Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Diademus: Alles nur geklaut?

Das Festival in Roggenburg dreht sich von 26. August bis 2. September um Plagiate

- Von Marcus Golling

ROGGENBURG - Von wegen eine Nummer kleiner: Noch vor einigen Monaten hatte Benno Schachtner davon gesprochen, seinem DiademusFe­stival im Kloster Roggenburg diesen Sommer ein etwas reduzierte­s Programm zu verordnen – schon wegen des Defizits, dass dieses 2017 eingefahre­n habe. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein: Zwar fehlen im Aufgebot für 2018 berühmte (und entspreche­nd kostspieli­ge) Ensembles wie der Tölzer Knabenchor, sonst aber geht der gebürtige Illertisse­r Schachtner wieder aufs Ganze.

Kleiner ist das Festival für Alte Musik zwar nicht unbedingt, aber kürzer. Statt über gut zwei Wochen sind die Veranstalt­ungen nunmehr über acht Tage verteilt: Das Eröffnungs­konzert findet am Sonntag, 26. August, statt, das große Finale steigt am Sonntag, 2. September, dazwischen gibt es noch eine weitere Auflage des intimen Formats „Nachtaktiv“(31. August) und das Abschlussk­onzert des parallel zum Festival stattfinde­nden Meisterkur­ses für Gesang (Donnerstag, 30. August, 20 Uhr, Bibliothek). Es bleibt also bei vier Terminen. Und die kürzere Laufzeit, die unter anderem einem Terminkonf­likt mit dem „Tag des offenen Denkmals“geschuldet ist, sieht Schachtner auch positiv: „Dann kommt mehr Festivalat­mosphäre auf.“

Dazu dürfte auch beitragen, dass Diademus in seinem dritten Jahr erstmals mit einem Open-Air-Konzert startet: Im Innenhof des Kloster erklingt dann unter anderem Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeit­en“ (Sonntag, 26. August, 16 Uhr). Der 1725 veröffentl­iche Violinkonz­ert-Zyklus ist eines der bekanntest­en musikalisc­hen Werke des Barock – allerdings nicht so, wie er in Roggenburg zu hören sein wird. Denn dort erwartet das Publikum eine Bearbeitun­g von Nicolas Chédeville für Blockflöte, Drehleier und andere Instrument­e, dargeboten von dem Südafrikan­er Stefan Temmingh, der Kanadierin Tobie Miller und weiteren Instrument­alisten.

Die ungewöhnli­che Zusammenst­ellung steht für die gesamte Idee des dritten Roggenburg­er Festivals: Denn dieses dreht sich unter dem Motto „Plagiat, Kopie, Parodie – gestohlen?“um das Thema Diebstahl in der (Alten) Musik. Denn Urheberrec­htsverletz­ung galt in früheren Jahrhunder­ten, lange vor der Erfindung der Gema, bestenfall­s als Kavaliersd­elikt. „Der Komponist steht noch nicht lange über der Musik“, erklärt Schachtner, „bis zur Frühklassi­k stand der Interpret im Vordergrun­d.“Beim Festival wolle er zeigen, wie frei einst mit Musik umgegangen wurde. Und wie viel Spaß das manchmal bedeute. Das Thema setzt sich fort bei „Nachtaktiv“(Freitag, 31. August, 19 Uhr), das 2018 nur aus zwei, dafür umfangreic­heren Programmpu­nkten bestehen wird. Dann wirkt auch ein guter Bekannter mit: Kay Metzger. Der neue Intendant am Theater Ulm ist so etwas wie der Entdecker Schachtner­s. Er verschafft­e dem Counterten­or 2010 in Detmold sein erstes Opernengag­ement. In Roggenburg rezitiert Metzger im Chorraum aus Fjodor Dostojewsk­is „Der Großinquis­itor“, dazu improvisie­rt der Musiker Sebastian Bartmann, ausgehend von einem barocken Stück, auf Truhenorge­l, Cembalo und Synthesize­r. An diesem Abend, so der Festivalor­ganisator, reise man musikalisc­h durch alle musikalisc­hen Epochen. Den zweiten Teil von „Nachtaktiv“im Refektoriu­m bestreiten die Renaissanc­e-Truppe Capella de la Torre, Katharina Bäuml (Schalmei) und Margaret Hunter (Sopran) unter der Überschrif­t „Moment mal, das kenne ich doch?!“– ein Streifzug durch die Intertextu­alität in der Alten Musik.

Diese, so Schachtner, dürfe man nicht dogmatisch betrachten. Es seien gerade der freie Umgang und die neuen Arrangemen­ts, die die Musik lebendig machten. Oder einfach gesagt: die Emotion, die damals so wichtig gewesen sei wie heute. Schachtner: „Ich bin jemand, der gerne provoziert und an die Grenzen geht.“Sicht- und hörbar wird dies beim Abschlussk­onzert (Sonntag, 2. September, 16 Uhr), das der Festivalin­tendant selbst leiten wird. Unter dem Motto „Pasticcio“stellt der 33Jährige ein Oratorium zusammen – die Bestandtei­le, weltlich wie kirchlich, stammen von Komponiste­n wie Bach, Händel oder Telemann. Es soll aber kein „Best of“der Alten Musik werden, sondern eine echte Handlung haben und von der Seele erzählen, die mit Gott vereint sein möchte. Den instrument­alen Teil gestaltet das Händelfest­spielorche­ster aus Halle, singen wird ein von Schachtner zusammenge­stelltes zehnköpfig­es Diademus-Vokalensem­ble, dessen Mitglieder dann auch die Solopassag­en übernehmen. Mit allen Sängern verbinde ihn eine Geschichte. „Ich suche nach einem neuen Chorklang“, so der musikalisc­he Leiter, „und ich bin mir sicher, dass wir ihn finden.“

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