Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Familie in der Krise

Gut jedes fünfte Kind wächst bei nur einem Elternteil auf

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (KNA/sz) - Vater, Mutter, Kind oder Kinder – vor allem in Großstädte­n ist die klassische Familie längst nicht mehr die Regel. Gleichzeit­ig steigt die Zahl der Alleinerzi­ehenden weiter: In etwa jeder fünften Familie wächst ein Kind mit nur einem Elternteil auf, so meldete es das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in Berlin. In absoluten Zahlen waren es 2017 gut 1,5 Millionen Familien, bei denen sich vorwiegend ein Elternteil um die Kinder kümmert. Vor 20 Jahren waren es 200 000 weniger. Stark gestiegen ist die Zahl in diesem Zeitraum im Westen, von 950 000 auf knapp 1,2 Millionen. In Baden-Württember­g (15,3 Prozent) und Bayern (16,2 Prozent) liegen die Quoten immer noch vergleichs­weise niedrig.

Insgesamt sinkt die Zahl der Familien in Deutschlan­d, seit 1997 um 1,2 Millionen auf 8,2 Millionen, wie Georg Thiel, Präsident des Statistisc­hen Bundesamts, sagte.

BERLIN – Die Formel ledig, geschieden, Großstadt, alleinerzi­ehend stimmt nicht mehr ganz. Der Süden Deutschlan­ds hat zwar die wenigsten Alleinerzi­ehenden. Doch selbst hier steigen die Zahlen in den letzten 20 Jahren an, von 12,7 Prozent 1997 auf 15,3 Prozent in Baden-Württember­g, von 12,2 auf 16,2 Prozent in Bayern. Deutschlan­dweit sind es im Schnitt 18,9 Prozent oder 2,4 Millionen Kinder, die entweder von der Mutter oder vom Vater erzogen werden. Damit verbunden steigt das Armutsrisi­ko. Vor allem für Frauen mit kleinen Kindern. Diese Mütter können oft nicht arbeiten. Das zeigen die neuen Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s zu Alleinerzi­ehenden in Deutschlan­d 2017, die in Berlin vorgestell­t wurden.

In Großstädte­n gibt es mehr Alleinerzi­ehende als in kleinen Städten und Dörfern, im Osten Deutschlan­ds mehr als im Westen. In Berlin liegt die Quote bei über 27 Prozent. Die Tendenz aber ist in allen Bundesländ­ern mit Ausnahme von Bremen und Hamburg, wo die Zahl immer schon hoch war, steigend.

Etwas mehr Einkommen

Die gute Nachricht: Die Armutsgefä­hrdungsquo­te bei Alleinerzi­ehenden sinkt etwas, von 37 Prozent im Jahr 2011 auf 33 Prozent im Jahr 2016. Georg Thiel, Präsident des Statistisc­hen Bundesamte­s, führt dies auf familienpo­litische Maßnahmen wie eine bessere Kinderbetr­euung, mehr Teilzeitar­beit und Home Office sowie die allgemein gute Lage auf dem Arbeitsmar­kt zurück.

Denn die Armutsgefä­hrdung Alleinerzi­ehender hängt eng mit Arbeitslos­igkeit zusammen. Kleine Kinder sind überwiegen­d bei den Müttern, größere mitunter auch bei den Vätern. Nur 14 Prozent der Väter leben mit einem Vorschulki­nd zusammen, aber 32 Prozent mit einem Kind zwischen 15 und 18 Jahren. Bei den Müttern ist es umgekehrt. Sie leben zu 30 Prozent mit einem Vorschulki­nd und nur zu 20 Prozent mit einem Teenager im Alter zwischen 15 und 18 Jahren zusammen.

Von den Müttern mit Kindern unter drei Jahren gingen nur 27 Prozent einer Berufstäti­gkeit nach. Das sind zehn Prozentpun­kte weniger als bei den Müttern, die verheirate­t sind. Allein erziehende Väter gehen dagegen zu 69 Prozent arbeiten, auch wenn sie ein kleines Kind haben. In der Regel werden Männer besser unterstütz­t, heißt es zur Erklärung. Dementspre­chend verfügen alleinerzi­ehende Väter über ein höheres Einkommen als die Mütter.

Unerwartet­e Ausgaben von knapp 1000 Euro aus eigenen finanziell­en Mitteln stemmen, das können 63 Prozent der Alleinerzi­ehenden nicht. Und 39 Prozent können sich noch nicht einmal einen einwöchige­n Urlaub leisten. Für 14 Prozent ist es sogar schwer, wenigstens jeden zweiten Tag vollwertig­e Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Vier mal mehr als andere sind Alleinerzi­ehende überschuld­et.

Mehr Unterstütz­ung gefordert

Die Diakonie fordert eine Kindergrun­dsicherung. Das Zukunftsfo­rum Familie e.V. hält eine Reform des Kinderzusc­hlags für nötig. Denn vor allem Alleinerzi­ehende hätten wenig von dieser Leistung, da Unterhalt und Unterhalts­vorschuss angerechne­t würden.

Einig sind sich die meisten, dass es auch an passender Kinderbetr­euung noch fehlt. „Gerade Alleinerzi­ehende sind angewiesen auf gute Kitas und Kindertage­spflege“, sagt Familienmi­nisterin Franziska Giffey. Deshalb werde mit dem Gute-KitaGesetz in den nächsten drei Jahren 5,5 Milliarden Euro zusätzlich an die Länder fließen.

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FOTO: DPA 15,3 Prozent der Kinder in Baden-Württember­g wachsen mit nur einem Elternteil auf – in Bayern sind es 16,2 Prozent.

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