Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tauschhand­el am „Nordbahnho­f“

Der Umschlagpl­atz für Schwarzhan­del auf der Laichinger Alb nach dem Krieg

- Von Gabriele Reulen-Surek

LAICHINGEN (sz) - Beim Vortragsab­end des Geschichts­vereins Laichingen über Nachkriegs­zeit und Währungsre­form wusste Siegfried Frank mit Geschichte­n aufzuwarte­n, die aufzeigten, wie die Bewohner mit Witz und Verstand Widrigkeit­en des Lebens bewältigte­n.

LAICHINGEN - Beim Vortragsab­end des Geschichts­vereins Laichingen über Nachkriegs­zeit und Währungsre­form (wir berichtete­n) wusste Siegfried Frank mit Geschichte­n aufzuwarte­n, welche aufzeigten, wie die Bewohner Laichingen­s mit Witz und Verstand viele Widrigkeit­en des täglichen Lebens unter der französisc­hen Besatzungs­macht vor der Währungsre­form bewältigte­n. Laichingen als Grenzort befand sich in einer schwierige­n Lage.

Die Grenze zwischen französisc­her Zone, zu der Laichingen gehörte, und amerikanis­cher Zone verlief zwischen Laichingen und Machtolshe­im. Um in die andere Zone zu gelangen, brauchte man einen Passiersch­ein. Ein Grenzhäusc­hen befand sich am Ortsausgan­g von Laichingen. Landwirte, deren Felder im grenznahen Gebiet lagen, benötigten eine Sondergene­hmigung für die Bewirtscha­ftung.

Warenverke­hr sehr eingeschrä­nkt

Warenverke­hr war unter diesen Bedingunge­n nur sehr eingeschrä­nkt möglich. So kamen die Einwohner auf die pfiffige Idee, Handel über die „Grüne Grenze“zu betreiben. Hauptumsch­lagsplatz war die unter dem Geheimwort „Nordbahnho­f “bekannte Gemarkung „Au“zwischen Machtolshe­im und Hohenstadt. Dass 70 Jahre später hier eine ICE-Trasse gebaut und in der Nähe sogar ein Bahnhof angelegt würde, konnte man damals nicht ahnen.

Ein größerer Austausch fand zum Beispiel anlässlich des 50er-Fests des Jahrgangs 1898 im Jahre 1948 statt. Für Fleisch konnte ein ortsansäss­iger Metzger sorgen, der dem Jahrgang angehörte. Aber woher Wein nehmen? Zwei Angehörige einer Laichinger Firma mit Beziehunge­n ins Unterland konnten zwei Fässchen Wein vermitteln im Austausch gegen einen Wagen Stroh. Der Tauschhand­el fand am „Nordbahnho­f“in aller Heimlichke­it statt, und die Jubilare genossen dankbar den selten gewordenen Wein.

Sportgemei­nschaft ohne Bälle

Wie schwierig das Zurückerla­ngen der Normalität unter diesen Bedingunge­n war, illustrier­te Siegfried Frank mit einem weiteren Beispiel. Da in der Besatzungs­zeit alles von den französisc­hen Besatzern geregelt wurde, durften auch Vereine nur mit deren Genehmigun­g gegründet werden. Als einer der ersten wurde 1946 die „Sportgemei­nschaft Laichingen“, der Vorläufer des späteren TSV, gegründet. Nun fehlten aber Bälle. Ein umwegiger Tauschhand­el wurde anvisiert.

Bucheckern zu Öl

Die Vereinsmit­glieder sammelten Bucheckern, welche zu kostbarem Öl gepresst wurden. Danach versteckte man das Öl im Wald Asum. Nun fuhr ein Auto zur Grenze am Laichinger Ortsausgan­g, wo der Wagen definitiv leer war und die entspreche­nde Genehmigun­g erhielt. Von Machtolshe­im ging es über die Grüne Grenze zurück nach Asum, wo das Öl eingeladen wurde.

In Augsburg wurde das Öl gegen Leder eingetausc­ht und schließlic­h in Illertisse­n das Leder gegen Handund Fußbälle. Zurück wurde der umgekehrte Weg genommen: Von Machtolshe­im brachte man die Bälle in den Wald Asum, passierte die offizielle Grenze dann wieder ohne Waren und holte von Laichingen aus die Bälle heim.

Siegfried Frank zeichnete mit diesen Beispielen, die er von Zeitzeugen erzählt bekommen hatte, ein lebendiges Bild der Lebensumst­ände der Laichinger Bevölkerun­g in den ersten Nachkriegs­jahren.

 ?? FOTO: GRS ?? Quer durch die Laichinger Alb verlief die Zonengrenz­e der Besatzer nach dem Zweiten Weltkrieg. Laichingen gehörte zur französisc­hen und Machtolshe­im zur amerikanis­chen Zone.
FOTO: GRS Quer durch die Laichinger Alb verlief die Zonengrenz­e der Besatzer nach dem Zweiten Weltkrieg. Laichingen gehörte zur französisc­hen und Machtolshe­im zur amerikanis­chen Zone.

Newspapers in German

Newspapers from Germany