Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wild, abgefahren und grandios
Klaus Doldinger bietet besonderen Abschluss der Sommerbühne.
BLAUBEUREN - Eine erfolgreiche Sommerbühnen-Saison geht zu Ende. Vielseitiger hätte das Programm kaum sein können, da war für jeden Geschmack etwas dabei: Musik und Kabarett vom Feinsten. Es gab wortgewandte Sprachakrobaten, beeindruckende Bilder aus den Tiefen der Blauhöhle und viele hochkarätige Bands, mit Blasmusik, A-Capella-Gesang, Soul und Gospel, Blues und Hip-Hop, Elektro-Beat und BalkanBrass. Und es gab Klaus Doldinger, der mit seiner Band Passport ein fulminantes Finale hingelegt hat. Der international bekannte Altmeister des Jazz ist trotz seiner 81 Jahre immer noch voller Temperament und Leidenschaft. Das Publikum war begeistert: Nach drei Stunden Konzert wurde er mit viel Beifall und stehenden Ovationen verabschiedet.
„Bis zum nächsten Mal!“, rief Doldinger zum Abschied ins Publikum auf der voll besetzten Tribüne mit etwa 500 Besuchern am Blautopf. Das heißt, er denkt noch lange nicht ans Aufhören. Neun Mal hat er schon auf der Sommerbühne gespielt, in verschiedensten Besetzungen, unter anderem mit Joo Kraus, Helge Schneider, Max Mutzke und Wolfgang Dauner. „Wir sind mit dem Doldinger-Virus infiziert worden“, sagte Sommerbühnen-Organisator Peter Imhof bei seiner Ansage, „und Doldinger umgekehrt mit dem Sommerbühnen-Virus.“
Die Konzerte am Blautopf seien für ihn unvergessliche Erlebnisse, meinte Doldinger und bedankte sich für die Treue des Publikums. Bekannt geworden ist der Saxophonist und Komponist mit Titelmelodien für Krimis wie „Tatort“oder „Liebling Kreuzberg“und seinen Filmmusiken für „Das Boot“und „Die unendliche Geschichte“. Im März dieses Jahres wurde er bei einer Gala in Berlin mit dem Musikautorenpreis für sein Lebenswerk geehrt. Er blickt auf eine 60-jährige Karriere zurück, die kaum zu toppen ist.
Warum dieser Mann so beliebt ist, konnte man beim Konzert am Samstag live erleben. Er hat immer Kontakt zum Publikum und zu seiner Band. Der Funke springt über. Schon mit dem ersten Satz und dem ersten Ton ist er voll präsent. Ein bekanntes Motiv mit ein paar Tönen genügt ihm als Start für ein musikalisches Feuerwerk. Gut 2000 Stücke hat er geschrieben und mehr als 50 Tonträger veröffentlicht. Trotzdem ist LiveMusik für ihn immer noch das Größte. „Frei gespielte Stücke haben für mich einfach einen besonderen Reiz. Das ist einfach immer wieder neu und jedes Mal anders“, sagt er.
Der Einstieg in die Improvisationen läuft über wechselnde solistische Einlagen der sieben Bandmitglieder mit einer vier Mann starken Rhythmusgruppe: Congas, Percussion, Schlagzeug und Bass-Gitarre sorgen für einen umwerfenden Sound mit viel Power. Einige Passagen durften sie ganz allein bestreiten, mit dem E-Bass als Melodiegeber. Alles hervorragende Musiker, die wesentlich mehr sind als eine Begleitung. Vorne ein virtuoser Keyboarder und ein fingerflinker E-Gitarrist. Zwischendrin Doldinger mit seinem Sax, das immer noch einsame Spitze ist. Da legt er seine ganze Persönlichkeit rein, wird eins mit dem Instrument, gibt nochmal richtig Gas.
Im Laufe des Konzerts wird immer klarer, was er wirklich meint mit „frei gespielt“: Der 81-jährige Klaus Doldinger ist experimentierfreudiger denn je. Vielleicht wird man erst im Alter richtig frei, wenn man alles erreicht hat. Es geht nicht nur darum, dass sich jeder mal an seinem Instrument austoben darf: Bei den Improvisationen entfernen sich die Musiker immer weiter vom Hauptmotiv, bis es gar nicht mehr erkennbar ist. Die Komposition löst sich auf und driftet ab in andere Musikrichtungen.
Balladen und Filmmusik
Und so kommt es, dass das Publikum erst ein paar bekannte Motive zu hören bekommt, schnelle Stücke, langsame Balladen, eingängige Filmmusiken, im Live-Act aber immer wieder stark verändert. In der zweiten Halbzeit wird das dann getoppt und endet mit einer Überraschung, die man Doldinger so doch nicht zugetraut hätte: Er wechselt vom Sax zur Flöte und spielt, als hätte er nie ein anderes Instrument gehabt. Seine magische Flöte verschmilzt nach und nach mit den sphärischen Synthesizer-Klängen der mitreißenden Rhythmusgruppe und der virtuosen E-Gitarre zu einem großen Ganzen, das mit urwaldartigen Ethno-Klängen beginnt und von dort über Jazzund Rock-Klänge in einen TechnoRhythmus driftet: wild, grandios, abgefahren.