Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Historisch­e Wanderung

Interessan­te historisch­e Wanderung durch Ennabeuren mit Rudolf Schaufling­er zu markanten Plätzen und Stellen

- Von Hansjörg Steidle

HEROLDSTAT­T (sz) - Viele historisch­e Daten und Fakten von ihrer Heimat haben die rund 200 Besucher bei einem weiteren Streifzug durch die Geschichte Ennabeuren­s erfahren. Rudolf Schaufling­er, der die Geschichte seines Heimatorte­s intensiv aufgearbei­tet hat, führte die Gäste durch den Ort.

HEROLDSTAT­T - Viele weitere historisch­e Daten und Fakten von ihrer Heimat haben die rund 200 Besucher bei einem weiteren Streifzug durch die Geschichte Ennabeuren­s erfahren. Rudolf Schaufling­er, der die Geschichte seines Heimatorte­s intensiv aufgearbei­tet hat, führte die Gäste durch den Ort – diesmal zu den Kirchen und Pfarrhäuse­rn auf den Heiligen Berg und dann über die Steinstett­er Straße hinunter vorbei an den Gasthäuser­n Krone, Rössle und Engel zum Backhaus in der Hülbenstra­ße, bei der einst die große Hüle im Ort zu finden war. Schaufling­er verriet, was er in vielen Archiven in langjährig­er Arbeit zusammenge­tragen hat. Und er garnierte seine Ausführung­en mit einigen Anekdoten.

Die Ortsgruppe des Schwäbisch­en Albvereins und die Trachtenka­pelle Ennabeuren haben die historisch­e Wanderung durch den Heroldstat­ter Ortsteil veranstalt­et. Bereits vor zwei und drei Jahren stieß ein Streifzug durch die Ortsgeschi­chte generation­sübergreif­end auf sehr großes Interesse. So ist es auch bei der jüngsten Neuauflage wieder der Fall gewesen. „Traditione­lles gilt es auch in Ennabeuren zu bewahren“, erklärte die Vorsitzend­e beider Vereine, Sabrina Hertrich, bei ihrer Begrüßung. Sie freute sich über das enorme Interesse so vieler Teilnehmer, die Neues von ihrem Heimatort erfahren wollten. Ihr Dank galt Hobbyhisto­riker Rudolf Schaufling­er, der bei dem Rundgang durch den „Großen Stock“sowie mit einer interessan­ten Bildpräsen­tation im Festzelt den Gästen ein Stück Heimatgesc­hichte näherbrach­te.

900 Jahre Ortsgeschi­chte

„900 Jahre Zeitgeschi­chte, das bedeutet aus vielen Zahlen und Fakten aus Kirchenbüc­hern, Archiven, Zeitungen und einem breiten privaten Fundus die wichtigste­n Schlagzeil­en kompakt darzustell­en, was kein leichtes Unterfange­n ist“, legte Schaufling­er dar und lud die Besucher zu seinem spannenden Gang durch die Geschichte Ennabeuren­s ein. Die beiden Kirchen im Ort bildeten zwei Schwerpunk­te der Tour.

Vor der Cosmas- und Daminankir­che ließ der Hobbyhisto­riker wissen, dass auf Anordnung von Herzog Christoph die Kirchhöfe mit einer Mauer zum Schutz der Bevölkerun­g und der Fracht- und Salzfuhrwe­rke zu umfassen waren. Die heutige evangelisc­he Kirche sei erstmals 1275 urkundlich erwähnt worden und war einst eine Volks- oder Fliehburg oder Wehrkirche. Vermutlich sei die Cosmasund Damiankirc­he auf den Grundmauer­n einer Peterskape­lle gebaut worden.

Die Rache des Herzogs

Und zu dieser Kapelle hatte Rudolf Schaufling­er Interessan­tes zu sagen: 1129 habe Herzog Friedrich II, der „Einäugige“und der Vater von Friedrich Barbarossa, den Flecken Oninburrin „mit Feuer und Schwert“total verwüstet und seine Mannen hätten nicht mal Halt vor dem romanische­n Kirchlein gemacht. Der Altartisch sei den Heiligen Berg hinunter geworfen worden und lag 800 Jahre unbenutzt als Fußboden im Totenhäusc­hen, bis der Tuffstein seit 1980 zum Altar in der Friedhofsk­apelle wurde: Der Grund für den Rachefeldz­ug und die Verwüstung­en: Zwei Jahre zuvor, 1127, hätten Bauern Ennabeuren­s in „wahnsinnig­er Verblendun­g“Herzog Friedrich II. verjagt.

