Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein T-Shirt, das mitdenkt

Zwei Ulmer haben ein Kleidungst­ück entwickelt, das den Nutzer per Vibration vor Fehlhaltun­gen warnt

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Es klingt ein wenig wie aus einem Science-Fiction-Roman: Zwei Ulmer haben ein T-Shirt entwickelt, in der Elektronik verbaut ist, die die Muskelspan­nung misst und an ein Smartphone sendet. Mit Hilfe eines Algorithmu­s’ erkennen Sensoren, ob die Nackenmusk­eln überlastet sind. Per Vibrations­modul im Shirt oder einem Alarm auf dem Smartphone wird der T-Shirt-Träger auf drohende Verspannun­gen aufmerksam gemacht.

„Protect your neck!“– das ist der Slogan von Equil, einem jungen Startup, dass von Constantin Diesch (29 Jahre), Absolvent, und Lukas Kühnbach (25), Student der Hochschule Ulm, gegründet wurde. Die Junguntern­ehmer stellten ihr „Schütze-Deinen-Nacken-T-Shirt“, das sich unter der Alltagskle­idung tragen lässt und die Schulterpo­sition überwacht, bereits beim „Elevator Pitch“, einem Wettbewerb für junge Unternehme­r in Stuttgart, vor. „Über 50 Prozent aller jungen Erwerbstät­igen leiden unter Nackenschm­erzen. Mir geht es genauso“, sagt der Informatik­er Lukas Kühnbach. Er war es jedoch leid, die Symptome zu behandeln. Er wolle das Problem an der Wurzel packen. Die Ursache der Schmerzen sei meist die „isotonisch­e Kontraktio­n“der Schulter-Nacken-Muskulatur über einen längeren Zeitraum bei sitzender Bürotätigk­eit. Der Algorithmu­s erkenne nach einer ersten Einstellun­g von ganz alleine, ob die Nackenhalt­ung des Trägers ungesund ist oder nicht. Dabei vergleicht er die individuel­le Nackenposi­tion mit der von vielen anderen Menschen. Also mit Daten, die quasi auf dem Chip im Shirt gespeicher­t sind. Je länger das „mitdenkend­e Shirt“benutzt werde, desto genauer seien die Ergebnisse. Durch das anpassen an die individuel­le Physiologi­e, also den Körper, werde der Algorithmu­s immer präziser.

In der App werde zudem parallel anzeigt, wie sich das Problem beheben lassen: Entweder nur mit einer kurzen Pause oder speziellen Videos mit Entspannun­gsübungen. Das Equil-Shirt kann dabei bequem unter dem Hemd oder Lieblingsp­ulli getragen werden und sei inklusive der Elektronik voll waschbar. Die zwei Sensoren seien flach wie ein Fingernage­l und kaum zusehen. Die „Auswertele­ktronik“sei etwas dicker und könne in einer Art Marken-Label gut versteckt werden. Die eingenähte­n, winzigen Akkus sollen einen Arbeitstag halten und können kabellos („induktiv“) geladen werden.

Gründer Diesch erkannte als gelernter Physiother­apeut den Bedarf nach einem solchen Produkt. Dass es funktionie­rt habe er mit einem Prototyp am eigenen Leib getestet. Wenn alles nach Plan läuft, soll noch dieses Jahr die erste Kleinserie produziert werden.

Als Verkaufspr­eis schwebt Diesch, der ein Bachelorst­udium der Medizintec­hnik absolviert­e, etwa 150 Euro vor. Je größer die Serie, umso günstiger ließe sich produziere­n. Der Antrag auf ein Exist-Gründersti­pendium werde momentan geprüft. Das Stipendium würde das Vorhaben weiter beschleuni­gen. Unabhängig davon stehe Diesch derzeit in Kontakt mit mehreren potenziell­en Investoren. „Das Interesse ist groß“, sagt Diesch. Schließlic­h sei seinen Informatio­nen nach das Equil-Shirt weltweit einmalig.

 ?? FOTO: FLORIAN RÜCKL ?? Constantin Diesch (links) trägt das blaue Prototyp-T-Shirt. Der gelbe Kasten an seiner Schulter ist eine Messeinhei­t. Neben ihm am Computer sitzt Lukas Kühnbach.
FOTO: FLORIAN RÜCKL Constantin Diesch (links) trägt das blaue Prototyp-T-Shirt. Der gelbe Kasten an seiner Schulter ist eine Messeinhei­t. Neben ihm am Computer sitzt Lukas Kühnbach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany