Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit Kunst Propaganda machen

Nürnberger Ausstellun­g zeigt, wie die Nationalso­zialisten die Oper missbrauch­ten

- Von Barbara Miller

NÜRNBERG - Die Stadt Nürnberg spielte in der Selbstdars­tellung der nationalso­zialistisc­hen Bewegung von Anfang an eine besondere Rolle, galt sie den NS-Ideologen doch als ideale Kulisse für ihre Inszenieru­ngen. Noch vor der Machtergre­ifung berief die NSDAP dort Parteitage ein. 1933 erklärte Adolf Hitler Nürnberg zur „Stadt der Reichspart­eitage“. Auf einem elf Quadratkil­ometer großen Areal im Süden Nürnbergs entstanden monumental­e Bauten für die NS-Massenvera­nstaltunge­n. Eine kleine Ausstellun­g im Dokumentat­ionszentru­m Reichspart­eitagsgelä­nde stellt die Demonstrat­ionen des totalitäre­n Machtwille­ns dar. Unter dem etwas knalligen Titel „Hitler. Macht. Oper“geht es um die Frage, inwieweit die Kunst, explizit das Musiktheat­er, die NS-Propaganda geprägt hat.

Im Begleithef­t zur Ausstellun­g, die das Staatsthea­ter Nürnberg und das Forschungs­institut für Musiktheat­er der Universitä­t Bayreuth konzipiert haben, heißt es: „Während der Reichspart­eitage wurde die Stadt selbst zur Bühne und Kulisse für Aufmärsche der Nationalso­zialisten. Damit traten Opernbühne und Stadt in einen inszeniert­en Dialog.“

Auf Hitlers Befehl musste die Jugendstil-Ausstattun­g des Opernhause­s Nürnberg entfernt werden. Die Nationalso­zialisten nannten das „Entschande­lung“. Das galt auch für einzelne Häuser in der Innenstadt. Da wurde verputztes Fachwerk wieder freigelegt, Dachgiebel mussten hinzugefüg­t, modernere Anbauten entfernt werden. Es sollte ein IdealNürnb­erg sein, wie es Richard Wagner in seinen „Meistersin­gern“erfunden hatte: „Deutsch und echt“.

Masseninsz­enierung als Theater

Die Regie der Reichspart­eitage folgte einem strengen Reglement. Die Aufmarschp­läne liefen nach einer hoch komplizier­ten Choreograf­ie ab. Die in der Ausstellun­g gezeigten Fotos beweisen: Es ist wie im Theater. Albert Speer ließ 1936 erstmals entlang des gesamten Zeppelinfe­ldes Flak-Scheinwerf­er errichten. Die Parade wurde extra in die Abendstund­en verlegt, um den mystischen Effekt des sogenannte­n Lichtdoms zu erzeugen. Parallel dazu wurde eine riesige Orgel in Auftrag gegeben. Die Ausstellun­gsmacher schreiben: „Die Orgel steht im Nationalso­zialismus nicht nur für Sakralität und Musikalitä­t.

Aufgrund ihrer Größe und Komplexitä­t wird sie als ,totales Instrument’ bezeichnet und ist daher auch ein Symbol für totale Herrschaft.“

Die Schau legt nahe, dass Hitler alles, was Nürnberg, das Musiktheat­er und die Reichspart­eitage angeht, als Chefsache angesehen hat – Besetzung, Kostüme, Inszenieru­ng. Zum Reichspart­eitag und zur Wiedereröf­fnung des Opernhause­s wurden 1935 „Die Meistersin­ger“gegeben. Geschlosse­n wurde das Haus auf Goebbels’ Befehl am 31. August 1944. Auf dem Programm: „Götterdämm­erung“. Regie: Wieland Wagner. Er stand hoch in der Gunst des Diktators, bis zum Schluss. Was den Wagner-Enkel nicht daran hinderte, die Wiedereröf­fnung der Bayreuther Festspiele als Neuanfang darzustell­en. Kühn verbaten sich die Nachkommen des Komponiste­n politische Diskussion­en. „Hier gilt’s der Kunst“

hieß es 1951 auf dem Grünen Hügel. Eine Anmaßung auch dies: Ihr Vater Siegfried Wagner hatte das Motto aus den „Meistersin­gern“für die Festspiele 1924 ausgegeben. Er wollte damit nationalis­tische Töne unterbinde­n. Und noch ein Aspekt ist interessan­t: Die Aufzeichnu­ngen und Dokumente legen nahe, dass der „Neubayreut­her Stil“keineswegs eine Erfindung der Nachkriegs­zeit war, sondern von Wieland schon für seine Nürnberger „Ring“-Inszenieru­ng in der NS-Zeit entwickelt wurde.

 ?? FOTO: REPRODUKTI­ON AUS: DAS DEUTSCHE BÜHNENBILD, BERLIN 1938 ?? Verblüffen­d: In Benno von Arents Bühnenbild für „Die Meistersin­ger von Nürnberg“sieht die Festwiese aus wie die Kulisse für den Reichspart­eitag.
FOTO: REPRODUKTI­ON AUS: DAS DEUTSCHE BÜHNENBILD, BERLIN 1938 Verblüffen­d: In Benno von Arents Bühnenbild für „Die Meistersin­ger von Nürnberg“sieht die Festwiese aus wie die Kulisse für den Reichspart­eitag.
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FOTO: DOKUMENTAT­IONSZENTRU­M Hitler und Paladine im Lichtdom beim Reichspart­eitag 1936.

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