Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Angebliche Vergewaltigung von Münsingen war frei erfunden
Das 17-jährige Mädchen hat bereits zugegeben, dass die Geschichte erlogen war – Ihr Motiv liegt offenbar im persönlichen Bereich
MÜNSINGEN - Die angebliche Vergewaltigung einer 17-Jährigen in Münsingen hat es nie gegeben. Zu diesem Schluss kommen die Ermittler nach der Befragung mehrerer Zeugen und Auswertung der gesicherten Spuren. Wie die Polizei am Freitag mitteilte, habe das Mädchen im Beisein ihrer Anwältin inzwischen eingeräumt, die Tat erfunden zu haben. Das Motiv der Jugendlichen, sich so etwas auszudenken, soll nach Angaben der Reutlinger Polizei im persönlichen Bereich liegen.
Zuvor hatte es geheißen, dass die 17-Jährige am Mittwochabend, 25. Juli, erst in der Reichenaustraße von einem Mann und einer Frau in einen sehr alten Kombi mit Stuttgarter Kennzeichen gezerrt wurde. Im Bereich Galgenberg soll dann die Frau die Jugendliche festgehalten und mit dem Messer bedroht haben, während sich der Mann an dem Mädchen vergangen haben soll. Doch wie sich jetzt herstellte, ist das alles so nie passiert. Jedes Wort der vermeintlich grausamen Tat war von dem angeblichen Opfer frei erfunden.
„Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagte Christian Wörner, Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen, und wirkte dabei fast schon etwas sprachlos: „Die Anzeige kam rein, wir haben sie bearbeitet, jetzt sind wir zu einem Ergebnis gekommen und das haben wir nun veröffentlicht. Die Bevölkerung kann wieder beruhigt weiterleben.“
Dennoch wirft der Fall Fragen auf – vor allem eine: Wieso erfindet eine 17-Jährige eine solche Geschichte, die eine ganze Stadt und womöglich auch eine ganze Region in Atem hält? Hierzu will Polizeisprecher Wörner nicht mehr sagen als das, was bereits in der gemeinsamen Mitteilung des Polizeipräsidiums Reutlingen und der Staatsanwaltschaft Tübingen steht: Das Motiv solle demnach im persönlichen Bereich liegen. Und das heißt? „Mehr kann und dürfen wir nicht sagen, auch aus Schutz der Minderjährigen“, so Wörner.
Die angebliche Tat hätte an einem Mittwoch sein sollen, die Polizei ging damit am Freitag danach an die Öffentlichkeit. Unter anderem deshalb gibt es noch eine weitere Frage, die nicht nur in diesem Fall, sondern vermutlich generell gestellt werden muss: Inwiefern wird überhaupt eine Anzeige oder ein Sachverhalt seitens der Polizei geprüft, bevor sie über den Presseverteiler an die Öffentlichkeit gelangt? „Wir sind unser Berichterstattungspflicht nachgekommen“, erklärt Wörner: „Aber wir wägen natürlich schon ab, machen wir es oder machen wir es nicht.“
Dieser Fall sei jedoch spektakulär gewesen. Und hätte sich der Sachverhalt als wahr herausgestellt oder es wäre sogar eine zweite, ähnliche Tat passiert, dann, so Wörner, hätte die Frage auch anders lauten können: Warum ist die Polizei nicht schon früher an die Öffentlichkeit gegangen?
Dass Frauen, die auch sexuell missbraucht oder belästigt wurden, jetzt sich nicht mehr trauen, den Vorfall der Polizei zu melden, hofft Wörner nicht: „Das wäre der völlig falsche Weg“, sagt er: „Wir können jedem nur raten, Anzeige zu erstatten. Wir nehmen jede dieser Anzeigen sehr ernst.“