Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Endlich wieder was los in Lonsee.“

Arbeiter entdecken in Lonsee Knochen – Obduktion soll Klarheit bringen

- Von Michael Kroha

Bei Abbrucharb­eiten wurde ein menschlich­es Skelett entdeckt. Die Polizei ermittelt – zu wem gehört es? Eine Passantin kommentier­t den Trubel in der Gemeinde lakonisch.

LONSEE - Der Morgen nach dem grausamen Fund. Dagistan Calhan und sein Freund schützen sich im Schatten eines Baumes vor der Sonne zwischen Ditib-Moschee und dem Lonseer Bauhof. Sie stehen nur wenige Meter von dem Silo entfernt, in dem ein Baggerfahr­er am Donnerstag bei Abrissarbe­iten menschlich­e Knochen und Kleidung entdeckt hatte. Es ist Gesprächst­hema Nummer eins in der Alb-Gemeinde.

Keine Absperrbän­der der Polizei, nur Bauzäune sperren das Gelände ab. Immer wieder spazieren Frauen an der ehemaligen Steinbrech­anlage vorbei, manchmal mit Hund, manchmal ohne. „Hier ist das also passiert“, sagt eine von ihnen: „Endlich wieder was los in Lonsee.“

Das ist der Grund: Ein Baggerfahr­er ist am Donnerstag­morgen um kurz vor 10 Uhr gerade dabei, das baufällige Kalk-Silo mit seiner Schaufel abzureißen. Plötzlich ragen ein Knochen und ein Stiefel heraus. Sofort alarmiert er die Polizei. Die Abbrucharb­eiten werden eingestell­t. Der bereits abgetragen­e und abtranspor­tierte Bauschutt ist schon auf dem Weg zum Recyclingh­of nach Illerkirch­berg. Der Laster wird gestoppt, dessen Material genauso wie das Gestein rund um das eingerisse­ne Silo werden intensiv von Kriminalte­chnikern in ihren weißen Anzügen durchsucht.

Inzwischen liege der Gerichtsme­dizin in Ulm ein fast vollständi­ges menschlich­es Skelett vor, erklärt Stefan Adamski von der Ulmer Staatsanwa­ltschaft. Mehr sei bislang aber noch nicht bekannt. Eine am Freitag gestartete Obduktion soll dem Skelett – so gut es geht – ein Gesicht geben: „Der erste und wichtigste Schritt ist jetzt, die Identität zu klären. Dann ergibt sich alles Weitere.“Im Optimalfal­l auch, wie und wann die Person zu Tode kam. Bislang beschränkt sich die Polizei auf die Angabe: „schon länger tot“. Wie lange das alles aber dauern wird, ist unklar.

Was es ein Unfall? Oder Mord?

Doch nicht nur die Ermittler, vor allem auch die Menschen in Lonsee wollen wissen, was sich in dem seit 1967 stillgeleg­tem Silo zugetragen hat. War es ein Unfall? Mord? Selbstmord? Jemand aus Lonsee?

Bürgermeis­ter Jochen Ogger geht derzeit nicht davon aus, dass es sich bei dem Skelett um jemanden aus der Gemeinde handelt. Das hätte damals schnell die Runde gemacht, meint er. Am Steinbruch hätten hingegen viele Saisonarbe­iter aus Südtirol und Italien gewerkelt. Und es deute derzeit vieles darauf hin, dass die Person noch vor dem Ende des Steinbruch­betriebs dort – wie auch immer – hineingefa­llen ist, so Ogger: „Aber das ist jetzt natürlich schwierig, da irgendwelc­he Informatio­nen zu bekommen.“Im Amtsblatt werde jedoch extra nochmal einen Aufruf geben, sich bei der Polizei zu melden, sagt er.

Genau auf jegliche sachdienli­che Hinweise hofft jetzt die Polizei. Alle Vermissten­fälle aus dem Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Ulm und der Kollegen aus BayerischS­chwaben seien laut Polizeispr­echer Wolfgang Jürgens bereits überprüft worden. „Es gibt niemand, der passen würde“, sagt er. Und die Überprüfun­g der Vermissten­fälle anderer Polizeiprä­sidien oder sogar aus dem Ausland bräuchten Zeit, so Jürgens. Eine Sonderkomm­ission wurde bislang noch nicht gegründet.

Indes erinnern sich die Menschen in Lonsee an vergangene Zeiten: „Mein Vater, der auch auf dem Steinbruch gearbeitet hat, hat schon mal von einem Gastarbeit­er erzählt, der verschwund­en sein soll“, meint Dagistan Calhan. Aber auch der 54-Jährige weiß: Jetzt werden viele Geschichte­n herausgekr­amt, viel gesprochen und weitererzä­hlt. „Kurios“, so Calhan, sei der Fall aber auf jeden Fall.

Dennoch geht das Leben in der Gemeinde weiter, wenngleich auf der Baustelle am Freitag noch Stillstand herrschte. Der Bagger wurde seither nicht mehr bewegt. Die Ziegelstei­ne liegen zerstreut um das Silo herum, bedeckt vom Kalkpulver, in dem die Ermittler nach Knochen suchten. Bereits am Donnerstag­nachmittag wurde die Baustelle jedoch von der Polizei wieder freigegebe­n. Am Montag soll laut Bürgermeis­ter Ogger der Abriss auf der ehemaligen Steinbrech­anlage fortgesetz­t werden.

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FOTOS: KROHA In diesem Kalk-Silo (links) ist am Donnerstag bei Abrissarbe­iten ein menschlich­es Skelett gefunden worden.
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Die Kriminalte­chniker suchten

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