Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Mutti, das ist alles der Wahnsinn!“

Ramon Klenz, der Michael Groß’ Uralt-Rekord gebrochen hat, will die Schwimm-EM genießen

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GLASGOW (SID/dpa) - Seinen 20. Geburtstag verbrachte Ramon Klenz im Pool. Nicht, um dort eine Party zu feiern, sondern um sich für die Europameis­terschaft in Glasgow einzuschwi­mmen. Noch bevor er am Donnerstag­abend von seinen Teamkolleg­en mit einer Torte und einem Ständchen überrascht wurde, holte sich der deutsche Senkrechts­tarter den letzten Schliff für seine Premiere im internatio­nalen Becken.

„Es ist schon cool hier“, sagte der Hamburger mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Streng genommen war der deutsche Rekordhalt­er über 200 Meter Schmetterl­ing schon einmal bei einer internatio­nalen Meistersch­aft dabei. Als seine Mutter Sabine bei der WM 1998 im australisc­hen Perth auf den Lagenstrec­ken startete, war sie mit ihm in der neunten Woche schwanger.

Jetzt feiert Ramon Klenz, ein gebürtiger Leipziger, seine richtige Premiere in einem internatio­nalen Becken. „Er ruft mich an und sagt: ,Mutti, das ist alles der Wahnsinn!‘ Ich beruhige ihn dann und sage, dass er Spaß haben soll“, sagte seine Mutter Sabine Krauß. Das wird er in Glasgow sicher, denn „Ramon war immer ein Typ, der zu den Cracks aufgeschau­t hat“. An den Wänden seines Jugendzimm­ers hingen früher Poster von Michael Phelps, ein Autogramm des Rekord-Olympiasie­gers, das ihm seine Oma bei den Sommerspie­len 2008 in Peking besorgt hatte, stand eingerahmt auf seinem Schreibtis­ch.

„Albatros“Michael Groß war zwar nicht unbedingt sein Idol, aber dessen 32 Jahre alten deutschen Rekord über 200 Meter Schmetterl­ing (1:56,24 Minuten) wollte Ramon Klenz unbedingt brechen. Bei den nationalen Titelkämpf­en vor zwei Wochen gelang ihm das in 1:55,76 Minuten, und plötzlich geht der Delfinschw­immer im 200-Meter-Rennen am Samstag als Europas Nummer 3 an den Start. „Der junge Kerl soll Erfahrunge­n sammeln“, sagt Bundestrai­ner Henning Lambertz. Mit einem Finaleinzu­g würde Klenz seine Nachnomini­erung „bereits rechtferti­gen“.

Ramon Klenz gilt als Mann für die Zukunft, die Schwimmkar­riere ist ihm quasi in die Wiege gelegt worden. Nicht nur die Mutter (EM-Silber 1991), auch sein Vater Karl-Heinz, sein Onkel Stefan Herbst (WM-Bronze 2001 und 2003) und die Großeltern waren erfolgreic­he Schwimmer.

Überzeugt vom Kraftkonze­pt

Für den Bundestrai­ner ist Ramon Klenz – er gewann in Berlin auch die deutschen Titel über 100 Meter Schmetterl­ing und 400 Meter Lagen – aber aus einem anderen Grund ein Vorzeigeat­hlet. Er ist einer, der Lambertz’ nicht unumstritt­enes Kraftkonze­pt voller Überzeugun­g umsetzt. „Viele behaupten, als 200-Meter-Delfinschw­immer darf man nicht zu viel Muskulatur mit sich schleppen, Ramon zeigt uns das Gegenteil“, sagt Lambertz über den kräftig gebauten Athleten, der bei Kniebeugen 150 Kilogramm Gewicht auf den Schultern stemmen kann.

Neben den zusätzlich­en Muskeln hilft Ramon Klenz jetzt auch, dass er sich nach dem erfolgreic­hen Abitur 2017 jetzt voll und ganz auf seinen Sport konzentrie­ren kann. Er und Lagenschwi­mmer Jacob Heidtmann pushen sich in der Hamburger Trainingsg­ruppe von Veith Sieber gegenseiti­g. Heidtmann, Olympiafün­fter von Rio 2016, freute sich riesig, dass sein Kumpel „den Moonwalk durch die Hintertür“nach Glasgow gemacht hat.

Heidtmann selbst saß als Athletensp­recher mit im Nominierun­gsausschus­s, der den Daumen für Ramon Klenz hob und für Ex-Weltmeiste­r Marco Koch senkte. Jetzt will Ramon Klenz beweisen, dass das kein Fehler war: „Ich werde versuchen, meine Form zu halten und wieder meine Leistung zu bringen.“

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FOTO: IMAGO Glasgow soll Spaß machen: Ramon Klenz ist der Mann, der „Albatros“Michael Groß beerbt hat. Lohn war die EM-Nominierun­g.

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