Schaufling­er machte Ausführung­en zum Wiederaufb­au und zu Umbauten der evangelisc­hen Kirche und setzte dann zu einem großen Zeitsprung in die Jahre 1907 und 1988 an, als Kirche und Kirchturm renoviert wurden. Interessan­t waren seine Daten zu den vier Kirchenglo­cken: zur Betglocke von 1502 bei (rund 650 Kilogramm), zur Kreuzglock­e von 1498 (rund 400 Kilo), zur Taufglocke von 1517 (rund 50 Kilo) und zur Zeichenglo­cke von 1963 (rund 200 Kilo). Schaufling­er stellte einen interessan­ten Vergleich an: Die mit 202 Tonnen schwerste Zarenglock­e im Moskauer Kreml (1733 bis1735) sei nie geläutet worden und die Schwörgloc­ke im Ulmer Münster wiegt 3,5 Tonnen. Seit 1961 erfolgt das Glockenläu­ten elektrisch. 1988 wurde bei der Renovierun­g die Kirchturmk­apsel geöffnet, interessan­ter Inhalt tauchte auf.

Während die Reformatio­n in Württember­g 1534 erfolgte, sei sie erst 1594 in Ennabeuren umgesetzt worden und gewaltige soziale Spannungen habe es in den Jahren 1596 bis 1935 – also 339 Jahre lang – gegeben, als die Cosmas- und Damiankirc­he als Simultanki­rche genutzt wurde. „Man wollte damals möglichst nichts miteinande­r zu tun haben, schon gar nicht aufeinande­r angewiesen sein“, schilderte Schaufling­er die Situation zwischen Protestant­en und Katholiken, die etwa den eigenen Dorfschmie­d und die eigenen Koloniallä­den hatten und die einander das Obst von den Bäumen schüttelte­n. Hunde sollen gar auf den evangelisc­hen Pfarrer Martin Rebstock gehetzt worden sein. Wer zu welcher Kirche gehörte, ist in einer Quelle nachzulese­n: „Ab 1593 gingen die helfenstei­nischen und ab 1627 die fürstenber­gischen Untertanen zur katholisch­en Messfeier, die grafenecki­schen und württember­gischen Untertanen besuchten die evangelisc­he Predigt.“

Kirchweih lockt Bettler an

Ab 1758 feierten die Katholiken ihre eigene Kirchweih verbunden mit dem Kirchenpat­rozinimum am 26. September, was 600 bis 700 Bettler und Vaganten in den Ort zog, bei gerade mal knapp 350 Einwohnern. „Eine unvorstell­bare Zahl“, wie der Hobbyhisto­riker sagte. Deshalb habe sich er evangelisc­he Pfarrer Seefried beim Königliche­n Oberamt beschwert: „Von dem häufig eindringen­den Schwarm solcher meist verdächtig­er Gauner und Vaganten wären Brand und Raub zu erwarten.“

Ennabeuren war bis 1806, bis zum großen Einfluss Napoleons, zwischen den Häusern Fürstenber­g und Württember­g de jure hälftig geteilt gewesen, wobei de facto die Württember­ger das Übergewich­t hatten, ist in Quellen nachzulese­n. Jede Herrschaft besteuerte ordentlich ihre Untertanen und sprach Recht. Von 1773 an durfte übrigens kein Mann vor dem 25. Lebensjahr heiraten, da der Herzog Soldaten brauchte.

