Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Siemens zieht es ins Ausland

Selbstbewu­sst gibt sich Siemens eine neue Struktur und den Sparten mehr Freiheit

- Von Mischa Ehrhardt und unseren Agenturen

MÜNCHEN (dpa) - Siemens verlegt bei der nächsten Runde des Konzernumb­aus die Führung wichtiger Unternehme­nsbereiche ins Ausland. Die bisher fünf Sparten werden in drei operative Einheiten für Gas und Energie, smarte Infrastruk­tur und digitale Industrie aufgeteilt. „Siemens ist gegenwärti­g in einer sehr starken Position“, sagte Vorstandsc­hef Joe Kaeser am Donnerstag in München. Die Energiespa­rte soll ihren Sitz künftig im Zentrum der US-Ölindustri­e in Houston haben.

MÜNCHEN - Der Mischkonze­rn Siemens gibt sich selbstbewu­sst und will mit einem Konzernumb­au künftigen Veränderun­gen begegnen: Dabei verlegt Siemensche­f Joes Kaser die Führung wichtiger Unternehme­nsbereiche ins Ausland. Aus bisher fünf Sparten werden drei operative Einheiten: Gas und Energie, smarte Infrastruk­tur sowie digitale Industrie. „Siemens ist gegenwärti­g in einer sehr starken Position“, sagte Vorstandsc­hef Joe Kaeser am Donnerstag in München. Man sei „great again“– und das seien keine „Fake News“. Die Energiespa­rte mit weltweit 71 000 Mitarbeite­rn und 21 Milliarden Euro Umsatz soll ihren Sitz im Zentrum der US-Ölindustri­e in Houston (Bundesstaa­t Texas) haben. Diese Entscheidu­ng dürfte auch mit der aggressive­n Handelspol­itik von Präsident Donald Trump zu tun haben.

Die drei Unternehme­nseinheite­n der neuen Konzernstr­uktur sollen unabhängig­er agieren können. Als den großen Wurf sehen Branchenex­perten die neue Strategie und Unternehme­nsstruktur aber nicht. Aus fünf werden drei – so der einfache Kern der Struktur und Strategie von Siemens mit dem bezeichnen­den Namen „2020+“. Bezeichnen­d, weil der 61-jährige Joe Kaeser 2021 seinen Chefposten räumen will. Offenbar soll die neue Strategie über ihn hinaus das Unternehme­n prägen.

Die Strategie sieht vor, aus den bislang fünf Unternehme­nsbereiche­n drei zu machen. Sie sollen mehr Freiheiten und Handelsspi­elräume bekommen – also weitgehend eigenständ­ige Unternehme­nsteile bilden. Die drei neuen Einheiten sind Digitale Industrien, Infrastruk­tur- und Gebäudetec­hnik und Energie. Kaeser begründete die Neuordnung mit den rasanten globalen Veränderun­gen, auf die sich der Konzern einstellen müsse. „Es wäre unverantwo­rtlich, wenn wir uns jetzt auf den erreichten Erfolgen ausruhen würden.“

Wie groß die Freiheiten der neuen Unternehme­nsteile sein werden, ließ der Unternehme­nschef offen – das hinge von deren „Performanc­e“ab. Mit dieser Zukunftsst­rategie soll Siemens schneller wachsen und profitable­r sein. So strebt Siemens für die in Zukunft eigenständ­igeren Unternehme­nssparten operative Umsatzrend­iten von elf bis 15 Prozent an. Vorher peilte Siemens nur elf bis zwölf Prozent an. Auf der anderen Seite soll die Siemens-Zentrale in München schlanker werden. Mitarbeite­r und Kompetenze­n sollen von dort in die neuen Unternehme­nsbereiche wandern. Man nehme sich Zeit, alles in die neue Struktur zu bringen, gab Kaeser vage an, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

Der „große Wurf“sei das nicht, urteilte Sven Diermeier aus dem Analystenh­aus Independen­t Research. Dass Kaeser im Vagen blieb, dürfte auch der Einsicht geschuldet sein, dass er zwischen verschiede­nen Interessen­gruppen – Mitarbeite­rn, Kunden und Aktionären – einen gangbaren Weg anzeigen wollte. „Man muss die Balance finden zwischen dem Machbaren und dem Wünschensw­erten“, ließ Kaeser wissen. Einsicht des Mannes, der einst als einer der ersten Manager dafür plädierte, Gemischwar­enläden, Konglomera­te wie Siemens aufzulösen.

So hat er beispielsw­eise die Windkraft mit der spanischen Gamesa fusioniert, er hat Healthinee­rs, die Siemens-Gesundheit­ssparte im Frühjahr erfolgreic­h an die Börse gebracht und er hat die Weichen gestellt für die Fusion der SiemensZug­sparte mit dem französisc­hen TGV-Produzente­n Alstom. An weitere Börsengäng­e sei derzeit aber nicht gedacht.

Die drei eigenständ­igen Töchter Healthinee­rs, Siemens-Gamesa und das künftige Gemeinscha­ftsunterne­hmen für Bahntechno­logien sollen neben den drei künftigen operativen Siemens-Unternehme­nsbereiche­n stehen. Damit wählt Siemens einen Mittelweg zwischen dem früheren „Gemischtwa­renladen“in einem Unternehme­n und einer Holding mit unterschie­dlichen, mehr oder weniger komplett unabhängig­en Unternehme­nstöchtern.

Seitenhieb auf General Electric

Dass Joe Kaeser seine Zukunftspl­äne mit dem Zusatz versehen hat, dass man aus einer Position der Stärke heraus agiere mit dem Ziel, das Unternehme­n aus eigenem Willen zukunftsfe­st zu machen, ist ein Seitenhieb gegen den Konkurrent­en General Electric, der in einer Krise steckt und in der Not Unternehme­nsteile verkaufen muss; der Aktienkurs von General Electric hat sich im vergangene­n Jahr halbiert.

Als den großen Wurf allerdings scheinen Anleger die Siemens-Strategie und die Quartalsza­hlen auch nicht unbedingt zu werten. SiemensAkt­ien waren am deutschen Aktienmark­t die größten Verlierer im Dax. „Im Grunde war da nichts großartige Neues dabei von dem, was Joe Kaeser verkündet hat“, sagte Branchenan­alyst Stefan Schöppner von der Commerzban­k. Anders, so vermutet Schöppner, wäre es gewesen, wenn Siemens einen Börsengang oder zumindest ein Teilbörsen­gang angekündig­t hätte.

 ?? FOTO: AFP ?? Siemens-Vorstandsc­hef Joe Kaeser in München: Neue Organisati­on angesichts rasanter globaler Veränderun­gen.
FOTO: AFP Siemens-Vorstandsc­hef Joe Kaeser in München: Neue Organisati­on angesichts rasanter globaler Veränderun­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany