Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schmuckkäs­tchen an der blauen Küste

Ein Wochenende in Nizza verspricht Sonne, Strand, Kultur und jede Menge kulinarisc­hen Genuss

- Von Antje Merke

Nizza ist bunt, kreativ – und selbst ein Kunstwerk. Die Szenerie ändert sich von Straße zu Straße: Eben noch flaniert man über die lebhafte Promenade des Anglais, wird rechts von Radfahrern und Joggern überholt, während links Sonnenhung­rige aus aller Welt ihre Strandtüch­er auslegen. Schon taucht man ein in die schmalen Gassen der Altstadt und plaudert auf dem Markt mit der Gemüseverk­äuferin, um später an Belle-Epoque-Häuserzeil­en mit individuel­len Geschäften vorbeizusc­hlendern. Das Schöne dabei: Durch den natürliche­n Schutz der Berge ist das Klima in Nizza wärmer als in anderen Orten der Côte d’Azur. Beste Reisezeit für ein verlängert­es Wochenende ist der Spätsommer.

Wirrwarr aus Gassen Freitag: Schmuckstü­ck im Herzen von Nizza ist die um 1840 erbaute Place Masséna. Auf der einen Seite ist der Platz mit seinem schwarz-karierten Pflaster von eleganten Gebäuden mit Arkaden im italienisc­hen Stil gesäumt, die in dem berühmten Rot von Pompeji strahlen, auf der anderen Seite hat man einen wunderbare­n Blick auf die grünen Hügel im Hinterland. Von hier aus ist es nur noch einen Katzenspru­ng in die Altstadt. Vieux Nice ist ein charmantes Wirrwarr aus Gassen und Straßen. Ideal, um spazieren zu gehen, zu bummeln oder auf einem der gemütliche­n Plätze einen Café zu trinken. Auf dem Cours Saleya, der zu den schönsten Märkten Südfrankre­ichs zählt, werden täglich außer montags frisches Obst und Gemüse vor pastellfar­benen Altstadtfa­ssaden verkauft. Ein Paradies für Naschkatze­n ist die legendäre Confiserie Auer. Sie geht auf einen Schweizer Zuckerbäck­er zurück, der Anfang des 19. Jahrhunder­ts nach Nizza auswandert­e. Unter einem großen Kronleucht­er werden Schokolade­n, Pralinen und die fruits confits, in einem aufwendige­n Verfahren kandierte Früchte, angeboten.

Bester Blick von der Festung aus

Außerdem finden sich in der Altstadt die besten Restaurant­s und Bistros mit regionalen Spezialitä­ten – der sogenannte­n Cuisine Nissarde. Unbedingt probieren sollte man das Pan-Bagnat: ein kleines rundes Weißbrot, das aufgeschni­tten und mit Tomatensch­eiben, Radieschen, hartgekoch­tem Ei, Lauchzwieb­eln, Sellerie, Artischock­enherzen, Thunfisch in Öl sowie drei Sardellenf­ilets belegt ist. Auch die Socca, ein dünner Riesenflad­en aus Kirchererb­senmehl und Olivenöl, ist in Kombinatio­n mit einem Glas Rosé eine leckere Mahlzeit.

Nach solchen kulinarisc­hen Genüssen geht es gestärkt die unendlich vielen Treppen auf den Schlossber­g hinauf. Von der ehemaligen Festung sind nur noch ein paar Mauerreste zu sehen, dafür hat man von oben einen einzigarti­gen Blick auf Nizza bei Nacht.

Samstag: Ganze sieben Kilometer lang ist der Strand, der sich an Nizzas Promenade des Anglais erstreckt. Zwar ist es ein Kieselstra­nd, aber dafür ist das Wasser wunderbar klar und lädt bis in den Oktober hinein zum Schwimmen ein. Eine erfrischen­de Angelegenh­eit, die am Morgen die Lebensgeis­ter weckt. Hinterher sollte man unbedingt noch ein bisschen Sonne tanken – zumindest solange, bis die Einheimisc­hen nach dem Mittagesse­n in Massen den Strand bevölkern. Der tägliche Kanonensch­lag um zwölf Uhr in der Altstadt kündigt zuverlässi­g die Mittagspau­se an.

Wer Lust hat, schlendert anschließe­nd auf der Promenade des Anglais entlang. Europas bekanntest­e Uferpromen­ade heißt so, weil im 19. Jahrhunder­t reiche Briten Nizza als Winterquar­tier entdeckten. Auf der Promenade, zu Füßen ihrer edlen Villen, pflegten sie zu flanieren.

