Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Zweifel bleiben nach neuem Urteil im Fall Ursula Herrmann

Bruder von Verbrechen­sopfer bekommt Schmerzens­geld – Doch er glaubt nicht an die Schuld des Tatverdäch­tigen

- Von Ulf Vogler

AUGSBURG (dpa) - Gewonnen und doch irgendwie auch verloren: So empfindet es Michael Herrmann, der Bruder der vor 37 Jahren verschlepp­ten Ursula Herrmann. Die Zehnjährig­e war 1981 am Ammersee in einer Kiste vergraben worden und erstickte darin. Am Donnerstag entschied das Landgerich­t Augsburg, dass Michael Herrmann von dem seit zehn Jahren im Gefängnis sitzenden Täter 7000 Euro Schmerzens­geld bekommt. „Man gewinnt und ist nicht zufrieden“, kommentier­te Michael Herrmann das an seinem 55. Geburtstag verkündete Urteil.

Wenn es nach Kläger Herrmann gegangen wäre, dann hätte die Zivilkamme­r seine Klage abweisen müssen. Mit der Begründung, dass der beklagte Kidnapper vermutlich gar nicht der Täter ist. Denn seit 2008, seit der Festnahme des längst rechtskräf­tig verurteilt­en Mannes, der stets seine Unschuld beteuert hat, gibt es erhebliche Zweifel an der Täterschaf­t des heute 68-Jährigen – selbst beim Bruder des Opfers.

Doch diesen Schritt der Klageabwei­sung ging das Gericht nicht. Am Ende des mehrjährig­en Verfahrens, in dem Zeugen aus dem früheren Strafverfa­hren nochmals vernommen wurden, stärkten im Gegenteil die Richter ihren Kollegen der Strafkamme­r den Rücken. „Nach der Beweisaufn­ahme war das Gericht der Ansicht, dass das Strafurtei­l richtig ist“, erklärte Gerichtssp­recherin Diana Bestler.Kläger Michael Herrmann kann das nicht überzeugen. Er geht davon aus, dass die wahren Täter noch frei herumlaufe­n. „Kann es sein, dass der Augsburger Justiz nicht an wirklicher Aufklärung des Falles Ursula Herrmann, dem Tod meiner kleinen Schwester, gelegen ist?“, schrieb er vor wenigen Tagen in einem offenen Brief.

Von dem Hauptindiz, einem bei dem 68-Jährigen sichergest­ellten Tonbandger­ät, das einst zur Verurteilu­ng geführt hat, hält Herrmann als Musiker und Studio-Experte überhaupt nichts mehr. Angeblich hatte der Entführer das Gerät für seine Erpressera­nrufe genutzt. Doch selbst die Gutachteri­n des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes ist nicht ganz sicher, dass es sich um das Tatwerkzeu­g aus dem Jahr 1981 handelt.

Hürden für neuen Prozess hoch

Nur vordergrün­dig ging es in dem Schmerzens­geldprozes­s um den Tinnitus, der Herrmann seit dem Strafproze­ss plagt. Wegen der Erkrankung hatte er den Täter auf ursprüngli­ch 20 000 Euro verklagt, auch um endlich Gewissheit zu erhalten. Die hat er nun weiterhin nicht. Die Zweifler, die davon ausgehen, dass ein Unschuldig­er wegen erpresseri­schen Menschenra­ubes mit Todesfolge zu lebenslang­er Haft verurteilt wurde, werden nicht verstummen.

Rechtsanwa­lt Walter Rubach, der Verteidige­r des 68-Jährigen, hatte gehofft, durch den Zivilproze­ss Material für ein Wiederaufn­ahmeverfah­ren zu gewinnen. Doch die Hürden für einen neuen Strafproze­ss sind sehr hoch, dieses Zivilurtei­l ist dabei nun kaum hilfreich.

Dennoch hofft er darauf, dass es irgendwann zu einer Wiederaufn­ahme des Strafverfa­hrens kommt. „Man sollte nie aufgeben“, sagt Rubach. In einem ersten Schritt will er nun Rechtsmitt­el gegen das Schmerzens­geldurteil einlegen.

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FOTO: DPA Michael Herrmann ist trotz Erfolgs vor Gericht nicht glücklich mit dem Urteil.

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