Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Hochzeitsgrüße aus Moskau
Wenn das kein Privileg ist: Russlands Präsident Wladimir Putin ist Stargast bei der Hochzeit von Österreichs Außenministerin Karin Kneissl. Abgesehen davon, dass mit diesem illustren Gast der Bräutigam, ein Unternehmer, zur Randfigur schrumpft: Womit hat sich Kneissl das Privileg eines „privaten“Staatsbesuchs aus Moskau verdient?
Dafür gibt es Gründe, die jedoch nicht für die 53-jährige Braut sprechen – und nicht unbedingt für Österreich: Die FPÖ, der die parteilose Kneissl den Posten verdankt, ist für Putin Teil der europäischen RechtsInternationale, die für ihn die AntiEU-Propaganda betreibt – mit dem Ziel, Europa zu schwächen. Und wenn sich dafür sogar die Wiener Chefdiplomatin einspannen lässt, ist das schon einen Abstecher in die Südsteiermark wert, wo das Fest am Samstag stattfinden wird.
Nach dem Hochzeitsbankett fliegt Putin nach Berlin. Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird er weiterhin hören, was sich Kneissl im Auftrag der FPÖ verkneifen muss: dass nämlich die Annexion der Halbinsel Krim völkerrechtswidrig und die Ukraine ein souveräner Staat ist, der alleine entscheide, ob er der Nato beitritt oder nicht. Happig wird Kneissl, bekannt für ihr knorriges Naturell, nur gegenüber Journalisten, die sie wie Schüler abkanzelt, weil sie angeblich immer die falschen Fragen stellen.
Richtig ist, dass Österreich in Konfliktfällen völlig neutral ist. Auch das gefällt Putin so sehr, dass er bereits zum zweiten Mal innerhalb zweier Monate die Alpenrepublik besucht.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte beim Besuch des russischen Präsidenten Anfang Juni gesagt, die Beziehungen zwischen Wien und Moskau seien eine Winwin-Situation. Putin bedankte sich mit dem Kompliment, in Österreich einen „zuverlässigen Partner“gegen das Brüsseler Sanktionsregime zu haben. Den von Kurz und Kneissl gestreuten Hinweis, Wien sei doch der ideale Ort für ein Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump, hat Putin trotzdem ignoriert. Die Wahl fiel bekanntlich auf Helsinki.
Die Neutralität wirkt nach
Was steckt hinter dem Pro-RusslandKurs der Regierung? Die Neutralität des Landes ist spätestens seit dem EU-Beitritt 1995 überholt. Die Regierungen, gleich welcher Zusammensetzung, vermeiden trotzdem überängstlich jeden Schritt, der den Zorn Russlands erregen könnte. Dessen Vorgängerstaat Sowjetunion zählte bekanntlich zu den mächtigsten Unterzeichnern des Staatsvertrags von 1955, in dem Österreichs Souveränität verankert ist.
Nach Einschätzung von Experten hinterlässt Putins Besuch indes einen erheblichen politischen Flurschaden. „Für Österreich ist das nachteilig. Der Besuch schürt das Misstrauen, dass das Land ein trojanisches Pferd Russlands in der EU ist“, sagte der Russland-Experte der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott. Erste Reaktionen in der Ukraine zeigten, dass Österreich als EU-Ratsvorsitzland seine Rolle als Vermittler im Ukraine-Konflikt deutlich beschädigt habe. Vom Besuch profitiere nur die russlandnahe FPÖ. „Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erfährt eine deutliche Aufwertung“, so Mangott.