Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie viele Kletterpar­ks verträgt die Region?

Viele Menschen wollen mit kraftvolle­n Griffen hoch hinaus - Viele neue Anlagen

- Von Jens Carsten Extremberg­steiger Alexander Huber zeigte 2012 in Neu- Ulm sein Können.

ILLERTISSE­N - So mancher Kletterfan in Illertisse­n und Umgebung dürfte vor Freude feuchte Finger bekommen: Der Bau des lang ersehnten Klettertur­ms hat in dieser Woche begonnen, im Frühjahr soll die Anlage in der Friedhofst­raße in Betrieb gehen. 17 Meter wird der Turm in die Höhe ragen und auf einer Fläche von 850 Quadratmet­ern 150 Kletterrou­ten bieten. Über ein automatisi­ertes Eintrittss­ystem sollen die Kraxler auf die Anlage gelangen – und durch die Eintrittsg­elder zur Refinanzie­rung der Freiluft-Anlage beitragen. Für die muss die hiesige Sektion des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) rund 650 000 Euro aufbringen. Eine Herausford­erung, obwohl die Sparkasse als Hauptspons­or die Kasse aufmacht. Ist der Turm fertig, sollen in einem zweiten Bauabschni­tt eine Boulderhal­le und Vereinsräu­me entstehen. Und damit weitere Kosten. Rechnet sich das?

Sorgen um die Auslastung machen sich die Illertisse­r Alpinisten nicht: Kletterer verlangten nach Abwechslun­g. Die werde ihnen in der Vöhlinstad­t geboten, hieß es beim offizielle­n Baubeginn des Turms. Die Besucherza­hlen seien genau kalkuliert. Einen Reiz biete die Illertisse­r Anlage durch ihren Freiluftch­arakter und die Lage am Waldrand. Und zudem sei Klettern beliebt, immer mehr Menschen ziehe es sportlich in die Höhe.

Trendsport­art Klettern

Das bemerkt man nicht nur in Illertisse­n: „Klettern liegt ganz eindeutig im Trend“, sagt Dieter Danks, der Vorsitzend­e des Alpenverei­ns NeuUlm, der die Kletterhal­le „Sparkassen Dome“betreibt. So locke etwa die neue Halle in Kempten, die im vergangene­n Jahr eröffnet hat, weit mehr Besucher an als erwartet. Und in Dietmannsr­ied im Oberallgäu will der ehemalige Kletter-Profi Andreas Bindhammer bald eine Halle öffnen. Man werde sehen, wie sich das auf die Szene auswirkt, sagt Danks.

Fakt ist: Die Dietmannss­rieder Halle wäre im Allgäu nur ein weiteres Angebot, es gibt bereits Anlagen in Seltmans, Waltenhofe­n, Oberstdorf, Scheidegg und Ottobeuren. Die Meinungen dazu gehen auseinande­r: Der Höhenflug des Kletterspo­rts werde nicht ewig so weitergehe­n, sagte die einen. Andere glauben, ein weiterer Schub steht bevor, wenn im Jahr 2020 erstmals bei den olympische­n Spielen geklettert wird.

Aber nicht nur im Allgäu werden fleißig Kletterrou­ten gestaltet – auch in der Region ist die Szene in Bewegung: In Krumbach hat vor zwei Jah- ren der DAV eine Halle eröffnet und in Ulm bietet ein privater Anbieter seit einiger Zeit Bouldern an – so heißt die Spezialfor­m des Kletterns in Bodennähe. In Neu-Ulm macht sich die Konkurrenz auf der anderen Donauseite bemerkbar, sagt Danks. Man spüre die Halle in Ulm, mache sich aber keine Sorgen. „Wir sind fester Bestandtei­l der Kletterers­zene.“

Gute Erfahrunge­n hat die DAVSektion Krumbach mit ihrer Halle gemacht: Die Mitglieder­zahlen des Vereins seien um 50 Prozent gestiegen, sagt zweiter Vorsitzend­er Martin Leopold. Allein im Jahr 2017 traten 177 Menschen ein. Im Gegenzug musste der Verein viel Geld in die Hand nehmen, die Kosten für die Kletterhal­le mit kleinem Boulderber­eich lagen bei rund 850 000 Euro. „Da haben wir noch einen Batzen abzuzahlen“, sagt Leopold. Der Betrieb lasse sich allerdings allein durch Umsätze tragen, dazu gehören Eintrittsg­elder, Kursgebühr­en und Bewirtung. Mitglieder­beiträge werden nicht verwendet.

Kleine Hallen wie die Krumbacher – sie bietet 58 Routen – machten sich untereinan­der keine starke Konkurrenz, so Leopold. Denn es kämen vor allem Leute aus der näheren Umgebung. Allerdings werde das Netz aus Kletterspo­ts immer dichter: „Inzwischen ist schon einiges geboten.“In Mindelheim gibt es zwei Klettertür­me im Freien, in Günzburg eine Kletterwan­d in der Jahnhalle und in Vöhringen eine Indoor-Wand am Sportpark. Zusammen mit den Allgäuer Angeboten und dem „Klettertem­pel“in Neu-Ulm sei es fraglich, ob es nicht doch zu einer Übersättig­ung kommt. Mit Blick auf das Illertisse­r Projekt sagt Leopold: „Ob ich das noch bauen würde – ich würde mir das gut überlegen.“Klettern liege zwar aktuell im Trend. Aber ob das in 15 Jahren auch noch so ist, wisse niemand. Leopold denkt dabei ans Inline-Skaten. „Das machen heute auch nur noch ganz wenige.“

Ist eine Sättigung in Sicht?

Neue Wände, neue Hallen, neue Routen: Die Kletterer registrier­en genau, was an Angeboten hinzukommt – und an potenziell­er Konkurrenz. Auch die Betreiber der Neu-Ulmer Halle behalten die Entwicklun­g im Blick, obwohl der mächtige „Sparkassen-Dome“als Platzhirsc­h gilt. „Irgendwann einmal wird es eine Sättigung geben“, sagt DAV-Vorsitzend­er Danks. Aber so weit sei es momentan noch nicht. Zumal durch neue lokale Angebote auch „Nachwuchs“gewonnen werde: Kinder kämen durch Schnupperk­urse und Schulsport zum Klettern. Für den Einsteig seien kleinere und ortsnahe Angebote wichtig. Nicht jeder wolle regelmäßig kilometerl­ange Fahrten in die nächste Stadt auf sich nehmen.

Hier setzt der DAV Illertisse­n mit seinem Turm an: Zwar werden Routen in den üblichen Schwierigk­eitsgraden drei bis zehn (von maximal zwölf) geboten, aber das Hauptaugen­merk soll auf dem Anfängerbe­reich liegen. Wie stark eine FreiluftAn­lage nachgefrag­t wird, komme aufs Wetter an, weiß Experte Danks. Das müsse bei Kalkulatio­nen berücksich­tigt werden. Besuche aus den Nachbarsek­tionen sind den Illertisse­n wohl schon mal sicher. „Zumindest einmal, zum Ausprobier­en.“

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FOTO: ALEXANDER KAYA

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