Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Rucksack randvoll mit Kokain und Heroin
Ein mutmaßlicher Drogenschmuggler, der betrunken im ICE auffiel, steht vor Gericht – Jetzt muss er für über sechs Jahre ins Gefängnis
ULM - An jenem 3. Februar 2018 lief für einen professionellen Drogenkurier alles schief. Mit einem Rucksack, randvoll mit Kokain und Heroin im Wert von über 100 000 Euro vollbepackt, wollte er sturzbetrunken von Dortmund in seine Heimatstadt Saarbrücken mit dem ICE fahren. Er stieg aber in den Zug nach München ein. Dort belästigte er alkoholbedingt weibliche Fahrgäste und machte soviel Radau, nachdem der ICE Stuttgart passiert hatte, dass der Zugführer die Bundespolizei alarmierte, die den Angeklagten auf dem Ulmer Hauptbahnhof in Empfang nahm. Jetzt wurde der mehrfach vorbestrafte Mann von der Ersten großen Strafkammer des Landgerichts Ulm zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem werden die 10 000 Euro, die man bei ihm in der Wohnung fand, als inkriminiertes Geld eingezogen. Die Scheine waren im Tiefkühlfach seines Kühlschrankes versteckt.
Sowohl bei den polizeilichen Vernehmungen als auch in der jetzigen Verhandlung machte der 51-jährige Angeklagte zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft keine Angaben und nutzte das ihm zustehende Verweigerungsrecht.
Zu seiner Person gab er allerdings Auskunft. Der zuletzt arbeitslose Saarbrücker ist deutscher Staatsbürger und stammt aus der Stadt Georgiewka in Kasachstan. Nach seinem Wehrdienst siedelte er mit seiner Frau nach Deutschland um, arbeitete hier zunächst in einer Schokoladenfabrik dann als Zeitarbeiter. Zu seinem massiven Alkoholkonsum kam im Lauf seines Leben die Drogensucht hinzu, die er offensichtlich durch verbotenen Einfuhr und Handel von Kokain und Heroin finanzierte. Zuletzt wurde er dafür zu einer dreijährigen Haftstrafe vom Landgericht Saarbrücken verurteilt, die er in einer geschlossenen Entzugsanstalt verbrachte. Die Anklage umfasste damals insgesamt 190 Fälle wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel.
Im Gefängnis wurde er durch die Therapie schließlich trocken, so dass ihm eine kurze Reststrafe erlassen wurde. Doch in Freiheit wurde der verheiratete Mann schnell rückfällig Als er die aktuelle Tat im Februar dieses Jahres beging, stand er unter Bewährungsaufsicht bis Oktober 2019. Deshalb kannte das Landgericht jetzt keine Gnade und ließ sich auf die Bitte des Verteidigers in seinem Plädoyer nicht ein, es noch mal im Gefängnis mit einem Entzug als letzte Chance für seinen Mandanten zu versuchen.
Angeklagter kann sich an nichts mehr erinnern
In der Beweisaufnahme wurde der Angeklagte schwer belastet. Zwar hatte er keine Angaben bei der Polizei gemacht, doch gegen über dem medizinischen Sachverständigen gab er ausführlich an, dass er sich an die Geschehnisse nicht mehr erinnern: Weder an eine Reise nach Holland, noch an die dortigen Übernachtungen. „Ich habe nur gesoffen“. Er sei mit einem Freund nach Holland gefahren, der dort ein Auto habe kaufen wollen. Er könne sich nicht erinnern, wie er in den Besitz der Drogen gekommen sei.
Von dem Drogenrucksack wollte er nichts wissen. Doch aufgrund von Zeugenaussagen wurde der einwandfrei dem Mann zugewiesen. Dass er sich in den Niederlanden – vermutlich Rotterdam – aufgehalten hat, ergab sich aus den sichergestellten Reiseunterlagen und der festgestellten Einbuchung des mitgeführten Handys.
Die Kammer entsprach in ihrem Urteil exakt den Forderungen des Anklagevertreters. Der Verteidiger plädierte auf eine wesentliche Verringerung der Strafe, weil nach seiner Ansicht der Vorwurf der Einfuhr der Drogenware nicht exakt bewiesen werden konnte. Er erwägt jetzt einen Revisionsantrag, weil die Ulmer Kriminalpolizei nicht der Bitte des Beschuldigten um einen Rechtsanwalt bei der Vernehmung entsprochen habe. Der vernehmende Beamte will davon aber nichts mitbekommen haben.