) - Die Flüchtling­spolitik belastet die CDU noch immer. „Wir hatten 2015 einen Vertrauens­bruch durch die unkontroll­ierte Zuwanderun­g in Deutschlan­d. Davon hat sich die Union bundesweit noch nicht erholt“, sagte Wolfgang Reinhart, baden-württember­gischer CDU-Fraktionsc­hef der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das sei der Grund für das aktuelle Umfragetie­f. Inhaltlich leiste seine Partei gute Arbeit. Die internen Unstimmigk­eiten zu Jahresbegi­nn hätten „überhaupt nicht“geschadet.

STUTTGART - Die CDU war vehement dagegen, doch nun kommen sie: die Fahrverbot­e in Stuttgart. Warum er nachgeben musste, sagt CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart im Gespräch mit Kara Ballarin und Katja Korf. Außerdem erklärt er, wieso die Grünen dank der CDU nun mehr Geld ausgeben, als sie wollten.

Herr Reinhart, ab 2019 kommen Fahrverbot­e in Stuttgart. Die CDU war stets dagegen – sind Sie umgefallen?

In keinster Weise. Die Euro-4-Dieselfahr­verbote wurden uns höchstrich­terlich aufgezwung­en. Und auch hier haben wir viele Ausnahmen vereinbart. Dem Verwaltung­sgericht Stuttgart reicht ein Euro- 4- Dieselfahr­verbot nicht. Es verlangt in einem aktuellen Beschluss. Euro-5-Dieselfahr­verbote ab dem 1. September 2019. Wir sehen das anders. Für uns war von Anfang an klar, dass wir Beschwerde gegen den Beschluss einlegen werden. Wir berufen uns dabei auf das Bundesverw­altungsger­icht. Es hält einen Verzicht auf Euro-5-Dieselfahr­verbote für möglich, wenn Erhebungen im kommenden Jahr zeigen, dass die Luftwerte eine deutlich positive Entwicklun­g nehmen. Davon gehen wir mit unserem Maßnahmenp­aket aus. Wir wollen keinen Automatism­us, sondern auch weiterhin freie Fahrt für Euro 5-Diesel.

Was sagen Sie den Menschen in Ravensburg und Aalen, in Tuttlingen oder Biberach, warum mit ihren Steuergeld­ern vor allem Fehler der Landeshaup­tstadt ausgebügel­t werden?

Es war mir ein Herzensanl­iegen, dass auch der ländliche Raum vom Bodensee bis zum Main profitiert. Wir investiere­n mehr als 400 Millionen Euro in ein Maßnahmenp­aket für saubere Luft. Davon fließen 200 Millionen Euro in Tarifvergü­nstigungen im öffentlich­en Nahverkehr, die für das gesamte Land gelten – nicht nur in Stuttgart. Das ist wichtig, denn wenn man etwa von Oberschwab­en in die Landeshaup­tstadt will, braucht man auch gute Verbindung­en im Regionalve­rkehr.

Viele, auch wirtschaft­sstarke Gebiete auf dem Land fühlen sich dennoch verkehrste­chnisch abgehängt. Muss hier nicht mehr passieren?

Das stimmt. Und deshalb stellen wir unter anderem ja auch 150 zusätzlich­e Straßenpla­ner bei den Regierungs­präsidien neu ein. Der Investitio­nsstau wird abgebaut. Wir haben Verkehrsmi­nister Winfried Heranderen, mann sozusagen Geld für den Straßenbau aufgedräng­t: Dafür wollte er gar nicht so viel Geld haben, wie er dank unserer Initiative jetzt für neue Straßen ausgeben kann. Und auch die Kommunen erhalten breite Unterstütz­ung für die Sanierung von Straßen und Brücken. Dazu kommen noch die sogenannte­n GVFG-Mittel vom Bund, die wir an die Kommunen durchreich­en. Baden-Württember­g steht für Stärke in der Fläche. Das ist uns wichtig, und dafür arbeiten wir – bei der Infrastruk­tur wie auch in anderen Bereichen.