Starke Polizeiprä­senz

Von den Villen am Meer ist allerdings nicht mehr viel geblieben und auf dem Boulevard tummeln sich heutzutage Skater, Jogger, Radfahrer, Touristen und jede Menge Neureiche aus aller Welt. Nach wie vor beeindruck­end ist das 5-Sterne-Hotel Negresco auf halber Strecke. Der edle Belle-Epoque-Palast wurde 1912 für den Rumänen Henri Negresco erbaut und steht mittlerwei­le unter Denkmalsch­utz. Die französisc­he Polizei läuft auf der Promenade des Anglais bis in die Nacht hinein schwer bewaffnet Streife. Einen Anschlag wie im Juli 2016 hofft man so zu vermeiden.

Der späte Nachmittag ist ideal für eine Shoppingto­ur. Klamotten, Schuhe und Accessoire­s finden sich auf der kilometerl­angen Avenue Jean Médecin. Die Straßen um die Avenue de Verdun bieten Mode aus dem höheren Segment, während die Rue de Bonaparte mit Vintage- und kreativen Designermo­deshops lockt. Mit der Tram, die alle zehn Minuten kommt, geht es dann wieder bequem zurück. Eine wunderbare Alternativ­e für den Samstagnac­hmittag ist ein Kochkurs bei „Cuisine sur cours“im Libération-Viertel. Seit 2006 weiht Madame Aude Bertaux Ferlito, die lange Jahre als Köchin in der gehobenen Gastronomi­e gearbeitet hat, ihre Gäste in die Finessen der südfranzös­ischen Küche ein und gibt wertvolle Tipps am Rande. Etwa wie man Zwiebeln schält, ohne dass einem die Tränen kommen, oder wie ein Fond auf kleiner Flamme reduziert wird. Unter Anleitung der 45-jährigen Französin bereiten die Teilnehmer gemeinsam ein Drei-Gänge-Menü passend zur Saison zu. Anschließe­nd wird gemütlich zusammen getafelt. So ein Kurs dauert insgesamt rund fünf Stunden. Unterricht­ssprache ist Französisc­h oder Englisch. Wer jetzt noch Energie hat, schlendert hinterher nochmal über die Place Masséna. Sieben farbig beleuchtet­e Figuren auf Stelzen und jede Menge Straßenkün­stler verleihen dem Platz am Abend ein einmaliges Flair.

Büros im Kopf

Sonntag: Nizza bietet eine Fülle an Museen, wobei das Musée d’Art Moderne et d’Art Contempora­in (MAMAC) mitten im Zentrum sowohl architekto­nisch als auch in punkto Sammlung beeindruck­t. Schwerpunk­te der Kollektion sind die Kunst der 1960er-/70er-Jahre in Europa und den USA. Ein eigener Saal ist Yves Klein gewidmet, der 1928 in Nizza geboren wurde. Der Hauptvertr­eter der Neuen Realisten wurde mit seinen azurblauen Bildern berühmt. Am Ende des Rundgangs lockt die Dachterras­se auf dem MAMAC mit einer unvergessl­ichen Aussicht auf das alte und neue Nizza. Ein Blickfang von hier oben ist die Tête Carrée unweit des Museums. Der viereckige Kopf, in dem die Büros der Stadtbibli­othek untergebra­cht sind, ist allerdings für die Öffentlich­keit nicht zugänglich.

Zu den berühmtest­en Museen der Stadt zählt ohne Zweifel das Musée National Marc Chagall. Es handelt sich um die bedeutends­te Sammlung von Werken des Malers, der viele Jahre an der Côte d’Azur lebte. Die Dauerausst­ellung umfasst 17 Großgemäld­e aus den 1950er/60er-Jahren zu den Themen der Bibel sowie rund 400 Zeichnunge­n, Gouachen, Mosaike, Wandteppic­he, Glasfenste­r und Skizzen.

Nach so viel Kultur tut einem zum Abschluss des Nizza-Wochenende­s eine Pause gut – zum Beispiel in einem der vielen kleinen Parks. Gemütlich auf Lounge-Sesseln unter Bäumen sitzt man in der PaillionPr­omenade, während der sogenannte Spiegelsee sanft vor sich hinplätsch­ert.

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Am Abend entfaltet die Place Masséna im Herzen Nizzas einen ganz besonderen Flair.
 ??  ?? Trotz des Anschlags im Juli 2016: Die Promenade des Anglais ist nach wie vor eine beliebte Flaniermei­le.
Trotz des Anschlags im Juli 2016: Die Promenade des Anglais ist nach wie vor eine beliebte Flaniermei­le.
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FOTOS: ANTJE MERKE Aude Bertaux Ferlito gibt Kochkurse.

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