Auf dem Heiligen Berg wusste Schaufling­er Interessan­tes zu den beiden Pfarrhäuse­rn, dem evangelisc­hen und dem ehemaligen katholisch­en: So habe der evangelisc­he Pfarrer Seefried schon 1747 zum Zustand des Wohnhauses von einer „verdrießli­chen Angelegenh­eit“gesprochen, in dem die Kühe im Untergesch­oss mit den Hörnern gegen den Fußboden gestoßen haben sollen und er mit seiner Frau fast durch die verfaulten Bretter in den darunter gelegenen Stall gefallen sei. Auch Pfarrer Schnizer schrieb 1882, wie „beschämend“es sei, „in einem alten hässlichen Haus wohnen zu müssen“, während der katholisch­e Kollege gegenüber „in einem trefflich ausgestatt­eten Haus“leben dürfe.

In einer langen Prozession und einer Pilgergrup­pe gleichend zogen die rund 200 Exkursions­teilnehmer dann zur katholisch­en Kirche Mutter Maria, die 1936 gebaut wurde und die 1986 ihr 50-jähriges Bestehen feierte. Geprägt habe das Leben der katholisch­en Kirchengem­einde im vergangene­n Jahrhunder­t vor allem Pfarrer Josef Kulmus in den Jahren 1925 bis 1974, der seelsorger­isch und missionari­sch sehr aktiv gewesen sei und ein ausgeprägt­es Organisati­onstalent mitbrachte, so Schaufling­er.

Sich dem Hitler-Gruß widersetzt

Er berichtete von den Begegnunge­n der Ennabeurer mit Pater Josef Kentenich im April und Mai 1945 nach dessen Entlassung aus dem Konzentrat­ionslager Dachau nach mehrjährig­er Haft. Pfarrer Kulmus sei während der Nazi-Diktatur – auch wegen des Schulhauss­treits – Repressali­en ausgesetzt gewesen und 1936 von der Gestapo gar verhaftet und verhört worden, weil er bei der Hand nach oben nicht „Heil Hitler“, sondern „Gelobt sei Jesus und Maria“gesagt habe.

„Westbahnho­f“in Ennabeuren

Unter der Regie von Pfarrer Kulmus sind gebaut worden 1950 das Heim „Marienkron“, das 1986 aufgegeben und dann als Pfarrhaus diente, sowie 1967 der Kindergart­en „Mariengart“, der seit 2012 katholisch­es Gemeindeha­us ist. Das frühere Josefshaus konnte deshalb abgerissen werden. Bei der 1927 geweihten Schönstatt­Kapelle habe nach dem Zweiten Weltkrieg der Schwarzmar­kt geblüht und die Stelle sei als „Westbahnho­f“bezeichnet worden, verriet Schaufling­er.

Weitere Stationen der Exkursion in die Geschichte Ennabeuren­s bildeten die zahlreiche­n Gasthäuser, die einst in dem Ort zu finden waren, bevor die Besucher im Festzelt Bilder von früher und heute in einer interessan­ten Präsentati­on sahen und die rasante und wechselvol­le Entwicklun­g des Orts erlebten. Zu erfahren war, dass das älteste Haus Ennabeuren­s in der Steinstett­er Straße steht und aus dem Jahr 1575 stammt.

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FOTOS: HANSJÖRG STEIDLE Gleich einer Prozession pilgerten die rund 200 Teilnehmer bei der historisch­en Wanderung durch Ennabeuren von Kirche zur Kirche. Jung und Alt waren dabei.
 ??  ?? Station vor der katholisch­en Kirche Mutter Maria in Ennabeuren, wo Rudolf Schaufling­er von Pfarrer Kulmus und Pater Kentenich erzählte.
Station vor der katholisch­en Kirche Mutter Maria in Ennabeuren, wo Rudolf Schaufling­er von Pfarrer Kulmus und Pater Kentenich erzählte.
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Station in der Abendsonne vor der Cosmas- und Damiankirc­he.
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Rudolf Schaufling­er wartete mit vielen Daten und Fakten auf.
 ??  ?? Ein wichtiger historisch­er Ort war einst der Platz vor dem Rössle.
Ein wichtiger historisch­er Ort war einst der Platz vor dem Rössle.
 ??  ?? Rudolf Schaufling­er vor der einstigen Flieh- und Wehrburg im Ort.
Rudolf Schaufling­er vor der einstigen Flieh- und Wehrburg im Ort.

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