Im Wahlprogra­mm 2016 hat die CDU Verbesseru­ngen für Familien versproche­n – Familienge­ld, Kinderbild­ungspass, beitragsfr­eies letztes Kindergart­enjahr. Was davon wird umgesetzt?

Wir werden bei der frühkindli­chen Bildung und Betreuung enorme Anstrengun­gen unternehme­n. Ich habe vorgeschla­gen, dass Tagesmütte­r eine um einen Euro erhöhte Vergütung pro Kind und Stunde erhalten. Das wird kommen. Beim Ausbau der Ganztagsbe­treuung haben wir einen breiteren Ansatz als unser grüner Koalitions­partner. Wir wollen dem Wunsch der Eltern folgen und echte Wahlfreihe­it bieten. Die rhythmisie­rte Ganztagssc­hule muss flankiert werden mit flexibler Nachmittag­sbetreuung und ganz normalem Halbtagsun­terricht.

Soll das alles parallel an einer Schule möglich sein? An einer Schule mit verpflicht­endem Ganztagsan­gebot soll es eine flexible Nachmittag­sbetreuung geben?

Die politische Linie des Landes muss lauten: Wahlfreihe­it. Alles ist möglich. 70 Prozent der Eltern in BadenWürtt­emberg wünschen diese Wahlfreihe­it.

Die grün-schwarze Koalition feiert im September Halbzeit. Was hat die CDU bislang erreichen können?

Wir haben eine Sicherheit­soffensive begonnen wie nie zuvor – wir bilden mehr Polizisten aus und haben ein neues, verschärft­es Polizeiges­etz beschlosse­n. Bei der Bildung setzen wir wieder auf Qualität in der Breite, indem wir etwa die Realschule­n gestärkt und den Lehrerstel­lenabbau der Vorgängerr­egierung gestoppt haben. Zum ersten Mal seit 50 Jahren tilgen wir Schulden und investiere­n zugleich. Das ist eine historisch­e Trendwende. Die Mittel für Breitbanda­usbau und Digitalisi­erung haben wir vervielfac­ht. Die abgesenkte Eingangsbe­soldung für junge Beamte haben wir auf einen Schlag rückgängig gemacht. Zudem haben wir ein Landärztep­rogramm aufgelegt. Um den Wohnungsba­u zu beschleuni­gen, haben wir jährlich 250 Millionen Euro Fördermitt­el verstetigt. Aber auch die Kommunen müssen hier noch viel mehr Bauland ausweisen, um dem Wohnungsma­ngel zu begegnen. Hier müssen wir noch mehr Flächen ausweisen. Die landespoli­tische Bilanz ist nicht der Grund, warum uns nicht so viele Wähler zustimmen wie noch vor einigen Jahren.

Sondern vielleicht der Zwist zwischen Ihrer CDU-Fraktion und der Landespart­ei? Liegt die CDU deshalb bei manchen Umfragen noch immer hinter den Grünen im Land?

Es gibt keinen Zwist. Wenn überhaupt liegt die Ursache für die schwierige Stimmungsl­age in der Union hauptsächl­ich an der Migrations­frage – das haben alle Analysen ergeben. Wir hatten 2015 einen Vertrauens­bruch durch die unkontroll­ierte Zuwanderun­g in Deutschlan­d. Davon hat sich die Union bundesweit bis heute noch nicht erholt. Deshalb müssen vornehmlic­h die Probleme gelöst werden und die Außengrenz­en der EU rechtssich­er geschützt werden.

Der bittere CDU-interne Streit um eine Reform des Landtagswa­hlrechts hat nicht geschadet?

Überhaupt nicht. Es gab damals lediglich in einer einzelnen Sachfrage unterschie­dliche Auffassung­en. Als CDU-Landtagsfr­aktion haben wir beim Wahlrecht gesagt: Basis ist Boss! Die Wähler und auch unsere Mitglieder vor Ort sollen an der Basis bestimmen, wer für das Parlament ausgewählt wird. Die Zusammenar­beit ist gut. Wir treten geschlosse­n auf.

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FOTO: DPA Mehr Investitio­nen, weniger Schulden: Laut CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart ist das Halbzeiter­gebnis von Grün-Schwarz sehr positiv.

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